„Der kommunikative Austausch und Schlagabtausch wird vollkommen entzaubert“
Unser Interviewpartner und studentischer Mitarbeiter Dariusch beim Arbeiten.
Studis Online: Hey Dariusch. Was läuft gut in Hamburg bei der Umstellung vom analogen Winter- zum digitalen Sommersemester?
Dariusch Rimkus: Es wird von Seiten der Uni viel Wert auf asynchrones Arbeiten gelegt, also auf Arbeiten, dass an keine feste Uhrzeit gebunden ist. Das macht es für die Studis möglichst flexibel, damit diejenigen, die sich zum Beispiel mehr als sonst um die Familie kümmern müssen, nicht benachteiligt werden.
Wir haben zwar noch Veranstaltungen, die synchron, also zu festen Terminen stattfinden, aber die sind eindeutig in der Unterzahl. Zudem werden viele Tools und digitale Strukturen fürs Datenaustauschen, Arbeiten und Kommunizieren sinnvoll eingesetzt. Allerdings läuft dabei auch nicht alles perfekt.
Es wird auch sehr darauf geachtet, dass wir mit den Altlasten aus dem letzten Semester möglichst gut klarkommen. Also die Frist für Hausarbeiten, die zum Beispiel eigentlich Ende März hätten eingereicht werden müssen, wurde mittlerweile zwei Mal verlegt und liegt mittlerweile bei Mitte Mai. Das ist durchaus sinnvoll, da die Bibliotheken lange geschlossen waren.
Die Kehrseite: Die Verlängerung sorgt für Stress, da neben den Kursen aus diesem Semester auch noch die alten Hausarbeiten warten.
Welche Schwierigkeiten gibt es und wie gehst du damit um?
Eine Schwierigkeit ist die übergroße Anzahl an Tools und Plattformen, welche zu leichtem Chaos führt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, dass gerade Leute im ersten oder zweiten Semester gerade etwas überfordert sind.
Ein großer Nachteil von den digital stattfindenden Seminare ist die Verlegung von Diskussionen ins digitale Forum, vom dynamischen Schlagabtausch in einen linearen, oft über Tage andauernden Chatverlauf. Kann auch sein, dass das andere Leute weniger nervt, aber ich diskutiere leidenschaftlich gern und hab das letztes Semester als größten Spaß im Studium für mich ausgemacht. Und die digitalen Diskussionen ersetzen das halt lediglich funktional.
Auch der Wissensaustausch wird weniger, der kommunikative Austausch und Schlagabtausch wird vollkommen entzaubert. Da ich das schon erwartet hatte, hab ich vor dem Semester auch überlegt, mich lediglich für Vorlesungen anzumelden und Seminare außen vor zu lassen. Und damit mein Studium hintenraus zu verlängern. Nun lass ich mich die ersten Wochen aber erstmal drauf ein.
Was hilft dir im Home Office am besten Motivation fürs Studium zu behalten?
Wahrscheinlich am meisten das Sich-Bewusstmachen, dass das neue Semester und die damit einhergehenden Kurse und Aufgaben
in der ganzen Corona-Lethargie für Abwechslung sorgt, indem ich zum Beispiel mehr als immer die gleichen Leute sehe, einen strukturierteren Alltag, Tagesablauf und Aufgaben habe, die mich beanspruchen.
Gibt es Unterschiede zwischen dem Vor-Corona-Semester und dem Corona-Semester, wie du gearbeitet und gelernt hast?
Der größte Unterschied ist tatsächlich die Verlegung von Diskussionen von Literatur in virtuelle Foren in Seminaren. Wir lesen als Hausaufgabe Texte zur nächsten Sitzung und diskutieren vorgegebene Fragen zu diesen Texten. Die Diskussion beginnt jedoch schon vor der eigentlichen Sitzung im Forum, damit so auch Studis daran teilhaben können, die zum eigentlichen Termin nicht können.
Außerdem wird in manchen Seminaren auch während der Sitzung, die dann als Videocall stattfindet, die Diskussion aus dem Forum fortgeführt.
Wie kann man gut zusammen arbeiten über die Distanz?
Gute Frage. Ich hab dieses Semester einen Kurs, in dem wir in 3er- und 4er-Gruppen empirisch forschen und darüber auch eine Arbeit anfertigen. Es gibt natürlich sehr viele Tools, die beim gemeinsamen Arbeiten helfen, sowohl bei der Kommunikation als auch bei der Arbeit an sich.
Eine weitere Hilfe für diesen Kurs ist das Anfertigen einer „Gruppenverfassung“. Die wird zwar auch in klassischen Semestern in diesem Kurs erstellt, hat aber gerade für dieses digitale Semester einige Vorteile. In dieser Verfassung stehen Grundsätze der Gruppenarbeit, über die die Mitglieder der jeweiligen Gruppen im Voraus gemeinsam abstimmen.
Dafür beantworten sie Fragen, wie : „Wie und über welche Kanäle kommunizieren Sie miteinander?“, „In welchem Zeitraum können Sie eine Rückmeldung von Ihren Gruppenmitgliedern erwarten?“, „Welche gemeinsamen Werkzeuge wollen Sie für Ihre Arbeit nutzen?“ oder „Wie kommunizieren Sie über Probleme in der Gruppe?“
Das hilft, um gemeinsame Strukturen der Zusammenarbeit – gerade auch der digitalen – gemeinsam festzulegen.
Wie strukturierst du deinen Tag? Anders als vorher?
Tatsächlich sehr anders als sonst. Dadurch, dass die meisten Veranstaltungen zu keiner bestimmten Uhrzeit zu erledigen sind, hab ich meinen Tages- und Arbeitsrhythmus auf Nachtschichten umgelegt, da sie meinem Biorhythmus irgendwie näher kommen – zumindest in meinem Gefühl.
Durch die fehlende Kontrolle und wachsamen Augen der Dozenten, schleicht sich ansonsten öfter der Schlendrian ein als sonst. Ich lasse mich häufiger von meinem Handy oder ähnlichem ablenken als sonst.
Hast du in diesem Semester wegen Corona Probleme mit dem Studium bekommen? Zum Beispiel bei der Motivation oder der Konzentrationsfähigkeit?
Während Videocall-Sitzungen ist es natürlich manchmal schwer, über einen längeren Zeitraum auf einen Bildschirm zu starren und dabei konzentriert zu bleiben. Dagegen kann man zwischendurch seine Kamera ausstellen – was einem eh freigestellt – und mal kurz aufstehen und sich etwas stretchen. Oder kurz ins Bad zu gehen und das Gesicht waschen.
Ich arbeite neben dem Studium noch ca. 15 Stunden die Woche am Laptop. Deswegen ist es für mich auch wichtig, nach wirklich langen Sessions vor dem Bildschirm, mal ein, zwei Stunden was Analoges zu tun. Ich koche dann oftmals – das hilft beim Runterkommen, weil es andere Bewegungen, andere Körperhaltungen und andere mentale Fähigkeiten als am PC erfordert.