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Pädagogen braucht das Land: Fehlgesteuerter Lehrerarbeitsmarkt
Lehrermangel oder Lehrerüberangebot? Irgendwie erlebt Deutschland gerade beides. Aus Berlin ergreifen haufenweise Referendare die Flucht, Bayerns Gymnasien lassen Jungpädagogen zu Hunderten abblitzen und Hessen reaktiviert Pensionäre, damit der Laden läuft. Eine Bestandsaufnahme mit Übersicht der Lage.
Bisherige Kommentare
1. clean-slate kommentierte am 12.04.2017 um 10:03:34 Uhr
"In 4 Jahren nicht alle Probleme lösen"
Das sagt übrigens die NRW-Ministerin für Schule und Weiterbildung auf Nachfrage wortwörtlich zu dem Thema: "Man kann in vier Jahren eben auch nicht alle Probleme lösen." Die Politik betreibt seit Jahren nur sparmaßnahmen- und/oder idealismusgeleitete Umwälzungen ohne Rücksicht auf die Betroffenen und zieht sich dann hinterher, wenn die (absehbaren) Probleme eintreffen, aus der Verantwortung. Diejenigen, die es ausbaden müssen, werden mundtot gemacht oder mit der lockenden Verbeamtung (m.E. lebenslänglich bezahltes Gefängnis) geködert.
2. Tomek kommentierte am 12.04.2017 um 11:14:07 Uhr
Sind studierte Pädagogen bessere Lehrer?
Es gäbe unzählige Dinge, die ich zu dem Beitrag zu sagen hätte. In vielen Punkten steckt Wahres drin, dafür ein herzliches Danke. Mich stört generell die Heraushebung der pädagogischen Fähigkeiten der "richtigen" Lehrer und das Abqualifizieren von Seiteneinsteigern. Ich muss leider sagen, dass ich das kaum nachvollziehen kann, weder aus eigener schulischer Erfahrung, noch als Vater von fünf Kindern, die bis auf eine Ausnahme "endlich" durch sind mit dem Gymnasium. Nein, ich will hier keine generelle Lehrerschelte betreiben, denn das ist zu billig. Außerdem überlasse ich das all denen, die sich selbst überhaupt nicht in den Schulbetrieb einbringen wollen, aber dafür umso lauter motzen. Dennoch sehe ich sie nicht flächendeckend, diese ach so tollen Pädagogen unter den Lehrern. Es gibt sie, aber gefühlt liegt der Anteil unter 30 %. Wie ich mir diese Aussage anmaße kann? Durch eigene Erfahrung. Ich bringe mich sehr aktiv ein, weil ich hoffe, mit meinem Engagement etwas verbessern zu können. Ich gebe deshalb an vielen Wochenenden im Schuljahr kostenlose Rhetorikseminare für Schüler. Viereinhalb Stunden lang trainieren die Schüler dort alles, was wichtig ist für die (erlernbare) Kunst der Rhetorik. Meistens mache ich zwei Seminare pro Samstag, inklusive An- und Abbau sind das locker zehn Stunden ehrenamtlicher Arbeit. Sicherlich keine Selbstverständlichkeit. Doch ich mache das sehr gerne, weil ich den riesigen Bedarf sehe und die gewaltigen Fortschritte der Schüler in dieser kurzen Zeit erlebe. Die Begeisterung der jungen Teilnehmer ist riesig, es braucht nicht einmal Pausen, sie sind motiviert und wollen sich in einer Disziplin verbessern, die den meisten Menschen große Angst bereitet. Auch das Feedback von Elternseite war bisher ausnahmslos positiv. Von Schülern kam in den Jahren mehrfach die Anregung, diesen Kurs doch auch für Lehrer zu machen, denn dort sind die rhetorischen Fähigkeiten (und damit auch die Fähigkeit, Schüler zu fesseln oder zumindest konstruktiv mit ihnen zu diskutieren) zumindest nach Wahrnehmung der Schüler dann doch nicht so dolle ausgeprägt. Ich habe das mehreren Schulleitern vorgeschlagen. Fragen Sie bitte nicht, wie groß die Resonanz war... Ob ein Lehrer Schüler erreicht oder nicht, das hat nichts mit seinem "echten" Lehrerstudium zu tun, auch nicht mit dem Pädagogikschein, sondern schlichtweg mit der Freude, jungen Menschen Bildung zu vermitteln. Wenn das zuviel verlangt ist und wahnsinnigen Stress bereitet, dann muss man sich die Frage stellen, ob das der richtige Beruf ist. Ich weiß aus unzähligen Gesprächen, dass es in der Altersklasse 40+ viele gut ausgebildete Fachkräfte aus der Wirtschaft gibt, die eine neue Herausforderung suchen und in der Ausbildung junger Menschen eine Sinnerfahrung sehen. Wahrscheinlich braucht es dafür in Deutschland dann auch noch ein Ausbildungszertifikat für Pädagogie - geschenkt, auch das würden die meisten auf sich nehmen, um als Seiteneinsteiger in den Lehrberuf einzusteigen. Warum sie das tun würden? Weil sie gerne mit jungen Menschen arbeiten und es lieben, andere Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen. Ist ein Lehrer, der beispielsweise jahrzehntelang in Leitungsfunktion in der Wirtschaft gearbeitet hat und mit 50 eine neue Herausforderung sucht, per se der Hufschmied, während der studierte Lehrer die höheren Weihen empfangen haben soll? Dieses Denken und die damit gezeigte Arroganz sind einer der Gründe, warum es in unseren Schulen so aussieht. Die Lösung sind nicht mehr Lehrer, sondern bessere Lehrer. Lehrer, die schon während der Ausbildung besser auf ihre Eignung überprüft werden - und die (ja, das klingt hart, es ist aber unverzichtbar) auch im Schuldienst Jahr für Jahr Leistungstests bestehen müssen, wenn sie ihren Arbeitsplatz dauerhaft sichern möchten. Immer wenn ich mit Lehrern über das Thema Lehrerbewertung durch Schüler diskutiere, ernte ich nur Kopfschütteln. Das sei unmöglich, unsozial etc. pp. Wieso eigentlich? Es gibt gute Beispiele aus der Welt, die belegen, dass solche Systeme funktionieren. Es ist wirklich an der Zeit, das gesamte System anzuschauen. Ohne Scheuklappen, gerne auch ohne Tabus. Schließlich geht es nur um eines: die besten Lehrkräfte zu finden, für die das Lehren keine Pflicht, sondern eine mit liebevoller Hingabe gemeisterte Aufgabe ist.
3. Flohtrainer kommentierte am 12.04.2017 um 11:47:00 Uhr
Gute Lehrer
....sind tatsächlich mit zunehmenden Maß eine absolute Rarität. Selbst habe ich in den 80igern praxisnah mit Lehr-u. Erzieher Ausbildung als Lehrer studiert und mit einigen sehr wenigen Kollegen übrig, die sich ihrer Bildungs-und Aufsichtspflicht voll bewusst sind. Die neuen "ausgebildeten" Kollegen haben trotz "besserer Benotung" Ihres Studiums, weniger Umsichts- bzw. Aufsichtsbewusstsein. Man habe ihnen das nicht im Studium "beigebracht ". Galt dies damals sogar nur als Zugangsvoraussetzung, ist es heute vollkommen "überflüssig!". Und so fragen wir uns als bald in Rente "suchende" Kollegen täglich mehr: wo führt das unsere Kinder hin, die heute genau das doppelt so viel benötigen, als frühere Generationen. Ich frage nicht mehr - ich versuche nur noch auszuhalten. Wir sind einfach zu wenige, die mit Pflichtgefühl übrig sind und allein gelassen werden - auch von den Ämtern!
4. Oli (Studis Online) kommentierte am 12.04.2017 um 12:17:54 Uhr
@Tomek
„Schülerbewertungen“ oder jährliche Leistungstests finde ich schwierig – möglicher Missbrauch schwer auszuschließen. Dazu kommt, dass solche Tests dann in der Realität auch eher nach Schema F durchgeführt würden und eher Quantität als Qualität messen würden. Und gerade auch die ungewöhnlichen Lehrer absägen würde, die interessanten Unterricht machen, aber sich vielleicht nicht in Test-Schemata hineinpressen lassen. Das würde am Ende nur die „Testindustrie“ freuen.
Auf der anderen Seite ist es sicherlich so, dass sich einige zu sehr bequem eingerichtet haben und einen Unterricht abliefern, der die Schüler fast nur langweilt und wenig motiviert. Da braucht es wohl schon eine Begleitung und auch verpflichtende Kurse für LehrerInnen. Die allerdings sinnvoll gestaltet sein müssten und mit genügend Auswahl. Aber an solchen „pro-aktiven“ Maßnahmen tun sich die Ministerien schwer – kostet ja erstmal nur Geld …
5. Butterblume12345 kommentierte am 12.04.2017 um 12:25:15 Uhr
Woher die Informationen??
In weiten Teilen mögen die Informationen stimmen, eines ist aber Quatsch: Religion gilt in Hessen besonders im Gymnasialbereich als gesucht und wird beim Einstellen der LiV als Mangelfach - es gibt nur sehr wenig AbsolventInnen, die sich für dieses Fach entscheiden! Oft werden LiV sogar gerade wegen Religion eingestellt und nach dem Vorbereitungsdienst stehen die Chancen nicht schlecht! Ansonsten ein treffender Beitrag. Es ist ein Armutszeugnis, was gerade in Hessen passiert... Unfähige Politiker sind am Werk. Das Bildungssystem bricht zusammen!!
6. Oli (Studis Online) kommentierte am 12.04.2017 um 12:43:48 Uhr
@Butterblume12345
Im Artikel kann man für die meisten Angaben eine Quelle finden. Im Kasten im Artikel sind diese Erwähnungen zusammengefasst. Wie so oft im deutschen Bildungssystem sind bundesweite Aussagen leider schwierig – selbst wenn etwas in 15 Bundesländern gilt, kann es im 16. doch anders sein. Ich werde den Kasten etwas anpassen …
7. Roman Becker kommentierte am 12.04.2017 um 15:29:37 Uhr
Projekt lernen
Ich persönlich bin eher der Meinung, dass das komplette Bildungssystem überarbeitet werden sollte. ich persönlich war 19 Jahre an unterschiedlichen Schulen. 10 Jahre bishin zum Realschulabschluss, 3,5 Jahre Ausbildung (Berufsschule), 1 Jahr Fachoberschule Technik und 4,5 Jahre Fachhochschule. Das einzige Schulsystem was ich als sinnvoll empfand, war das der Fachhochschule, da ich hierbei Fächer belegt habe, die meinem Interesse entsprachen. Wie wäre es den, wenn man einen gewissen Grundstock in den ersten 5-7 Jahren Schulleben legen würde und anschließend in Projekten unterrichtet? Es gibt ja diese sogenannten Wahlfächer. Wie wäre es, wenn das Schulsystem viel mehr auf diesen Fächern berufen wäre. Sprich die Kinder sich Ihren eigenen Stundenplan aus einem Angebot zusammenlegen könnten, um eben Ihre stärken weiter zu vertiefen und mithillfe von Projekten Ihre Fähigkeiten anwenden und stärken.
Zum Thema "Quereinsteiger seien die schlechteren Lehrer" muss ich sagen, dass dies so nicht richtig ist. Die besten Lehrer meines Lebens waren die Professoren und Lehrbeauftragten an der Fachhochschule meines Studiums. Dies lag größtenteils daran, weil ebend diese Personen "Ahnung" vom Berufsleben (darunter Ihrem Fachgebiet) und der freien Wirtschaft hatten.
Wie gesagt, ich würde mehr Möglichkeiten der freien Gestaltung des Kindes vorschlagen. Den ein Kind, welches z.B. schlecht in Naturwissenschaftlichen Fächern ist, jedoch überzeugend in Verwaltungstechnischen bzw. rechtlichen Themengebieten agiert, sollte ebend in diesem Gebiet geschult werden.
8. Hochsee kommentierte am 13.04.2017 um 09:58:15 Uhr
"Damit der Laden läuft"
Und genau darum und nur darum geht es m.M.n. Wie es den Betroffenen, also in erster Linie den Schülern, aber auch den Lehrern und den Eltern geht: vollkommen egal. Es wird nur auf Sicht gefahren und die schlimmsten (Schlag-) Löcher werden gestopft, wenn es gar nicht mehr zu vermeiden ist.
Geradezu skurril finde ich es auch, dass bei der Lehrereinstellung so viel Aufhebens um die 'richtige' Fächerkombi gemacht wird; wer dann aber im System ist, ist verpflichtet zu fachfremden Unterricht gem. den jew. Ländergesetzen! Dann wird quasi der universell einsetzbare Lehrer erwartet - zumindest abgesehen von LKs bzw. teilweise Oberstufenunterricht.
9. Elif kommentierte am 13.04.2017 um 11:13:34 Uhr
Halbwahrheiten und schlechte Uniausbildung
Es lässt sich zum Teil zustimmen, aber es wurde sehr einseitig geschrieben und nicht bedacht wie schlecht die Lehramtsausbildung an vereinzelten Unis doch sein kann. Mein Deutschstudium war z.B. ziemlich fürn Arsch. Ich muss unglaublich viel nachholen, didaktisch wie fachlich, weil nicht die Themen behandelt wurden, die für ein Deutsch Lehramtsstudium grundlegend sein müssten. Ethik war in Ordnung, da habe ich noch was gelernt. Letztlich ist es bei mir so , dass ich auch Chemie auf Lehramt hätte studieren und dann ins Ref. mit dem Fach Deutsch hätte gehen können. Also die Diffamierung der Seiteneinsteiger entspricht weder der umfänglichen Wahrheit noch ist sie irgendwie zielführend. Ich denke diese Leute geben auch ihr bestes. Letztlich gefällt mir dieser Artikel nicht, da nicht ausreichend recherchiert wurde und die Perspektive verengt ist. Man brauche eine halbwegs einheitliche Lehrerausbildung/Curricular für die Fächer an den Unis und dieses unmenschliche Referendariat sollte auch dringend verändert werden. Das macht die Leute nur kaputt.
10. Venture Kapital kommentierte am 15.04.2017 um 01:37:55 Uhr
Höchstmaß an pädagogischer Expertise?
"Der Garant für Qualität in der Breite kann gleichwohl nur eine professionelle Lehramtsbildung mit einem Höchstmaß an pädagogischer Expertise sein."
In welchem Lehramtsstudium wird aktuell ein "Höchstmaß an pädagogischer Expertise" erreicht? Lehrer sind keine Pädagogen, denn diese haben Pädagogik/Erziehungswissenschaften studiert. Das Lehramtsstudium dient der fachlichen Grundlagenbildung, nicht dem Erwerb pädagogischer Expertise. Diese erwirbt ein interessierter und motivierter Lehramtsanwärter/Lehrer (von denen es leider nicht viele gibt) im Laufe des Referendariats und vor allem der Tätigkeit als Lehrer, vollkommen unabhängig von der Art des Vorstudiums und davon, ob drei bis vier Alibi-Pädagogik-Veranstaltungen an der Universität besucht werden mussten (deren Inhalte nach einem Semester wieder vergessen wurden und die höchstens am Rande einen Bezug zur Realität an deutschen Schulen haben).
11. Nico kommentierte am 15.04.2017 um 07:48:59 Uhr
keine
@Tomek: Ich stimme zu, dass es kein Lehramtsstudium braucht um ein guter Lehrer zu sein aber die Argumentation mit dem Wochenendkurs ist Quatsch. Das liegt vor allem an zwei Sachen. Zum einen sind die Schüler dort freiwillig, zum anderen sind das max. 8h am Samstag die du unterrichtest. Danach passiert nix.
Im normalen Schulalltag sind die Schüler verpflichtet die Fächer zu besuchen und der Lehrer hat 25h die Woche zu unterrichten. Das passiert meist in überfüllten Klassen. Nebenbei kommen noch Korrekturen, Elternabend, Organisation von Klassenfahrten, Kontoführung, Klassenleitertätigkeit und vieles mehr dazu. Da ist das Unterrichten das Wenigste und dass da die Motivation nicht sonderlich hoch ist unter den Lehrern ist verständlich.
Einen Kurs am Wochenende den die Schüler auch noch besuchen wollen kann man damit nicht gleichsetzen.
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