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Lebenssituation von Studierenden: Teure Bude und Master statt Bachelor
Zufriedenheit geht anders. Nach einer Umfrage des Allensbach-Institut sind Studierende in Deutschland alles andere als glücklich mit ihrer Situation. Viele finden keine bezahlbare Wohnung, eine Mehrheit muss sich das Studium durch Jobben finanzieren und kaum einer vertraut dem Bachelor. Lediglich einer von fünf plant, mit diesem Abschluss ins Berufsleben zu starten. Auch in Sachen Auslandsmobilität sind die politischen Zielvorstellungen längst nicht erreicht. Für Opposition und Verbände sind die Ergebnisse Anlass zur Sorge – und zum Gegensteuern.
Bisherige Kommentare
1. Puppenkopf kommentierte am 11.06.2014 um 15:30:08 Uhr
Akademisches Prekariat
Hochproblematisch halte ich bei der aktuellen BAföG-Regelung gleich zwei Dinge:
Erstens ist sozialrechtlich der zusätzliche Bezug von zB Wohngeld, Aufstockung durch ALG II usw. kategorisch ausgeschlossen. Ich will hier keine Paragraphenketten zitieren, wen die konkreten Normen interessieren kann das leicht "herausgooglen".
Zweitens wird der "Bedarf" der Studierenden aber nicht auf einer ähnlichen Basis berechnet, wie das Existenzminimum, was man ansonsten jedem volljährigen Bürger zugesteht (auch dem Studenten, der sein Studium abbricht und sich arbeitslos meldet - die Anstrengung des Studiums wird hingegen deutlich restriktiver unterstützt, das ist schon, mit Verlaub, paradox). Dazu kommt, dass zB die Wohnkosten als fixe Pauschale gezahlt werden. Auch mit einem WG Zimmer kommen Studierende in den meisten Ballungsräumen, wo nun einmal die Hochschulen ansässig sind, nicht mehr annähernd hin. So dass vom ohnehin schon knappen "Haushaltsgeld" noch zusätzlich etwas abgeknapst werden muss für die Miete, vom Zusatzbedarf, den Studierende unzweifelhaft zB für Fachbücher haben, rede ich noch gar nicht.
Und den plumpen Ruf "die können doch auch arbeiten gehen!" schmettert man Langzeitarbeitslosen in ALG II Bezug ja schließlich auch nicht entgegen, wenn diese sich über die knappen Hartz IV Sätze beklagen. Mit dem Unterschied, dass ein Langzeitarbeitsloser, bis er wieder eine lebensunterhaltsdeckende Vollzeitstelle gefunden hat, in der Tat nebenzu den Verdient zB mit einem Minijob aufbessern kann - die Zeit hat er. Im Gegensatz zu einem Studenten, seit den Bologna-Reformen in Verbindung mit den teilweise sehr langen Pflichtpraktika (die in den der vorlesungsfreien Zeit auf Vollzeitbasis abzuleisten sind, nur meist unbezahlt), ist die Freizeit in den allermeisten Studiengängen doch sehr zusammengeschrumpft. Da bleibt für die meisten nur das Wochenende für einen regelmäßigen Nebenjob. Dann hat man eine 7 Tage Woche, in den "Semesterferien" das unbezahlte Praktikum und hinterher darf man noch 50% der BAföG-Summe zurückzahlen und abstottern (alle anderen Sozialleistungen wie Wohngeld oder ALG II sind hingegen "geschenkt").
Ich halte das für hochproblematisch und den Aspekt, dass einerseits zB die Aufstockung mit ALG II auf Grundsicherungsniveau gesetzlich ausgeschlossen ist und andererseits auch der BAföG Höchstsatz deutlich unter dem liegt, was in einer Stadt wie München oder Hamburg als Existenzminimum gilt, sollte sich auch mal "Karlsruhe" anschauen.
Wir müssen aufjedenfall aufpassen, dass nicht sowas wie ein "akademisches Prekariat" heranwächst. Nur weil es immer mehr Hochschulabsolventen gibt, gibt es ja nicht plötzlich mehr attraktive Jobs. Viele Jobs, die früher mit einem Lehrberuf gemacht wurden, werden sukzessive akademisiert. Mit dem großen Unterschied, dass 1. Lehrlinge bezahlt werden und zusätzlich noch vom Staat zB mit BAB gefördert werden und auf diese Weise ziemlich gut abgesichert sind 2. dort, wo Lehrlinge ausgebildet werden, die Gewerkschaften in aller Regel gut organisiert sind und entsprechend monatelange als "Sichtpraktikum" beschönigte Beschäftigung ohne nennenswertes Einkommen für "Ausgelernte" nicht existiert (höchstens eine Probezeit von 3 Monaten, so wie sich das gehört) und 3. die Gewerkschaften dann in der Regel auch dafür sorgen, besonders in der klassischen Industrie, dass die Arbeitsbedingungen beispielsweise mit dem Familienleben vereinbar sind und Eltern besonders fördern (während im akademischen Jobumfeld nach wie vor eine "Kinderpause" in der Regel ein nie wieder aufzuholender Karriereknick, wenn nicht das Karriereaus, bedeutet).
Wir haben gesellschaftlich versäumt zu erkennen, dass eine massive Ausweitung des akademischen Bereiches auch dazu führt, dass die sozioökonomischen Probleme massiv steigen. Studenten und Akademiker werden in unserer Gesellschaft immer noch so behandelt, es handelte es sich um eine gepamperte Elite, wie Anno 1980, wo gerade einmal 19 % eines Jahrgangs ein Studium aufgenommen haben (aktuell kratzen wir an den 50 %!). Das ist eben keine gut organisierte und vernetzte Minderheit, mit solventem Familienrückhalt, mehr, die schon selbst klar kommt. Viele werden richtig alleine gelassen und die sozialen Härten, die ich wiederholt in meinem studentischen Bekanntenkreis erlebt habe, sind haarsträubend.
6 Jahre keine BAföG Anpassung und dann nicht einmal mit einem echten Inflationsausgleich (Tomatenmark und Nudeln mögen nicht besonders im Preis angestiegen sein - die Mieten dafür exzessiv!). Das ist in meinen Augen nichts anderes, als ein "Sterben auf Raten" für das BAföG, was einst als Sprungbrett für Kinder aus einfachen Verhältnissen gedacht war. Gleichzeitig attestiert man Deutschland, dass unsere sozialen Schichten besonders undurchlässig sind. Angezeigt wäre den größten Hebel für sozialen Aufstieg, Aufstieg durch Bildung, zu fördern. Da können besonders leistungsfähige Einzelfälle noch so oft stolz damit prahlen, es auch mit Nebenjob zur Topnote geschafft zu haben. Die meisten können das halt nicht und damit bleibt Strukturell der "Chefarztsohn" gegenüber dem "Krankenschwestersohn" benachteiligt, bei identischer Begabung und identischer Intelligenz und identischem Fleiß wird der eine, der nebenzu jobben muss UND sich nicht sorgenfrei zB jedes Fachbuch und jede Exkursion leisten kann, stets schlechter abschneiden. Und so bleiben "die da Oben" schön unter sich und die Aufstiegswilligen lässt man auf dem halben Wege "verhungern", damit sie keine wirkliche Gefahr werden. Das passt auch zu den starken, immer wieder sichtbaren, politischen Kräften, mit ihren "Exzellenzintiativen", und Stipendienprogrammen, und Rankings usw., wo es ja immer nur darum gibt zu selektieren und eine kleine Minderheit zu protegieren - der Rest ist Ballast und muss schauen wo er bleibt. Die zwei Klassen Hochschule ist zumindest längst Realität, dabei galten die Hochschulen in Westdeutschland seit 1968 als "klassenlos" und "egalitär" - auch dank BAföG und zahlreicher anderer, großzügiger Fördermöglichkeiten, wo eine ganze Studentengeneration ziemlich frei von materiellen Sorgen sich ganz den Studien widmen konnte. Just jene Generation, die seit Jahren mit Kräften dafür kämpft, mit Studiengebühren, Sparprogrammen, usw. Bildung wieder zum knappen Gut einer Elite zu machen. Absurd!
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