Wie lerne ich richtig?Den eigenen Lerntyp erkennen
1. Kurz + knapp
Traditionell unterschieden wird zwischen dem visuellen, dem auditiven und dem motorischen Lerntyp. In vielen Lerntypentests wird inzwischen auch der kommunikative Lerntyp ermittelt, obwohl er kein bevorzugtes Sinnesorgan angibt.
Ja. Mindestens zwei Lerntypentests wurden speziell für Studierende entwickelt: der Lernstiltest von Richard Felder und der Lernerpersönlichkeitstest von Sabine Grotehusmann. Letzterer bezieht Arten der Energieerzeugung beim Lernen, der Aufnahme von Informationen, des Fällens von Entscheidungen und der Lernorganisation mit ein.
Redest du gerne oder hörst du lieber zu? Bist du eher realistisch oder visionär? Bist du eher LogikerIn oder Gefühlsmensch? Lernst du lieber geplant oder eher spielerisch? All diese Eigenschaften haben Einfluss auf deine Lernpersönlichkeit.
2. Nutzen des klassischen Lerntypentests für Studierende
Wer studiert oder zur Schule geht, stolpert irgendwann mal über den Begriff Lerntyp. Der Lerntyp gibt an, auf welchem Eingangskanal und mit welchem Sinnesorgan, du als LernendeR bevorzugt Informationen aufnimmst.
Traditionell unterschieden wird zwischen dem visuellen, dem auditiven und dem motorischen Lerntyp. In vielen Tests wird inzwischen auch der kommunikative Lerntyp ermittelt, obwohl er kein bevorzugtes Sinnesorgan angibt.
Der Lerntypentest hat zwei positive Konsequenzen: Zum einen ist dank dieses Tests in Deutschland ein Bewusstsein dafür geschaffen worden, dass Menschen unterschiedlich lernen. Zum anderen unterbrechen die Lernenden durch den Test ihren Lern-Trott und überprüfen, ob sie tatsächlich die für sie wirksamsten Lerntechniken anwenden.
Als Folge wird das eigene Repertoire an Lernmethoden erweitert bzw. wieder voll ausgeschöpft. Als zentraler Tipp ließe sich folgender ableiten:
Wenn du denkst „Das geht einfach nicht in meinen Kopf“, dann verpacke die Informationen so, dass dein bevorzugter Eingangskanal sie aufnehmen kann!
Wer stapelweise Karteikarten auswendig lernt, kommt dank des Tests zum Beispiel wieder auf die Idee, ein Schaubild zu erstellen, um den Überblick über sein Thema zu visualisieren. Dem auditiven Lerntyp fällt vielleicht ein, dass er sich die Definitionen, die er sich einfach nicht merken kann, auch mit einem Smartphone aufzeichnen und regelmäßig anhören kann.
Wenn du deinen Lerntyp sofort ermitteln möchtest, kannst du das zum Beispiel hier machen.
3. Grenzen des klassischen Lerntypen-Tests
Der Praxisgewinn dieser Lerntypeneinteilung ist für Studierende jedoch begrenzt, denn
Die Informationen werden in der Regel von Professoren, durch Skripte und Lehrbücher präsentiert. Würden auditive oder visuelle Lerner versuchen, den gesamten Stoff zu vertonen oder zu verbildlichen, wäre das eine Lebensaufgabe!
Es wird ausschließlich der Aspekt der Informationsaufnahme berücksichtigt. Der Lernprozess umfasst jedoch wesentlich mehr, u.a. die Organisation des Lernens, die Motivation und Konzentration. Wie Lernende diese Schritte bewältigen können, dafür gibt der Lerntypentest keine Hinweise.
Wer sich als motorischen Lerntyp einstuft, wird durch das Testergebnis demotiviert. Das Handeln (z.B. durch Experimente, Bewegung oder Anfassen) ist bei akademischen Inhalten oft schwer realisierbar, da die Lerninhalte eine kognitive Verarbeitung erfordern.
Wenn du dich also nur auf den klassischen Lerntypentest konzentrierst, könnte dein Lernerfolg darunter leiden. Die neueren Tests im nächsten Abschnitt sind differenzierter!
4. Spezielle Lerntypentests für Studierende
Zwei Tests wurden speziell für Studierende entwickelt: der Lernstiltest von Richard Felder und der Lernerpersönlichkeitstest von Sabine Grotehusmann.
Der amerikanische Universitätsprofessor Felder engagiert sich seit 1978 für eine bessere Lehre, vor allem in den Ingenieurswissenschaften. Er hatte beobachtet, dass viele potenziell exzellente Ingenieure in den ersten Semestern ihr Studium abbrachen. Als Ursache fand er heraus, dass ein Lehrstil vorherrschte, der einen bestimmten Lernstil bevorzugte.
Studierende mit anderen Lernstilen schnitten bei Prüfungen schlechter ab oder gaben auf. Daraufhin entwickelte Felder den Lernstil-Test, um in erster Linie die Lehrenden für die verschiedenen Lernstile zu sensibilisieren.
In zahlreichen Aufsätzen gibt er ProfessorInnen und DozentInnen Tipps, wie man den verschiedenen Lernenden in Vorlesungen gerecht werden kann. Theoretische Erläuterungen, Lehrmaterialien und der mithilfe von Barbara A. Soloman aktualisierte Test stehen auf seiner Homepage zur Verfügung.
Sabine Grotehusmann, Trainerin und Studienrätin, entwickelte den Lernerpersönlichkeitstest, um Studenten und Menschen in der Weiterbildung ihren individuellen Weg zum Prüfungserfolg aufzuzeigen. Erschienen ist er im Ratgeber „Der Prüfungserfolg“ (GABAL 2016).
Im Gegensatz zum Lerntypentest erfasst der Lernerpersönlichkeitstest den gesamten Lernprozess. Wie bei Felder handelt es sich um einen Multiple-Choice-Test, der auch in der Tradition von C.G. Jungs Persönlichkeitstypologie steht. Aber auch ohne den Test konkret zu machen, gibt die Idee dahinter einige Anregungen – siehe die folgenden Abschnitte.
5. Die eigene Lernpersönlichkeit erkennen
Die individuelle „Lernerpersönlichkeit“ setzt sich nach Grotehusmann aus vier Eigenschaften/Seiten zusammen, denn vier Faktoren prägen den Lernprozess:
Faktoren des Lernprozesses | Individuelle Seiten der Lernerpersönlichkeit | |
---|---|---|
1. Welche Interaktionsform gibt dir beim Lernen Energie? | RednerIn | ZuhörerIn |
2. Wie nimmst du Informationen auf? | RealistIn | VisionärIn |
3. Wie fällst du Entscheidungen? | LogikerIn | Gefühlsmensch |
4. Wie organisierst du das Lernen? | PlanerIn | SpielerIn |
Bei jeder der vier Fragen tendiert man eher zur einen oder zur anderen Seite. Die Seiten/Eigenschaften lassen sich zu 16 verschiedenen Lernerpersönlichkeiten kombinieren.
Hinter den einzelnen Oberbegriffen steht mehr, als sie auf den ersten Blick aussagen. Bei der „RednerIn“ geht es zum Beispiel nicht nur darum, dass jemand gern redet. Derjenige steht außerdem gern im Zentrum der Aufmerksamkeit, genießt Gesellschaft und neigt dazu, erst zu handeln und dann zu denken.
Die Oberbegriffe dienen dazu, die individuellen Vorlieben greifbar zu machen. Dabei werden die Neigungen zwangsläufig auf einen Punkt reduziert. Stark verkürzt könnten die acht möglichen Seiten der Lernerpersönlichkeit wie folgt beschrieben werden:
So sieht klassisches Lernen aus: Buch durchlesen, wichtige Stellen anstreichen. Nicht für jedeN der beste Weg.
RednerInnen lernen durch Aktivität und Reden.
ZuhörerInnen lernen in erster Linie durch Zuhören, Mitschreiben und indem sie zuerst in Ruhe nachdenken.
RealistInnen nehmen Informationen am leichtesten auf, indem sie zum Beispiel auswendig lernen und den Stoff mehrfach wiederholen.
VisionärInnen nehmen Informationen am leichtesten auf, indem sie unter anderem den Stoff anwenden, sich mit der dahinter stehenden Theorie beschäftigen und sich zunächst einen Überblick verschaffen.
LogikerInnen fällen im Lernprozess rein logische Entscheidungen. Dabei sind Entscheidungen zielgerichtet und dienen dazu, Lernziele zu erreichen.
Gefühlsmenschen achten bei ihren Entscheidungen auf andere. Sie möchten beliebt sein und gehen mehr nach ihrem Gefühl als nach Logik vor.
PlanerInnen stecken sich gern Lernziele und setzen sich selbst Fristen, die sie genau einhalten. Ein Ziel zu erreichen, motiviert sie und gibt ihnen Kraft.
SpielerInnen lernen prozessorientiert und halten sich gern Wahlmöglichkeiten offen. Sie passen sich neuen Situationen leicht an und reagieren flexibel auf terminliche Veränderungen.
Entsprechend deiner persönlichen Neigungen solltest du die Schritte der Prüfungsvorbereitung individuell gestalten – siehe die Beispiele im folgenden Abschnitt.
6. Beispiel für individuelles Vorgehen zum Thema Lernplan
Auch ohne dass du die vier Seiten deiner eigenen Lernerpersönlichkeit mittels eines Tests genau bestimmt hast, wirst du die Tipps herausfinden, die deinen Neigungen entsprechen und dir auf deinem individuellen Weg zum Prüfungserfolg helfen.
RednerIn Beginne deine Lerneinheit mit etwas Aktivem und beschäftige dich später mit den Ergebnissen. | ZuhörerIn Beginne deine Lerneinheit, indem du über etwas in Ruhe durchdenkst. Gehe anschließend aktiv mit dem Lernstoff um. |
RealistIn Beginne deine Lerneinheiten mit für dich angenehmen Übungen, wie z.B. Wiederholungen oder Anwendungen von bereits bekanntem Stoff. (Auf diese Weise wirfst du dein Gehirn an.) Erstelle einen detaillierten Zeitplan, der dich Schritt für Schritt zur Prüfung führt. | VisionärIn Beginne deine Lerneinheiten mit Neuem bzw. für dich Anspruchsvollem. (Die Herausforderung motiviert dich dazu anzufangen.) Da du gern in Metaphern denkst, gestalte deinen Lernplan z.B. als Streckenplan für einen Flug. Der Abflugort entspricht deinem momentanen Wissensstand. Die Landung steht für die Prüfung. Welche Orte würdest du zu welchem Zeitpunkt überfliegen? Wo sind Unwetter zu erwarten? |
LogikerIn Erstelle eine Liste mit allen Punkten, zu denen du noch nichts weißt. Hänge diesen Lernplan gut sichtbar an deinem Arbeitsplatz auf. (Deine Wissenslücken genau zu kennen, stärkt dich in der Vorbereitung – im Gegensatz zu anderen Lernerpersönlichkeiten.) | Gefühlsmensch Erstelle deinen Zeitplan von hinten nach vorn. Beginne also mit dem Tag der Prüfung und lege rückwärts deine Teilziele fest, bis du am heutigen Tag ankommst. (Auf diese Weise fällt es dir leichter, den Stoff logisch zu portionieren und dich zum Beispiel nicht nach den Bedürfnissen anderer zu richten.) |
PlanerIn Hake die erreichten Teilziele gut sichtbar auf deinem Lernplan ab. Du kannst sie auch mit einem schwarzen Edding kraftvoll durchstreichen. (Das motiviert dich und bestärkt dich zum Weiterlernen. | SpielerIn Wähle bei deinen Wochen- und Tageszielen eine variable Form. Arbeite z.B. mit Klebezettelchen oder einer Magnettafel, sodass du deine Teilziele flexibel gestalten kannst. (Diese Planungsfreiheit brauchst du.) |
Ausblick auf weitere Lerntypeneinteilungen
Die Zahl an psychologischen und didaktischen Einteilungen in Lerntypen ist unüberschaubar. Dabei verfolgen die Autoren verschiedene Ziele. Einige gehen abstrakt vor und beschreiben lediglich die verschiedenen Lernstile (Kolb, Honey & Mumford), andere geben Handlungsanweisungen für Lehrer (Vester).
Vor allem im anglo-amerikanischen Raum werden die Tests als Hilfe zur Berufsfindung oder für die Personalentwicklung genutzt (Myers-Briggs-Typenindikator). Auch größere Unternehmen und speziell Unternehmensberatungen arbeiten in Deutschland mit diesem Test, speziell bei den sogenannten „Young Professionals“.
Weitere Artikel
Quellen
- HALB-Test auf arbeitsblaetter.stangl-taller.at
- Learning Styles and Index of Learning Styles von Richard Felder
- derpruefungserfolg.de von Sabine Grotehusmann
Hinweis von der Redaktion: Der Artikel wurde am 08.09.2009 auf Studis Online veröffentlicht. Das oben genannte Datum zeigt an, wann er das letzte mal bearbeitet wurde.