Sinnkrise vor dem BerufseinstiegMit Selbstzweifeln konstruktiv umgehen

Von Anja Schreiber
1. Kurz + knapp
Zweifel gehören für viele Studierende zum Studienverlauf. Gründe können ein ernüchterndes Praktikum, veränderte Interessen, Unsicherheit durch KI oder einfach der Stress des Uni-Alltags sein. Nutze die Gelegenheit, um klarer zu sehen: Stell dir diese 20 Reflexionsfragen. Sie helfen dir herauszufinden, was dich wirklich motiviert – im Studium und darüber hinaus.
Nein. Viele Studierende merken erst in höheren Semestern, dass ihr ursprünglicher Plan nicht (mehr) passt. Und selbst Menschen mit 40 oder 50 schaffen erfolgreich einen beruflichen Neustart – warum solltest du das nicht können? Wichtig ist: Du musst die Entscheidung nicht allein treffen. Hol dir frühzeitig Unterstützung und lass dich beraten.
Es gibt mehrere Anlaufstellen, die dir helfen können – kostenlos und vertraulich: Die Beratungsangebote der Hochschulen, der Studierendenwerke und der Bundesagentur für Arbeit können dich unterstützen. Da gibt es zum einen die BeraterInnen der Arbeitsagenturen und der Career Services, die sich als AnsprechpartnerInnen zum Thema Berufseinstieg eignen, aber auch die MitarbeiterInnen der psychologischen Beratungsstellen.
2. Angst vor einer Fehlentscheidung
Es gibt viele Auslöser für eine Sinnkrise: ein ernüchterndes Praktikum, veränderte Interessen, Druck von außen oder auch einfach Stress und Erschöpfung. Die Vielzahl der Möglichkeiten kann mitunter ebenfalls eher lähmend als beflügelnd wirken. Auch globale Krisen und die Entwicklung von KI auf dem Arbeitsmarkt können Zukunftsängste und Zweifel verstärken.
So überkommt manchen die Angst vor einer falschen Entscheidung. Dahinter stecken oft noch weitere Ängste wie die Furcht vor Veränderung oder vor dem Scheitern, aber auch die Sorge, es dem eigenen sozialen Umfeld nicht recht zu machen.
Auch wenn dir vielleicht nicht direkt klar ist, was der Grund für deine Krise ist, merkst du vielleicht trotzdem typische Anzeichen wie z.B.:
Du schiebst Bewerbungen oder Abschlussarbeit undankbar lange vor dir her.
Du fühlst dich lustlos, unsicher oder orientierungslos.
Du fragst dich, ob du „das alles“ eigentlich noch willst.
Nicht alles ist eine Sinnkrise
Die Autorin dieses Artikels
Anja Schreiber arbeitet seit vielen Jahren als freie Fachjournalistin zu den Themen Bildung, Studium und Beruf. Sie schreibt unter anderem für die Berliner Zeitung, Stuttgarter Zeitung und Süddeutsche Zeitung, aber auch für Hochschulmagazine und eine wissenschaftliche Publikation. Sie ist zudem die Autorin mehrerer Ratgeber. So hat sie zum Beispiel „Die Sehnsuchtsstrategie für Studierende und Hochschulabsolventen“ geschrieben. Das Buch hilft, den Berufseinstieg passgenau vorzubereiten.
Weitere Infos unter: anjaschreiber.de
Doch was kannst du tun, wenn du in einer Sinnkrise steckst? Zunächst einmal ist es entscheidend, dass du wahrnimmst, dass etwas nicht stimmt. Wer die Jobsuche komplett ignoriert, obwohl er/sie in wenigen Monaten mit der Uni fertig ist, sollte sich das eingestehen.
Andererseits ist nicht jeder Durchhänger gleich eine Sinnkrise: Ein schlechtes Praktikum oder eine stressige Prüfungsphase kann auch einfach eine vorübergehende Delle sein. Entscheidend ist, ob das Gefühl anhält und sich auch auf deine Zukunftsplanung auswirkt.
3. Über sich reflektieren – 2️⃣0️⃣ Fragen zur Selbstreflexion 🧘
Wenn du herausfinden willst, was hinter deinen Zweifeln steckt, helfen dir diese vier Frageblöcke. Nimm dir dafür etwas Ruhe.
Du & dein Befinden
Wie zufrieden bin ich?
Welche Gedanken beschäftigen mich am meisten?
Wie fühle ich mich im Alltag?
Habe ich Ängste? Wenn ja, worum kreisen diese?
Bin ich häufig krank oder erschöpft – was könnte der Grund dafür sein?
Wie hoch ist mein Stresslevel und was sind die Ursachen?
Dein Studium:
Wie sinnvoll empfinde ich heute noch meine Studienentscheidung?
Macht mir das Studium noch Spaß oder habe ich innerlich gekündigt?
Wie oft erlebe ich Misserfolge und warum?
Wie stark leide ich unter Aufschieberitis?
Dein (bisheriger) Berufswunsch:
Weiß ich, in welchem Feld ich nach dem Studium arbeiten möchte?
Hab ich eine klare Branche im Kopf?
Fühle ich mich unsicher und orientierungslos?
Haben sich meine Berufswünsche verändert?
Wie kam es dazu?
Haben sich meine Werte und Interessen verschoben? Wenn ja, in welche Richtung gehen sie jetzt?
Dein Privatleben
Welche Veränderungen gab es in letzter Zeit in meinem Leben?
Gab es Krisen und wie wirken sie?
Wie beeinflussen Beziehungen mein Studium oder meinen Berufswunsch?
Und die wichtigste Frage: Wenn Geld und Erwartungen keine Rolle spielten – würde ich mich beruflich neu orientieren?
4. Sich beraten lassen
Wenn du merkst, dass sich deine Zweifel verfestigen, hole dir Unterstützung. Das ist kein Zeichen von Schwäche, sondern kluge Selbstorganisation.
Die Beratungsangebote der Hochschulen, der Studierendenwerke und der Bundesagentur für Arbeit können dir helfen.
Career Services der Hochschulen (Berufseinstieg, Bewerbungen, Orientierung)
Berater*innen der Agentur für Arbeit (Alternativen, Stärkenanalyse, Arbeitsmarktinfos)
Psychologische Beratungsstellen der Studierendenwerke (wenn Druck, Stress oder Ängste dich stark belasten)
Um einen neuen Weg einzuschlagen ist keinesfalls „zu spät“. Wenn Menschen mit 40 oder 50 erfolgreich ihren Beruf wechseln können, geht das erst recht am Ende eines Bachelor- oder Masterstudiums.
5. Wünschen und Träumen nachgehen
Zweifel allein reichen nicht für eine Neuorientierung. Wichtiger ist, dass du herausfindest, wohin du willst. Frag dich:
Womit möchte ich meine Zeit verbringen?
Welche Tätigkeiten geben mir Energie?
Welche Werte sollen in meinem Job wirklich gelten?
Genauso wichtig ist es, die verbleibende Zeit bis zum Studienende sinnvoll zur Neuorientierung zu nutzen. So kannst du zum Beispiel auf Hochschul-, Absolventen- und Jobmessen gehen und dich über Berufe und Arbeitgeber informieren. Auch die Teilnahme an Berufsorientierungsveranstaltungen der Hochschulen bieten sich an.
6. Die Abschlussarbeit strategisch nutzen
Wenn du dich neu orientierst, kannst du deine Abschlussarbeit trotzdem sinnvoll nutzen: etwa indem du ein Thema wählst, das zur neuen Richtung passt, deine Thesis in Zusammenarbeit mit einem Unternehmen schreibst oder praxisnahe Fragestellungen wählst, die dir neue Kontakte eröffnen. Bist du noch im Bachelor, kannst du über den Master eine klare Schwerpunktsetzung vornehmen. Und falls du zwischen Bachelor und Master stehst, kann eine Auszeit, ein Praktikum oder ein Freiwilligendienst zusätzliche Orientierung geben.
Zweifel bedeuten nicht, dass du gescheitert bist. Sie zeigen, dass du reflektierst – und vielleicht gerade dabei bist, dich beruflich besser auszurichten. Wichtig ist, nach einer Phase der Selbstreflexion ins Handeln zu kommen, sich beraten zu lassen und über berufliche Alternativen zu recherchieren.
Dabei ist es hilfreich sich auszuprobieren und Praxiserfahrung zu sammeln. Praktika, praxisorientierte Abschlussarbeiten und Jobs sind einige von vielen Wegen, nach einer Periode der Verunsicherung wieder einen neuen Sinn zu entdecken.
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Hinweis: Dieser Artikel erschien am 16.08.2018. Die Studis Online-Redaktion hat zuletzt am oben angegebenen Datum kleine Änderungen vorgenommen.

