Circa ein Viertel jedes Jahrgangs beendet das Studium vor dem Abschluss. Dieser vorzeitige Abbruch wird oft als Scheitern erlebt, so dass solch eine Entscheidung gern hinausgezögert wird. Doch wenn die Bauchschmerzen und das Unwohlsein nicht enden wollen, sollten die Betroffenen darüber nachdenken, ob sie die richtige Studienwahl getroffen haben. Simone Gölz, Coach, Karriere- und Berufsberaterin gibt Tipps für diese Phase.
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Auf dem falschen Gleis: Betroffene sollten sich fragen, wie es Ihnen damit ginge, wenn sie das Studium jetzt bis zum Ende durchziehen
Karsten, BWL-Student* macht sein Studium eigentlich seit dem ersten Semester keinen Spaß. „Ich dachte mir immer, naja da muss ich halt noch reinkommen, es wird bestimmt noch spannender.“ Wurde es aber nicht. Dennoch ist er dabei geblieben und hat weiter gemacht.
„Schlimm waren für mich immer Gespräche mit Kommilitonen, die voll bei der Sache und total begeistert waren von dem was sie taten. Wirklich Lust hatten sich mit den Inhalten zu beschäftigen. Für mich war immer alles nur ein Müssen.“
Nach zwei Semestern kreisten Karstens Gedanken ständig um sein Studium. Nach fast jedem Seminar die gleichen Gedanken. „Ich habe keinen Sinn gesehen, indem was ich tue. Dass mir mein Studium auch Spaß machen könnte, daran habe ich gar nicht mehr gedacht. Ich bin regelrecht aggressiv geworden, wenn mich jemand aufs Studium angesprochen hat. Wenn Freunde von mir ihr erstes Praktikum geplant haben, musste ich weggehen. Ich wollte nichts darüber hören. Abbrechen wollte ich aber auch nicht. Für mich war das ein Scheitern.“
Während des vierten Semesters hörte Karsten auf zur Uni zu gehen. „Ich habe das aber keinem so gesagt, wenn es ums Studium ging, hab ich mich einfach immer nur rausgehalten. Ich habe das Thema totgeschwiegen. Einfach alles verdrängt.“
Nach einer Studie des Hochschul-Informations-System liegt der Anteil der Studienabbrecher eines Jahrgangs bei 25 Prozent. Die Gründe können verschieden sein. Prüfungsangst, finanzielle Engpässe, falsche Vorstellungen über die Inhalte, keine Identifikation mit den Studieninhalten oder dem zu erwartenden Beruf.
Karsten hatte sich nach dem Abi keine Gedanken darüber gemacht, was er beruflich mal machen will. „Klar war zwar immer, dass ich studieren will, was wusste ich aber nicht. Ich hatte ja auch noch den Zivildienst vor mir. Aber der verging dann doch relativ schnell und dann stand ich da. Interessiert hat mich vieles. Mit BWL kannst Du alles machen, habe ich gedacht.“ Über die Inhalte im Studium hatte sich Karsten jedoch gar nicht genau informiert. Die Frage, was ihm Spaß macht, hatte er sich nie gestellt.
„Irgendwann ging´s dann einfach nicht mehr. Ich hab' gemerkt, so kann es nicht mehr weitergehen. Ich habe meinen Eltern erzählt, dass ich mein Studium abbrechen will. Die waren zuerst zwar nicht sonderlich erfreut, aber dennoch hatten sie Verständnis für meine Situation. Für mich war das Aussprechen das Schwerste, aber auch das Wichtigste, danach ging´s mir direkt besser.“
Sofort wieder was Neues studieren will Karsten nicht. „Ich will erstmal meinen Kopf frei bekommen und mir überlegen, was mir wirklich Spaß macht und gefällt.“
Dieser Artikel stammt aus dem Jahr 2009 und wurde am oben angegebenen Datum das letzte Mal aktualisiert. Karstens Aussagen von 2009 haben aber bis heute nicht an Aktualität verloren.
2. Entscheidungshilfen – Studienabbruch oder weitermachen?
Wichtig ist es, sich wirklich mal die Zeit zu nehmen, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Die folgenden Fragen helfen bei der Einschätzung der eigenen Fähigkeiten. Gerade die schriftliche Beantwortung ist dabei eine große Hilfe.
Was kann ich gut? (auch, was kann ich besser, als andere?)
Was macht mir Spaß?
In welchem Momenten war ich richtig stolz auf mich?
Welche Werte sind mir wichtig in meinem Leben? (Sowohl privat, als auch beruflich)
Wie sieht mein Traumjob aus? (inhaltlich, aber auch von den Rahmenbedingungen)
Was würde ich tun, wenn ich nicht scheitern könnte?
Hilfreich bei der Berufswahl ist es auch, sich mit Menschen zu unterhalten, die in dem angestrebten Beruf arbeiten. Auch die Möglichkeit Praktika zu machen, um in verschiedene Berufsbilder Einblick zu erhalten, solltest du nutzen!
Ansprechpartner zum Thema Studienabbruch findest du außerdem in der Studienberatung der Hochschule. Die Adressen sind in der Studis Online-Hochschul-/Studienfachsuche festgehalten. Möglicherweise gibt es an deinem Fachbereich, deiner Fakultät oder deinem Institut sogar eine spezielle Studienberatung für dein Fach.
Zudem kannst du dich bei Problemen rund ums Studium an die Psychologischen Beratungsstellen der Studentenwerke an den Hochschulen und die studentischen Nightline-Zuhörertelefone wenden. Die Hochschulteams der Arbeitsagentur bieten gelegentlich auch Veranstaltungen zum Thema Studienabbruch an. Vielleicht hast du ja Glück und findest etwas in deren Veranstaltungsdatenbank.
Der Kopf ist rund, damit das Denken die Richtung wechseln kann. Francis Picaba
Simone Gölz arbeitet als Coach und Karriereberaterin in Hamburg.
Ganz wichtig finde ich erstmal, sich klar zu machen, dass ein abgebrochenes Studium kein Weltuntergang ist. Danach geht es weiter.
Es war ein Weg, den man eine Weile gegangen ist. Nun wartet eine neue Wegrichtung.
Natürlich erfordert ein Richtungswechsel Mut.
Viele Studienabbrecher erleben ihr Alter und die „verlorenene Zeit“ als Belastung. Dass man aus dieser Zeit auch viel mitnehmen kann, übersehen die meisten. Dabei zeigt ein Hinterfragen des eingeschlagenen Weges auch Stärke. Die meisten Studienabbrecher haben sich in der Phase des Studienabbruchs intensiv mit sich selbst beschäftigt. Selbstreflexion, Flexibilität und intrinsische Motivation bringen sie im hohen Maße mit. Ein abgebrochenes Studium zeigt, dass du mit Niederlagen umgehen kannst, dich wieder aufgerappelt hast und nach vorne blickst. Und nicht zuletzt, dass du bereit bist, Entscheidungen zu treffen.
Gerade die Phase des Abbruchs empfinden viele Studienabbrecher als besonders belastend. Der Studienabbruch wird als persönliches Scheitern erlebt. Hilfreich ist in dieser Phase die Beschäftigung mit Dingen neben dem Studium. Sport, ehrenamtliche Tätigkeiten, Freunde, Hobbys etc. Das ist wichtig, damit andere feste Konstanten im Leben bleiben. Der Boden unter den Füssen nicht vollkommen verloren geht.
Auch sollten die Betroffenen sich fragen: Wenn ich das jetzt bis zum Ende durchziehe, wie geht es mir denn dann damit?
Im Coaching hatte ich eine Klientin, die mir sagte: „Ich habe jetzt 12 Semester Lehramt studiert und meinen Abschluss gemacht, Spaß gemacht hat mir das Studium nie und jetzt als Lehrerin zu arbeiten, finde ich furchtbar. Jeden Morgen habe ich Bauchschmerzen.“
Ein Studienabbruch kam für sie nicht in Frage, schließlich wollte sie durchhalten. Natürlich ist es manchmal sinnvoll zu sagen, ich kämpfe mich jetzt da durch, das schaffe ich. In jedem Studienfach erleben Studenten, dass nicht immer jedes Seminar Spaß macht. Das ist normal.
Hilfreich ist es nach den Ursachen zu forschen, warum es mir mit meiner Studienwahl schlecht geht. Liegt es an den Inhalten, den Professoren, den Prüfungen oder der Organisation. Oft hilft auch einfach ein Uniwechsel, oder der Wechsel in ein ähnliches Studienfach.
Manchmal kann es auch sinnvoll sein zu sagen, das letzte Semester ziehe ich jetzt noch durch und dann spezialisiere ich mich weiter oder dann wähle ich im Master einen anderem Schwerpunkt. Wenn es einem aber dauerhaft schlecht geht, ist ein Studienabbruch die richtige Entscheidung.
Hinweis zu den hier beworbenen Studienangeboten Studis Online bietet den Hochschulen die Möglichkeit, ihre Studienfächer gegen ein Entgelt mit ausführlicheren Informationen als den von uns recherchierten Basisinformationen vorzustellen.