Von Angesicht zu Angesicht
Auswahlgespräche an Hochschulen
Mit der Bewerbung allein ist es nicht immer getan. Für manche Studiengänge möchten die Hochschulen mittels Auswahlgesprächen herausfinden, welche Bewerber zu ihnen passen. Aber was wird von angehenden Bachelor- sowie Masterstudierenden erwartet und worauf sollen sie im Gespräch achten?
Von Katrin Iost
mit Material von Sebastian Horndasch

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Oft sitzen Studienbewerberinnen und Studienbewerber beim Gespräch einer Jury mit mehreren Mitgliedern gegenüber.
1. Eine Gelegenheit zum Kennenlernen
Auswahlgesprächen sehen viele Kandidaten mit manchmal leichter und manchmal starker Nervosität entgegen. Dabei handelt es sich einfach um ein Gespräch, bei dem Professorinnen und Professoren oder andere Hochschulmitglieder mehr über ihre Bewerber erfahren möchten und die Kandidaten wiederum die Möglichkeit erhalten sollen, die Hochschule oder die Uni und deren Angehörige kennenzulernen. Doch bestimmt der Verlauf des Interviews am Ende auch über die Auswahl der neuen Studienanfänger.
Denn mit den Interviews versuchen Hochschulangehörige Aussagen über den künftigen Studienerfolg der Neulinge treffen und Studienabbrüche verringern zu können. In manchen Fällen geht es noch weiter um die Auswahl einer Elite. Abhängig vom Ziel der Hochschule kann die Gestaltung der Auswahlgespräche deshalb deutlich variieren.
An manchen Auswahlgesprächen ist eine Jury aus mehreren Hochschulmitgliedern beteiligt, bei anderen sitzt man nur einer Person gegenüber. Ähnlich verschieden kann auch die Anzahl der MitbewerberInnen sein. Es gibt Berichte davon, dass jede(r) StudienbewerberIn sich einzeln vorstellt. In anderen Gesprächen werden gleichzeitig zwei oder drei Studieninteressierte befragt.
Auch die Zeiten variieren. Manche Gespräche dauern höchstens 20 Minuten. Für andere Gespräche werden auch mal 45 Minuten angesetzt.
Wer mehr über den konkreten Ablauf der Gespräche wissen möchte, kann aktuelle Studierende an den jeweiligen Hochschulen kontaktieren – entweder über Freunde, die
Fachschaft am jeweiligen Fachbereich oder durch eine Suche in sozialen Netzwerken. Bei intensiver Recherche findet man auch immer wieder Erfahrungsberichte im Internet. Und aus vielen im Internet erreichbaren Studienordnungen können die Eckdaten entnommen werden.
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2. Motivation zur Studienwahl
Ziel der Hochschulen ist, in den Auswahlgesprächen mehr über die Motivation der Studienanwärter zu erfahren. Dazu stellen sich verschiedene Fragen: Was wissen die Studieninteressierten über das Programm des Studiengangs? Welche beruflichen Pläne haben die Studieninteressierten? Welche praktischen Erfahrungen wurden bisher zum Studienthema gesammelt?
Programm des Studiengangs
Informationen zum Studiengang finden sich leicht im Internet. Es gibt häufig Erläuterungen zum Inhalt und dem Ausbildungsziel vieler Studienfächer. Manche Hochschulwebseiten bieten zusätzlich Modulübersichten und Videos an. Auch Vorlesungsverzeichnisse werden häufig online gestellt. Für die Studieninteressierten bleibt die Aufgabe sich vor dem Interview ausführlich zu informieren und eigene Interessen mit dem Studienprogramm zu verbinden.
Manche Lehrenden wünschen sich eine starke Verbundenheit ihrer Studierenden mit der Hochschule. Deshalb solltet ihr euch bei der Recherche auch damit beschäftigen, was eure Wunschhochschule von anderen unterscheidet.
Berufliche Absichten
Bei den Auswahlgesprächen für die Aufnahme an der Hochschule werden auch die beruflichen Ideen mit ins Visier genommen. Denn die Auswahl des Studiums beeinflusst ja auch den späteren beruflichen Fokus.
Bestehen klare Vorstellungen über die beruflichen Pläne nach dem Studium, kann darüber berichtet werden. An manchen Hochschulen punkten klare Storys.
Schwieriger ist es, wenn die berufliche Zukunft noch vage ausgeprägt ist. Manch einer möchte sogar die Entscheidung des Schwerpunktes oder der Spezialisierung erst in der Zeit des Studiums treffen, wenn schon Vorlesungen und Seminare besucht worden sind. Auch das muss nicht verschwiegen werden. In diesem Fall können Neigungen erwähnt werden. Vielleicht können damit sogar auch bisher gemachte Erfahrungen oder bestehendes Wissen ins Licht gestellt werden.
Auch wenn die Richtung zu Beginn des Studiums noch nicht festgelegt ist, sollten Bewerber und Bewerberinnen nicht versäumen sich vor dem Gespräch über die beruflichen Möglichkeiten zum Themenfeld des Studiums zu informieren. Wunsch der Hochschulen ist es, falsche Vorstellungen der Studienneulinge zu vermeiden. Mit Kenntnissen über den beruflichen Fokus könnt ihr dem vorbeugen.
Und nicht vergessen: Kein Hochschulangehöriger erwartet, dass ihr mit der Aussage über eure beruflichen Interessen, Eure Zukunft in Stein meißelt. Berufliche Absichten verändern sich mit den Erfahrungen des Studiums durchaus.
Praktische Erfahrungen zum Studienthema
Ist eine Studienbewerberin oder ein Studienbewerber schon oft und auch für längere Zeit im Ausland unterwegs gewesen und bewirbt sich dann auf einen ähnlich gesinnten internationalen Master-Studiengang, passt das gut zusammen. Ähnliches gilt, wenn ein Studienbewerber und eine Studienbewerberin für Medizin oder Psychologie schon die Praxis während eines freiwilligen sozialen Jahres kennenlernen konnte und so die Wartezeit auf einen Studiengang nutzte.
Leider hat aber nicht jede Studienkandidatin und jeder Studienkandidat besonders bei Bewerbungen auf einen Bachelor oder anderen ersten berufsqualifizierenden Abschluss solche Erfahrungen vorzuweisen. Doch auch hier braucht man nicht hinterm Berg zu halten. Frage dich, welche Initiativen habe ich selbst bereits ergriffen, um Erfahrungen im Fachbereich zu sammeln.
Wenn jemand viele Bücher oder Fachzeitschriften zum Studienthema ließt, kann er darüber erzählen und so gleichzeitig auch sein Wissen kundtun. Wenn jemand in seiner Freizeit viel Kontakt mit Kindern hat(te), kann das zum Beispiel beim Wunschziel Kinderarzt auf wichtige soziale Eigenschaften für den späteren Beruf hinweisen. Denn Kinder sind nicht immer leicht zu überzeugen, wenn es um medizinische Maßnahmen geht. Da kann ein gutes Händchen im Umgang mit ihnen, positive Eindrücke hinterlassen. Ähnliches gilt auch für andere (Freizeit-)Aktivitäten und Interessen, die nicht direkt mit dem Studienthema verbunden sein müssen.
Natürlich gibt es auch Berufswünsche, die sich manchmal aus Fernsehsendungen oder Familienvorbildern ergeben. Selbst wenn das die Inspiration war, macht es Sinn sich bereits darüber hinaus mit dem Thema beschäftigt zu haben und das auch kund zu tun. Die bloße Erwähnung, dass z.B. ein Onkel Arzt ist, reicht als überzeugende Motivation in der Regel nicht aus.
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3. Soziale Eigenschaften
Auswahlgespräche finden häufig dort Anwendung, wo es darum geht neben dem für das Studium relevanten Wissen, auch mehr darüber zu erfahren, wie sich die StudienbewerberInnen im Gespräch verhalten. Frank Jakob von der Wirtschaftshochschule ESCP Europe rät in einem PDF mit 10 Tipps zum Auswahlgespräch: „Seien Sie Sie selbst: Geben Sie nicht vor, ein anderer zu sein. So sind Sie authentisch.“ Aber wie schafft man es in einer Situation wie dem Auswahlgespräch man selbst zu sein, wo man doch den Hochschulangehörigen von den eigenen Qualitäten möglichst gut überzeugen möchte.
Auch im alltäglichen Leben verhalten wir uns nicht überall gleich, obwohl wir ein und dieselbe Person sind. Während wir flüchtige Bekannte mit einem zugeworfenen Hallo begrüßen, geben wir älteren Verwandten brav die Hand und enge Freunde umarmen wir vielleicht sogar. Sind wir bei uns zuhause, fläzen wir uns manchmal gern auf das Sofa und lauschen der Musik, während wir zu Besuch bei Verwandten aufrecht sitzen und zuhören oder aktiv am Gespräch teilnehmen. Wir können in unterschiedlichen Umgebungen verschieden agieren und bleiben trotzdem ein und dieselbe Persönlichkeit.
Blickkontakt und Gesprächigkeit
So gibt es auch für das Auswahlgespräch ein paar soziale Grundregeln: BewerberInnen sollten im Gespräch eine aktive Rolle übernehmen. Dazu gehört bei Beginn des Gesprächs eine angemessene Begrüßung. Wenn es die Situation des Auswahlgesprächs anbietet, ist es sinnvoll den Interviewpartnerinnen und Interviewpartnern die Hand zu geben und sich mit Namen vorzustellen, rät Jacob von der ESCP Europe. „Schauen Sie ihren Gesprächspartnern in die Augen.“ Erwidern die Jurymitglieder ihre Namen, ist es ratsam sich diese zu merken.

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Ein aufmerksamer Blick hilft auf Anzeichen seines Gesprächspartner reagieren zu können
Kurzantworten sollten vermieden werden. Wenn ein Studieninteressierter immer nur knapp mit wenigen Worten auf Fragen von Seiten der Hochschulvertretung antwortet, entsteht schnell der Eindruck, dass man ihm alles aus der Nase ziehen muss oder er nicht gut über sich erzählen kann. Die Hochschulmitglieder wiederum erfahren auch nicht genug über die Kandidaten um eine ausreichende Aussage über deren Motivation treffen zu können.
Also sprecht, aber achtet dabei auch auf Pausen in denen eure Interviewpartnerin oder euer Interviewpartner Gelegenheit bekommt, weitere oder vertiefende Fragen zu stellen. Nicht enden wollende Monologe sind das andere Extrem, das vermieden werden sollte. Haltet ihr beim Sprechen Blickkontakt, bemerkt ihr die Aufmerksamkeit eures Gesprächspartners und könnt darauf reagieren.
Es ist nicht für jeden Studieninteressierten leicht diese Rituale spontan umzusetzen und dabei gleichzeitig über seine Motivation für den Studiengang zu sprechen. Vielleicht gehörst du zu den eher stilleren Personen oder es gibt in deiner Umgebung nur wenig persönliche Kontakte. Wenn zu deinem Wunschstudium nur ein Auswahlgespräch führt, dann fange vor dem Interview an auf deinen sozialen Umgang zu achten. Im Alltag finden sich immer wieder Personen mit denen man ins Gespräch kommt. Dabei kannst du ausprobieren den Blickkontakt zu halten oder auch statt mit Knappheit mit ausgewogenen Antworten auf Fragen zu antworten. Bieten sich Eltern oder Freunde an, bleibt natürlich auch die Möglichkeit mit ihnen die Situation eines Auswahlgesprächs zu proben.
Ohne Irritation wiederholen
Immer wieder kommt es vor, dass Fragen gestellt werden, auf die ihr schon im Motivationsschreiben oder eurer Bewerbung eingegangen seid. Verweist in solch einem Fall nicht auf eure Bewerbung, sondern beantwortet die Frage brav ein zweites Mal. Mit dem Motivationsschreiben habt ihr es zu den Auswahlgesprächen geschafft. Nun seid ihr in einer neuen Runde dem Ziel etwas näher und es gilt wieder ein oder mehrere Hochschulmitglied(er) von eurer Studieneignung zu überzeugen. Zu knappe oder verweigernde Aussagen können einen vorher positiven Eindruck vom Bewerber schnell ins Gegenteil verkehren.
Vielfach werden BewerberInnen auch gebeten, sich kurz vorzustellen. Dabei dürfen durchaus auch Informationen wiedergegeben werden, die in der Bewerbung oder im Motivationsschreiben schon erwähnt wurden.
4. Knifflige Fragen
In Auswahlgesprächen stehen die Hochschulangehörigen den Interviewpartnern in der Regel wohlwollend gegenüber. Aber werden doch von InterviewkandidatInnen immer wieder auch knifflige oder gar unfreundliche Fragen erwähnt.
Die Zielsetzungen solcher Fragen können sehr verschieden sein. In manchen Interviews zielen sie auf das Erkennen der geistigen Beweglichkeit ab. In anderen Situationen sollen sie die emotionale Stabilität der Interviewpartner testen. Lasst euch im besten Fall von unangenehm oder gar harsch formulierten Fragen nicht provozieren. Versucht der Frage eine positive Wendung zu geben. Und wenn Fragen weit über das Studienthema ins persönliche hinaus gehen, solltet ihr euch fragen, ob eure Interviewpartnerin oder euer Interviewpartner herausfinden wollen, wo ihr eure Grenzen setzt und wie ihr das tut. Vielleicht schafft ihr es das Thema dann geschickt umzulenken.
Sei außerdem auf Fragen dieser Art vorbereitet: Ein Studienbewerber oder eine Studienbewerberin konnte sich mit überzeugenden Gründen erfolgreich auf ein sprachliches Fach bewerben, in Sprachen aber bisher nur mäßige Noten vorweisen. Bei der Ladung zu einem Auswahlgespräch wird die oder der Studieninteressierte dann gefragt, wie sie oder er die Sprachanforderungen des Studiums zu meistern gedenkt.
Gern als Frage gestellt wird auch, warum der oder die StudienbewerberIn ein geeigneter Kandidat für den Studiengang sei. In diesem Fall kann nochmal zusammengefasst werden, was man schon erzählt hat oder was man gern noch über sich preisgeben möchte. Doch auch hier ist Vorsicht geboten in der Länge, besonders wenn am Gespräch gleichzeitig mehrere StudienbewerberInnen beteiligt sind. Hast du das Gefühl, dass das Auswahlgespräch sehr straff und knapp gehalten ist, bietet es sich an kurze Antworten zu geben, damit du nicht plötzlich unterbrochen wirst ohne alles gewollte gesagt zu haben. Wenn Du das Gefühl hast, ausführlich antworten zu können, dann werden statt knapper Stichworte ausgewogene Antworten gebraucht.
5. Fragen zum Studienthema
Die Themenvielfalt in Auswahlgesprächen ist so groß, wie das Angebot der Studiengänge selbst. Zum Teil werden vor der Ladung zum Auswahlgespräch bereits Eignungstests voraus gesetzt und dabei schon ein Teil des Wissens der BewerberInnen erfasst.
Für grundständige Studiengänge ist es wichtig die aktuelle Presse mit Blick auf den Studiengang zu lesen. Wer sich für Medienwissenschaften bewirbt, sollte sich schlau machen, was medienpolitisch gerade diskutiert wird. Wer sich für Medizin bewirbt, sollte Kenntnisse über Gesundheitsreformen und deren Auswirkungen besitzen. Und wer sich für internationale Politik interessiert, sollte wissen, was gerade in der EU diskutiert wird.
Im Master ist es anders: Hier werden auch solide Fachkenntnisse aus dem Vorstudium vorausgesetzt und auch das Thema der Bachelor-Arbeit angesprochen. Dabei sollte man darauf achten, dass das Thema nicht nur vorgegeben war, sondern auch aus eigenem Interesse behandelt wurde. Einige Professoren freuen sich auch, wenn man eigene Wünsche und Vorstellungen an den Studiengang äußert.
6. Kleidung
In Sachen Dresscode kommt es darauf an, wofür ihr euch bewerbt. Eingeladene BewerberInnen sollten sich wohl fühlen in ihrer Kleidung. Sie darf leicht schicker sein als im Alltag. Zu starke Freizügigkeit sollte vermieden werden.
Formale Kleidung, wie Anzug und Krawatte, sind nur bei wenigen Studiengängen – bevorzugt Business Master – gängig. „Wählen Sie den Kleidungsstil der Ihrer Persönlichkeit entspricht, den Sie aber selbst von einem Kandidaten erwarten würden,“ rät Jacob von der ESCP Europe.
7. Nach dem Gespräch
Die Auswahl der BewerberInnen unterscheidet sich von Hochschule zu Hochschule. In manchen Fällen werden die Auserwählten bereits im Gespräch darüber informiert. In anderen Fällen werden je nach Motivation und Eignung Punkte vergeben, die wiederum in eine Gesamtwertung der zum Auswahlgespräch geladenen BewerberInnen einfließen. Mit gelungenen Auswahlgesprächen können StudienbewerberInnen sich damit ihre Chancen auf den Wunschstudienplatz verbessern. Normalerweise erfährt man einige Wochen nach dem Gespräch, ob es geklappt hat.
8. Soll auch nicht fehlen: Kritik an Auswahlgesprächen
Wenn Hochschulen ausschließlich auf Auswahlgespräche setzen, gibt es eine Benachteiligung von StudienbewerberInnen aus bildungsfernen oder weniger finanzstarken Elternhäusern. Das vermehrte Einsetzen dieses Instrumentariums für die Studierendenauswahl ist von der Gefahr begleitet, dass „es eine noch größere Koppelung von sozialer Herkunft und Bildungserfolg geben wird,“ erwähnte bspw. Heinz-Peter Meindinger während einer Tagung zu hochschulischen Strategien.
Je nach sozialem Umfeld können Selbstbewußtsein sowie die Fähigkeit sich in Sprache auszudrücken verschieden ausgeprägt sein. Möglichkeiten zu Praktika, Auslandsaufenthalten und Zusatzqualifikationen variieren auch abhängig vom Elternhaus.
Infos & Quellen
Studis Online
Quellen
Hinweis: Dieser Artikel wird immer wieder überarbeitet und ergänzt, zuletzt am oben angegebenen Datum.
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