Viele Studierende lassen ihre Seminar- oder Abschlussarbeiten von Verwandten oder Freunden korrigieren. Kommerzielle Angebote von Agenturen und Lektoren rund um das akademische Schreiben finden sich gerade im Internet leicht. Doch welche Hilfe ist beim Erstellen der wissenschaftlichen Arbeit erlaubt? Und wo fängt Ghostwriting an?
Von Janna Degener
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Bei manchen wissenschaftlichen Arbeiten wird man wohl nie erfahren, wer die Texte wirklich verfasst hat...
1. Wann darf ich Hilfe bei einer Arbeit holen und ab wann ist es Ghostwriting?
Ob es sich um eine Seminararbeit, eine Abschlussarbeit oder eine Promotion handelt – wer einen Text als Prüfungsleistung einreicht, behauptet damit automatisch, dass er die dahinter stehende wissenschaftliche Arbeit selbst und eigenständig erbracht und nur die Quellen genutzt hat, die er anführt. Die eidesstattliche Erklärung, die die Hochschulen in vielen Fällen verlangen, unterstreicht diese Tatsache, indem sie sie explizit macht. Ghostwriting ist also ein Verstoß gegen die Prüfungsordnungen.
Deshalb lohnt es sich auf jeden Fall, sich frühzeitig mit den Grundsätzen guter wissenschaftlicher Praxis auseinanderzusetzen. Wenn deine Uni dazu keine entsprechenden Angebote machen sollte, kannst du das auch selbständig tun (siehe dazu auch die hilfreichen Beiträge auf Studis Online). Und es gibt auch Angebote der Hochschulen in Sachen Schreibberatung. Trotzdem stellt sich immer wieder die Frage, welche und wie viel Hilfe du beim Erstellen von wissenschaftlichen Arbeiten in Anspruch nehmen darfst.
Austausch mit Profs und Kommiliton*innen
Klar und unproblematisch ist, dass die wissenschaftliche Community einen Einfluss auf diese Arbeit gehabt haben kann. Du darfst also beispielsweise ohne Frage Ideen aus Seminardiskussionen, Doktoranden-Kolloquien oder Beratungsgesprächen mit Professor*innen einfließen lassen. Bei kumulativen Promotionen kann es sein, dass auch Leistungen einbezogen werden, die von mehreren Autoren erstellt wurden. Und auch bei Abschluss- und Seminararbeiten sind Gruppenleistungen durchaus denkbar. Nicht immer muss dabei klar markiert sein, wer für welchen Teil der Arbeit zuständig war.
Ob das nötig ist oder nicht, ist bei studienbegleitenden Leistungen aus der jeweiligen Modulbeschreibung, bei Prüfungsleistungen aus der Prüfungsordnung und bei Promotionen aus der Promotionsordnung zu entnehmen. „Der Austausch gehört zum wissenschaftlichen Arbeiten dazu. Wichtig ist immer, dass es sich um die wissenschaftliche Erkenntnis des Autors handelt. Dadurch ist auch klar, dass keine Autoren nur ehrenhalber benannt werden dürfen oder ähnliches“, sagt Henning Rockmann von der Hochschulrektorenkonferenz (HRK) dazu.
Ghostwriting und Korrekturlesen – Extremfälle
Wenn es sich nicht gerade um solche Gruppenarbeiten handelt, sollte aber niemand außer dir den Stift in die Hand nehmen. Das Schreiben ist also definitiv dir als Autor vorbehalten. Deshalb ist es definitiv verboten, eine Arbeit einzureichen, die von einem Ghostwriter verfasst wurde. Das Ghostwriting an sich ist allerdings nicht verboten. Die Agenturen, die diesen Service anbieten, sichern sich häufig ab, indem sie in ihren AGB darauf hinweisen, dass die Arbeiten zum Beispiel nur als Anregung dienen und nicht als Prüfungsleistungen bei Hochschulen eingereicht werden dürfen – obwohl eigentlich jeder weiß, dass wohl die Meisten sie zu diesem Zweck kaufen.
„Ich arbeite mit Agenturen zusammen, die mir die Aufträge vermitteln. Mit den Studenten, die wahrscheinlich letztlich meine Kunden sind, habe ich nicht direkt etwas zu tun. Wenn Studenten meine Texte eins zu eins als ihre eigene Arbeit ausgeben, liegt das nicht in meiner Verantwortung“, sagt Wolfgang Klinghammer, der als akademischer Ghostwriter tätig ist. Mögliche Folgen muss im Zweifelsfall der ausbaden, der die Prüfungsleistung abgegeben hat. Der Deutsche Hochschulverband (DHV) hat den Gesetzgeber 2012 übrigens dazu aufgefordert, einen Straftatbestand Wissenschaftsbetrug zu schaffen, um entsprechende Dienstleister im Bereich der so genannten Promotionsberatung die Arbeit zu erschweren (siehe Pressemitteilung).
Wenn sich irgendjemand im Bekanntenkreis die fertige Arbeit noch einmal durchliest und Rechtschreibfehler korrigiert oder Kommas ergänzt, weil du den Wald vor lauter Bäumen nicht seht, dann wird dir daraus sicher keiner einen Strick drehen. „Wer das so eng sieht, müsste streng genommen auch die Korrekturfunktion bei Word ausschalten. Darum geht es nicht, das ist nicht das Entscheidende bei der guten wissenschaftlichen Praxis“, meint Rockmann von der HRK.
Die Autorin dieses Artikels Janna Degener studierte Germanistik und Ethnologie an der Freien Universität Berlin und verbrachte Auslandsaufenthalte in Costa Rica, Syrien, Frankreich und Tansania. Als freie Journalistin beschäftigt sie sich heute besonders mit Bildungs- und Verbraucherthemen. Mehr Infos zu ihr und ihrer Arbeit gibt’s unter www.jannadegener.de
Zwischen diesen Extremfällen – „Mutter ergänzt hier und da ein Komma“ versus „ein Ghostwriter sucht ein Thema und schreibt die komplette Arbeit“ – gibt es allerdings jede Menge Graustufen, die nur individuell und nach persönlichem Ermessen bewertet werden können. Letztlich müsst du also auf dein Bauchgefühl hören, wenn du dich entscheidest, eine bestimmte Hilfe in Anspruch zu nehmen oder darauf zu verzichten. Frag dich selbst, ob du die jeweilige Unterstützung vertretbar findet oder ob du sie selbst als Eingriff in deine eigenständige wissenschaftliche Leistung betrachtet. Bei der Abwägung können folgende Kriterien eine Rolle spielen:
Schriftliche versus mündliche Unterstützung: Beratung, Feedback, Vorschläge etc. sind okay, aber keiner sollte für dich den Stift in die Hand nehmen.
Gesamttexte versus Ausschnitt/Einzelkapitel/Absatz: Schreibberatungen an Hochschulen arbeiten in der Regeln nur mit Textausschnitten, während professionelle Lektoren sich den kompletten Text vornehmen. Wenn Profis an kompletten Texten arbeiten, ist das tendenziell eher problematisch.
Inhaltlich-strukturelle versus formal-stilistische Verbesserung: Für den Inhalt und die Struktur, das heißt den wissenschaftlichen Erkenntnisprozess, bist du auf jeden Fall selbst verantwortlich und deshalb ist es unzulässig, dass du zum Beispiel mit deinem Vater, der selbst Jurist ist, deinen Fall komplett durchsprecht, bevor du ihn niederschreibt.
Aber auch Gestaltung, Sprache und Stil können je nach Studienfach einen wesentlichen Teil der Prüfungsleistung ausmachen: Etwa bei Juristinnen, die sich den Gutachtenstil im Laufe des Studiums aneignen müssen, oder bei Germanistinnen, die sich durch ihr besonders Sprachgefühl von anderen Absolventen unterscheiden sollen. „Ob ich geschliffen argumentieren kann, ist Teil der Prüfungsleistung. Vice versa bedeutet das, dass ich mir diese Leistung nicht von Dritten geben lassen kann“, sagt Michael Hartmer vom DHV.
Echte oder konstruierte Beispiele: Die einzelnen Fakultäten der Hochschulen sollen ihre Studierenden in speziellen Seminaren und in den inhaltlichen Lehrveranstaltungen für das Schreiben von wissenschaftlichen Texten fit machen. Und auch spezielle Einrichtungen wie Schreibberatungen kümmern sich genau darum. Prinzipiell ist das natürlich eine super Hilfe, um die du dich unter Umständen auch frühzeitig aktiv bemühen solltest.
Es kann aber problematisch werden, wenn Profis an größeren Ausschnitten oder kompletten Arbeiten feilen, die du dann tatsächlich als Prüfungsleistungen einreichen willst. „Im Vorfeld und im Nachgang darf das passieren. Aber wenn solche Unterstützung Teil der Prüfungsleistung ist, ist das prüfungsrechtlich nicht akzeptabel. Es darf keine wie auch immer geartete Veredelung von Seminar- oder Abschlussarbeiten geben“, meint etwa Hartmer.
Hochschule vs. privates Umfeld vs. kommerzielle Anbieter: Bei Angeboten, die von den Hochschulen selbst kommen, musst du dir im Prinzip keine Sorgen machen. Auch nicht-professionelle Unterstützung aus dem privaten Umfeld ist prinzipiell okay.
Schwieriger wird es, wenn es sich um professionelle Anbieter handelt, die du für die Leistung bezahlt. Während manche Hochschulen ihren Studierenden auf ihren Websites sogar empfehlen, professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, sprechen sich die Experten kritisch aus. Henning Rockmann von der HRK und Michael Hartmer vom DHV raten grundsätzlich davon ab, solche Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Wenn du es doch tust, solltest du darauf achten, dass es sich wirklich nur um formale Korrekturen handelt und nicht um Änderungen an Inhalt oder Struktur. Und damit keine Missverständnisse entstehen können, nimmst du im Zweifelsfall lieber Agenturen und freie Lektor*innen in Anspruch, die Ghostwriting gar nicht im Angebot haben.
Natürlich kann die Entscheidung im Zweifelsfall schwierig sein: Einerseits ist klar, dass jeder für sich selbst das Beste herausholen will – gerade wenn es um die Abschlussnote und die damit verbundenen beruflichen Perspektiven geht.
Und in der Praxis ist es so, dass unzulässige Unterstützungen in vielen Fällen kaum nachzuweisen sind. „Es gibt durchaus ein Beweisproblem, denn keiner weiß wirklich, wer die Arbeit unterstützt hat. Und obwohl die Prüfer dienstrechtlich dazu verpflichtet sind, einem eventuellen Verdacht nachzugehen, werden viele das angesichts der mehreren Millionen Prüfungen pro Jahr und der leider sehr dürftigen Personalsituation der Hochschulen und dem damit verbundenen schlechten Betreuungsschlüssel wahrscheinlich nicht tun“, meint Hartmer.
Der Ghostwriter Klinghammer sagt: „Ein Plagiat ist in Zeiten des Internets leicht erkannt. Wenn aber jemand einen Ghostwriter beauftragt, der einen neuen wissenschaftlichen Text verfasst, handelt es sich dagegen nicht um ein Plagiat. Da der Text neu ist, ist es schwierig, die Urheberschaft festzustellen“.
Letztlich kann eine zu Teilen mangelhafte Betreuung vielleicht auch eine Erklärung dafür, warum sich der eine oder die andere mit seiner Abschlussarbeit ein wenig überfordert fühlt. Statt einen Ghostwriter zu beauftragen, solltest du andere Hilfen suchen. Es gibt auch die Option, von deinem Institut, deiner Fakultät oder Hochschule zu fordern, dass es entsprechende Angebote geben sollte und die Betreuung verbessert wird.
Das spricht gegen zu viel externe Unterstützung
Es sprechen definitiv auch gute Gründe dagegen, zu viel Hilfe in Anspruch zu nehmen:
Bringt einem der beste Abschluss auf Dauer wahrscheinlich nichts, wenn du die Leistung gar nicht selbst hättest erbringen können.
Macht es wahrscheinlich auch nicht besonders glücklich, sich mit fremden Federn zu schmücken.
Unterstützt du soziale Ungerechtigkeiten, wenn du dir zum Beispiel für viel Geld einen Studienabschluss erkaufst.
Schadest du dadurch auch der Wissenschaft und damit einer wichtigen Ressource unserer Gesellschaft.
Kann es eben doch passieren, dass du auffliegst, was für die eigene Reputation schlecht sein und auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen kann. Dann können laut Hartmer je nach Schwere der Täuschung eine Ordnungswidrigkeit, ein verlorener Prüfungsanspruch oder auch eine Exmatrikulation drohen.
Wie ehrlich sollst du sein?
Wenn du Hilfe in Anspruch genommen hast, stellt sich schließlich noch die Frage, ob du darauf in deiner Arbeit hinweisen solltest. Dazu haben die Experten eine klare Antwort: In vielen Prüfungsordnungen steht zwar, dass Hilfe von Dritten angegeben werden muss. Und Danksagungen an Mitglieder der wissenschaftlichen Community sind durchaus üblich. Es ist aber unüblich und ungeschickt, andere Helfer*innen wie aus dem privaten Bekanntenkreis oder bezahlte Profis in der Arbeit zu erwähnen. „Wenn der Prüfer nach Gesetz und Ordnung handelt, darf er solch eine Arbeit nicht als tauglichen Prüfungsversuch werten“, stellt Hartmer fest.
4. Fazit
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Vielleicht können dir deine Freunde aus dem Studium auch weiterhelfen, wenn es beim Schreiben hakt
Kümmere dich frühzeitig darum, dich mit den Grundsätzen wissenschaftlichen Arbeitens vertraut zu machen und fordere dabei die Unterstützung deiner Hochschule ein. Überlege dir gut, ob du darüber hinaus die Hilfe von Familienmitgliedern, Freund*innen, Bekannten oder Profis in Anspruch nimmst und in welchem Maße du das guten Gewissens vertreten kannst. Verzichte darauf, solche Hilfen in deiner Arbeit zu erwähnen. Nimm keinen Ghostwriter in Anspruch und achte darauf, dass du auch nicht auf andere Art und Weise die Grenze des Vertretbaren und Legalen überschreitest.
Und lass' dich natürlich nicht unterkriegen, Du schaffst das schon!
Anmerkung der Redaktion:
Der Artikel wurde zuerst am 25. Juni 2015 auf Studis Online veröffentlicht. Das oben genannte Datum zeigt lediglich die letzte Überarbeitung der Redaktion an.
Kommentare zu diesem Artikel
1. Dirk2019 kommentierte am 11.02.2020 um 09:16:07 Uhr
Ghostwriter okay
Also ich habe damit selber Erfahrungen gesammelt... In 2019 habe ich mich nach vielen Jahren Berufstätigkeit, wieder neu bewerben müssen. Leider war ich komplett raus und habe letztlich eine Agentur also quasi einen Ghostwriter beauftragt. Ich habe das dem Personaler auch ganz offen angesagt, nachdem er danach fragte. Den Job habe ich bekommen. Also ich bin da sehr postiv gestimmt. Achso, die Agentur hiess [BITTE KEINE WERBUNG!]. Bei wissenschaftlichen Arbeiten ist das aber nochmal eine andere Sache. Muss jeder selber wissen. Gruss, Dirk
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