Pro & Contra Studium
Soll ich studieren?
Ihr habt das Abi quasi in der Tasche und überlegt, wie es weitergehen soll? Oder ihr habt schon eine Ausbildung gemacht und denkt jetzt darüber nach, noch ein Studium draufzusetzen? Wir versuchen euch bei der Entscheidung tatkräftig zu helfen.
Von Janna Degener

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Wer vor der Entscheidung für oder gegen ein Studium steht, muss erstmal viele Fragen klären. Das ist vollkommen normal.
Grundsätzliche Überlegungen
Studien belegen immer wieder, dass Kinder aus Arbeiterfamilien sich häufig gegen ein Studium entscheiden. Viele Kinder aus Akademikerfamilien scheinen dagegen mehr oder weniger blindlings an die Unis strömen, ohne überhaupt einen Gedanken an mögliche Alternativen zu verschwenden. Dabei hätte jeder Einzelne wahrscheinlich mehr davon, wenn er versuchen würde, die Entscheidung für oder gegen ein Studium mehr oder weniger unabhängig von seinem sozialen Umfeld zu fällen.
Denn natürlich ist ein Studium prinzipiell weder besser noch schlechter als etwa eine Ausbildung. Vielmehr ist es eine unter verschiedenen Möglichkeiten, die für den Einzelnen mehr oder weniger sinnvoll sein kann. Ob ein Studium für Euch persönlich eine attraktive Option ist, das kann zum Beispiel von Euren Interessen und Talenten, von Euren Berufswünschen und der Situation auf dem Arbeitsmarkt abhängen. Deshalb ist es wichtig, dass Ihr Euch möglichst frühzeitig mit der Frage „Studieren ja oder nein“ auseinandersetzt. Viele hilfreiche Informationen dazu findet Ihr in diesem Artikel, weitere bieten die Links im Text und die weiter unten genannten Quellen. Sie sollen Euch die wichtige Entscheidung erleichtern.
Argumente für ein Studium
Die Mehrheit der Abiturienten entscheidet sich für ein Studium. Und viele bezeichnen die Studienzeit später rückblickend als beste Zeit ihres Lebens. Tatsächlich sprechen einige gute Gründe für diesen Weg.
- Berufswahl: Für bestimmte Berufe wie Arzt, Anwalt, Lehrer oder Wissenschaftler ist ein akademischer Abschluss unverzichtbar.
- Vielfalt der Möglichkeiten: Es gibt eine riesige Anzahl unterschiedlichster Studiengänge, es ist also so ziemlich für jeden das passende Fach dabei.
- Orientierung: Noch während des Studiums kann man sich auf dem Arbeitsmarkt orientieren und sich entsprechend spezialisieren.
- Intellektuelle Herausforderung: Ein Studium bietet die Möglichkeit, sich vertieft mit Themen auseinanderzusetzen.
- Freiheit und Flexibilität: Viele Studiengänge bieten ihren Studierenden die Möglichkeit, ihre Zeit selbst zu einzuteilen und ihre Lehrveranstaltungen interessensgeleitet zusammenzustellen.
- Persönlichkeitsschule: Neben den eigentlichen Inhalten kann man im Studium Schlüsselqualifikationen wie Selbstorganisation, Teamfähigkeit, Präsentationsskills und Fremdsprachenkenntnisse vertiefen.
- Karriereaussichten: Viele Unternehmen setzen bei Ihren Bewerbern zumindest für gehobene Positionen ein Studium voraus.
- Arbeitslosenstatistik: Hochschulabsolventen sind statistisch gesehen seltener arbeitslos als Andere, denn sie eignen sich in der Regel für höher qualifizierte Jobs und können in vielfältigeren Bereichen eingesetzt werden.
- Gehalt: Akademiker verdienen im Schnitt deutlich mehr als Nicht-Akademiker.
- Status: Für wen dies wichtig ist: Ein akademischer Abschluss ist in bestimmten gesellschaftlichen Kreisen gut angesehen.
- Zeitlicher Aufwand: Ein Bachelorstudium dauert nur wenig länger als eine Berufsausbildung (circa 3 bis 3,5 Jahre).
- Finanzierungsmöglichkeiten: Mit BAföG, Stipendien, Bildungskredit, Studienkrediten oder Nebenjobs lässt sich ein Studium finanzieren. Und bei den meisten müssen auch die Eltern Unterhalt leisten (und bekommen u.a. dafür in der Regel Kindergeld).

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Über das für und wider eines Studiums kann man lange streiten – zu fast jedem Argument findet sich auch ein Gegenargument. Letztlich muss jedeR für sich selbst entscheiden, was schwerer wiegt.
Argumente gegen ein Studium
Doch natürlich muss man auch die Kehrseite der Medaille betrachten: Denn ein Studium ist sicher nicht für jeden der Königsweg und es gibt auch zahlreiche Argumente, die dagegen sprechen.
- Zeitlicher Aufwand: Ein Studium mit durchschnittlicher Dauer von 3 Jahren für den Bachelor und oft angehängtem Master von meist 2 Jahren dauert durchaus länger als eine Berufsausbildung.
- Lange Vorfinanzierung: Im Studium verdient man in der Regel kein Geld, sondern man muss neben den Lebenshaltungskosten einen Semesterbeitrag und ggf. sogar Studiengebühren zahlen. Das bedeutet, dass man finanziell abhängig ist und sich ggf. auch einschränken muss.
- Organisatorische Herausforderung: Für viele stellen die Freiheit und Flexibilität des Studiums eine Hürde dar. Sie sind damit überfordert und scheitern vielleicht auch daran. Ein Studium erfordert eine erhöhte Selbstmotivation.
- Intellektuelle Herausforderung: Nicht jeder möchte nach der Schule weiterpauken. Doch auch an der Hochschule wird man vor allem den Kopf anstrengen müssen.
- Wenig Praxisbezug: Ein Studium zeichnet sich in der Regel dadurch aus, dass es eher theorielastig ist und nicht unbedingt zu einem konkreten Berufsbild führt. Allerdings gibt es hier große Unterschiede zwischen den verschiedenen Hochschultypen und Studienfächern.
- Mehrbelastung durch Praktika: In vielen Studiengängen sind Praktika nötig, die die Freiheit, Flexibilität und Zeit für Erwerbsarbeit doch wieder einschränken.
- Schwieriger Berufseinstieg: Vielen Hochschulabsolventen fällt der Berufseinstieg schwer, weil der Fokus im Studium i.d.R nicht auf der Praxis liegt.
- Status: Nicht in allen gesellschaftlichen Kreisen ist ein akademischer Abschluss gut angesehen.
- Abbruchrisiko: Wenn es schlecht läuft, kann es passieren, dass man das Studium abbrechen muss oder dass man durch Abschlussprüfungen fällt. Dann hat man Zeit und Energie investiert und zieht möglicherweise keinen konkreten Nutzen daraus.
- Arbeitslosenstatistik: Ein Studium ist kein Garant für berufliche Sicherheit. Stattdessen gibt es hier große Unterschiede zwischen den Branchen. In vielen Bereichen nehmen prekäre Beschäftigungsformen wie befristete Stellen oder freie Mitarbeit zu, was auch Hochschulabsolventen betrifft.
- Gehalt: Ein Studium ist kein Garant für ein höheres Gehalt. Abhängig ist die Höhe des Gehalts u.a. auch von der Branche.
- Plan B: Auch ohne Studium kann man erfolgreich sein.
Wichtig: Die genannten Aspekte – sowohl Pro wie Contra – können nur eine grobe Orientierung geben, denn
Studium ist nicht gleich Studium. Drei Beispiele:
- Fachhochschulen bieten Studierenden weniger Freiheiten, dafür eher mehr Struktur und Praxisbezug als Universitäten.
- Das duale Studium, das wir im folgenden Abschnitt vorstellen, bietet auch weniger Freiheiten als ein klassisches Studium, dafür aber finanzielle Sicherheit und (oft) ausgezeichnete Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
- Ärzte, Ingenieurinnen oder IT-Fachkräfte sind deutlich seltener von Arbeitslosigkeit und prekären Beschäftigungsverhältnissen betroffen als beispielsweise Germanisten oder Archäologinnen.
Deshalb ist es sehr wichtig, dass Ihr Euch frühzeitig umfassend darüber informiert, welcher Hochschultyp und welches Studienfach bzw. welche Alternativen dazu für Euch in Frage kommen würden.
Alternativen zum (klassischen) Studium

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Es gibt fast immer eine Alternative – und wenn man sich noch nicht entscheiden kann, ist eine Auszeit / Überbrückung auch nicht falsch.
Wer sich für oder gegen ein (klassisches) Studium entscheiden möchte, sollte die Alternativen vor Augen haben: Unter Umständen ist eine dieser Möglichkeiten (vorerst) ja sinnvoller für Euch?
- Auszeit / Gap Year: Manch einer wünscht sich nach dem Abi einfach mal eine Pause. Wenn Ihr diese Auszeit nutzt, um wertvolle Erfahrungen zu sammeln, macht sich das später vielleicht sogar im Lebenslauf gut – es gibt aber auch andere gute Gründe für ein Gap Year: wenn ihr noch nicht wisst, was ihr studieren wollt, gewinnt ihr so Zeit für die Entscheidung. Ihr könnt zum Beispiel in Deutschland oder im Ausland Freiwilligenarbeit leisten, für Reisen, per Work & Travel, als Au Pair oder für eine Sprachreise ins Ausland gehen. Allerdings braucht es in der Regel Erspartes oder einer Finanzspritze von den Eltern, um diese Auszeit möglich zu machen. Hier findet ihr die Antworten auf die wichtigsten Fragen, was beim Gap Year zu beachten ist, ob es zum Beispiel die Chancen auf einen Studienplatz erhöht oder woran ihr bei einem Auslandsaufenthalt denken müsst.
- Praktikum: Wer wirklich unsicher ist, kann sich vorerst für ein Praktikum entscheiden. Da könnt Ihr merken, ob Euch ein Job liegt und ob er Euch auch Spaß macht. Außerdem erfahrt Ihr, welche Kompetenzen Ihr noch braucht, um in den gewünschten Beruf einzusteigen. Möglich ist aber auch, dass Ihr nach dem Praktikum direkt in den Beruf oder in eine Berufsausbildung einsteigt. Oder Ihr schließt das Studium an: Manche Studiengänge setzen ein Praktikum bei Ihren Studienbewerbern sogar voraus. Wenn Ihr das Praktikum im Ausland absolviert, könnt Ihr bei der Gelegenheit Eure interkulturelle Kompetenzen und deine Fremdsprachenkenntnisse ausbauen.
- Direkter Berufseinstieg: In den meisten Fällen ist der direkte Berufseinstieg nach dem Abitur wohl schwer zu verwirklichen. Allerdings kann sich eine solche Möglichkeit zum Beispiel nach einem erfolgreichen Praktikum ergeben. Denkbar ist auch, nach dem Abi erstmal ein wenig zu jobben. Auf Dauer ist eine solche Option aber i.d.R. wohl nur dann sinnvoll, wenn Ihr Euch im Job weiterentwickeln, d.h. dazu lernen könnt.
- Berufsausbildung: Eine Berufsausbildung ermöglicht es Euch, schnell finanziell unabhängig zu sein und nach relativ kurzer Zeit ins Berufsleben zu starten. Es gibt u.a. Ausbildungsmöglichkeiten, die sich gezielt an Abiturienten richten. Eine Ausbildung ist praktischer ausgerichtet als ein Studium und der Übergang ins Berufsleben ist dann häufig leichter. Ihr könnt die Berufsausbildung zwar weniger auf Eure persönlichen Interessen ausrichten und Eure Aufstiegsmöglichkeiten sind später begrenzter als mit dem akademischen Abschluss, aber in vielen Branchen sind Quereinstiege möglich. Und Ihr könnt dann ja auch immer noch ein Studium draufsetzen, u.U. berufsbegleitend. Von Euren Erfahrungen aus der Berufsausbildung werdet Ihr dabei sicherlich profitieren.
- Duales Studium: Wenn Ihr Euch zwischen Berufsausbildung und Studium nicht entscheiden könnt, habt Ihr auch die Möglichkeit, beides zu kombinieren. Ihr wechselt dann zwischen Hochschule und Unternehmen, sammelt also sowohl theoretische als auch praktische Erfahrungen. Ein duales Studium ist vergütet und bietet gute Perspektiven auf dem Arbeitsmarkt. Allerdings ist der Zugang nicht leicht. Ein duales Studium ist auch sehr zeit- und arbeitsaufwendig und es lässt Euch weniger Entscheidungsspielraum als ein normales Studium.
Jetzt aber: Entscheidung treffen
Also: Studieren ja oder nein?Die Autorin dieses Artikels
Janna Degener studierte Germanistik und Ethnologie an der Freien Universität Berlin und verbrachte Auslandsaufenthalte in Costa Rica, Syrien, Frankreich und Tansania. Als freie Journalistin beschäftigt sie sich heute besonders mit Bildungs- und Verbraucherthemen. Mehr Infos zu ihr und ihrer Arbeit gibt’s unter
www.jannadegener.de Prüft sorgfältig, ob ein Studium zu Euren Wünschen und Plänen passt und ob Ihr überhaupt in der Lage seid, die damit verbundenen Herausforderungen zu bewältigen. Stellt Euch zum Beispiel folgenden Fragen:
Habt Ihr schon einen konkreten Berufswunsch und wenn ja: Könnt Ihr diesen mit einem Studium erreichen? Gibt es auch andere Wege, dieses Berufsziel zu erreichen? Liegt Euch das logische Denken oder betrachtet Ihr Euch eher als Praktiker? Seid Ihr neugierig auf theoretische Fragestellungen? Könnt Ihr Euch gut selbst organisieren, seid Ihr diszipliniert? Könnt Ihr damit leben, noch ein paar Jahre finanziell abhängig zu sein? Seid Ihr motiviert genug, um auch schwierigere Zeiten im Studium durchzustehen?...
Wenn ein Studium ernsthaft für Euch in Frage kommt, solltet Ihr Euch natürlich auch nach passenden Hochschulen und Fächern umsehen und alle Fragen rund um Zulassungsbedingungen, Fristen und Finanzierung klären.
Welche Alternativen kommen in Frage?
Prüft auch, welche Alternativen für Euch in Frage kommen: Kann und will Euch jemand eine Auszeit finanzieren? Könnt Ihr Euch vorstellen, ein Praktikum zu machen (
Hinweise zu BAföG, Mindestlohn & Co.) oder direkt in den Beruf einzusteigen? Sind Eure Noten zum Beispiel gut genug für die Ausbildung Eurer Wahl? Wie gut sind die Chancen auf eine Stelle? Müsstet Ihr für die eine oder andere Option umziehen und könntet Ihr Euch das vorstellen? Welche Bewerbungsfristen müsst Ihr beachten?...
Pro-/Contra-Listen und Abwägungen
Vielleicht habt Ihr schon eine Idee, welcher Weg der (vorerst) richtige für Euch sein könnte. Vielleicht schwankt Ihr noch zwischen zwei Möglichkeiten oder Ihr seid noch komplett unsicher. In jedem Fall kann es sinnvoll sein, dass Ihr Euch Eure persönliche Pro-/Contra-Liste anfertigt – mit den Argumenten, die Euch besonders wichtig sind. Notiert Euch die Fragen und Unklarheiten, die auftauchen, und setzt alle Hebel in Bewegung, um sie zu klären.
Versucht, so früh wie möglich Einblicke in Berufsfelder und Ausbildungswege zu bekommen, die Euch interessieren: Zum Beispiel durch Ferienjobs, Praktika, ein Probe-, Schnupper- oder Juniorstudium. Sprecht mit Freunden oder Bekannten, die eine Ausbildung oder ein Studium machen – idealerweise in dem Bereich, der auch für Euch in Frage kommt. Lasst Euch auch von Eltern, Freunden und Lehrern beraten, die Euch gut kennen und vielleicht beurteilen können, was zu Euch passt.
Nutzt auch Informations- und Beratungsangebote, die zum Beispiel von der Bundesagentur für Arbeit, von verschiedenen Hochschulen und auch von privaten Organisationen angeboten werden. Besucht
Messen und Informationsveranstaltungen für Abiturienten, die in Eurer Nähe stattfinden. Nutzt auch die Informations-, Austausch- und Beratungsangebote der Organisation
ArbeiterKind, wenn Ihr aus einer Arbeiterfamilie kommt und über ein Studium nachdenkt.
Denn auch wenn niemand die Zukunft vorhersagen kann: Die Entscheidung für oder gegen ein Studium ist auf jeden Fall ein richtungsweisender Schritt, der wohl überlegt sein sollte. Denkt aber auch daran, dass Eure Entscheidung doch auch wieder korrigiert werden kann. Denn bei aller Überlegung bleibt immer auch etwas Ungewissheit. Und das ist gar nicht schlimm!
Ihr kommt mit der Entscheidung nicht allein weiter?
Manchmal kommt man allein einfach nicht weiter. Auch das ist nicht schlimm. Hier ein paar Artikel mit Beratungsangeboten und weiteren Anregungen.
Dieser Artikel wurde leicht durch die Studis Online-Redaktion überarbeitet, entspricht also nicht mehr ganz dem ursprünglichen Original der Autorin. Die letzte Veränderung wurde am oben angegebenem Datum vorgenommen.
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