Was ist eigentlichPrüfungsangst?
Prüfungen sind von Kindesbeinen an ein leidiger und unangenehmer Bestandteil unseres Lebens. Es beginnt meist schon im Kindergarten, wenn wir vor dem Nikolaus ein Gedicht aufsagen müssen. In der Schule hat mensch dann bei jeder Klassenarbeit und beim mündlichen Abhören die Chance, sich mit Prüfungssituationen vertraut zu machen. Dann folgt vielleicht die Konfirmandenprüfung, die Führerscheinprüfung – und schließlich immer wieder Examina im Verlaufe des Studiums.
Manche scheinen diese Prüfungssituationen locker zu nehmen oder sich gar darauf zu freuen und gehen siegessicher in die Prüfung. Anderen bricht im Angesicht der Prüfung der kalte Angstschweiß aus.
Hiergegen kann mensch jedoch etwas tun. Wenn Ihr Euch Eurer Prüfungsangst – siehe hierzu auch die Literaturliste am Ende des Artikels – stellt und Euch bspw. bei der Psychologischen Beratungsstelle Eurer Hochschule Rat und Hilfe einholt, wird es ohne Weiteres möglich, dass Ihr fortan mit so wenig Angst und Denkblockaden in eine Prüfung geht, dass Ihr das, was Ihr gelernt habt, auch an den Prüfer, die Prüferin bringen könnt.
Ganz „angstfrei“ wäre allerdings auch nicht gut, denn: Wissenschaftler haben festgestellt, dass ein mittleres Ausmaß an Angst, d.h. die Prüfung ist uns weder gleichgültig, noch bedeutet sie absolute Lebensgefahr, optimal zur Aufnahmebereitschaft für Informationen ist - und Aufnahmebereitschaft ist während der Lernphase durchaus notwendig.
Grundlage dieses Textes
So überwinden Sie Prüfungsängste. Psychologische Strategien zur optimalen Vorbereitung und Bewältigung von Prüfungen.via amazon.de
Wie äußert sich Prüfungsangst?
Die Prüfungsangst hat viele unterschiedliche Gesichter. Manchmal ist mensch sich nicht einmal bewusst, dass Prüfungsangst besteht. Z.B. wenn lediglich körperliches Unwohlsein und sind innerliche Anspannung herrscht. Prüfungsangst kann unser seelisches und körperliches Befinden, unseren Geist und unser Verhalten beeinträchtigen. Alarmzeichen / Anzeichen hierfür können sein:
seelisches Befinden: Angst, Unsicherheit, Reizbarkeit, Unlustgefühle, Stimmungsschwankungen. Die Angst kann, wenn sie lange anhält, in Mutlosigkeit und Depression, aber auch Wut münden.
körperliches Befinden: Anspannung, innere Unruhe, Einschlaf- und Durchschlafstörungen, Kopfschmerzen, Müdigkeit, Zittern, Appetitlosigkeit etc.
geistige Leistungsfähigkeit: Denkblockaden, Konzentrationsstörungen, Aufmerksamkeitsstörungen, Merkfähigkeitsstörungen, Selbstzweifel, Grübeln etc.
Verhalten: Der/die Betroffene flüchtet aus der Prüfungssituation, meidet die Prüfungssituation, nimmt Beruhigungstabletten oder trinkt zuviel Alkohol, um ruhiger zu werden, wird zwanghaft im Verhalten, flüchtet in unwichtige Routinearbeiten, statt sich auf die Prüfung vorzubereiten.
Nicht jedeR, der/die unter Prüfungsangst leidet, ist in all diesen Bereichen beeinträchtigt. JedeR spürt nur einen Teil der Symptome und diese variieren in ihrer Stärke.
Die Ursachen von Prüfungsangst
Grundsätzlich spielen bei der Erzeugung der Prüfungsangst zwei Bewertungen oder Einschätzungen eine große Rolle:
der subjektive Wert, den Ihr der Prüfung beimesst.
die subjektive Einschätzung der Wahrscheinlichkeit, Euer Ziel zu erreichen.
Prüfungsangst entsteht also, wenn Ihr eine bestimmte Situation als bedrohlich, unmittelbar bevorstehend und besonders verheerend einschätzt und Eure Fähigkeiten, mit dieser Gefahr (Prüfung) umzugehen, als sehr gering anseht.
Ihr habt es also durch die Art und Weise, wie Ihr denkt, selbst mit in der Hand, wie selbstsicher Ihr in eine Prüfung geht. Daher helfen beispielsweise klar gesetzte und erreichbare (Lern-)Ziele, eine gute, nicht überfordernde Vorbereitung sowie ein gutes, positives Selbstbild gegen Eure Angst – sie wirken unmittelbar auf die zwei angstauslösenden Bewertungsebenen ein. Hierzu im Folgenden mehr.
Was tun gegen die Prüfungsangst?
Auf mindestens vier Ebenen könnt Ihr konkret etwas gegen Eure Prüfungsangst tun.
1. Autosuggestion
Zum einen könnt Ihr trainieren, anstatt der angstauslösenden Gedanken „hilfreiche“ zu denken. Das heißt, Euren Pessimismus und Eure Sorgen allmählich mehr und mehr zu relativieren. Dazu erstellt Euch am besten Karteikärtchen, auf denen auf der einen Seite jeweils ein angstauslösender Gedanke, auf der anderen Seite als entsprechendes Pendant „hilfreiche Gedanken“ zum selben Thema stehen.
Zwei Beispiele hierfür:
Angstauslösender Gedanke
Ich hätte schon viel früher mit dem Lernen beginnen sollen. Jetzt reicht mir die Zeit nicht mehr, mich umfassend vorzubereiten.
Hilfreiche Gedanken
Ich kann mich jetzt entscheiden, ob ich mit dem Lernen beginnen will. Es hilft mir nicht, mich für Fehler in der Vergangenheit zu verurteilen. Jeder Tag, den ich jetzt noch lerne, ist ein Tag, an dem ich mir mehr Wissen aneigne. Ob ich es noch schaffe, kann ich im Moment nicht sagen. Wenn ich das Versäumte nicht mehr aufholen kann, werde ich die Prüfung eben verschieben oder mit den Wissenslücken in die Prüfung gehen. Es gibt Menschen, die trotz Wissenslücken eine Prüfung bestehen. Ich setze mich jetzt sofort hin und lerne, dann werde ich merken, wie weit ich komme, und dann kann ich mich entscheiden.
Angstauslösender Gedanke
Ich bin zu dumm, den Stoff zu begreifen.
Hilfreiche Gedanken
Ich bin bis hierher in meiner Ausbildung gekommen. Nur weil ich mich vielleicht schwer tue, den Stoff zu lernen, heißt das nicht, dass ich zu dumm dafür bin. Ich brauche einfach etwas länger. Das ist alles. Statt mir einzureden, dass ich zu dumm bin, - wodurch ich es mir nur schwerer mache als nötig – werde ich mich jetzt hinsetzen und mich Stück für Stück, so wie ich es eben schaffe, durch den Prüfungsstoff durcharbeiten.
Wenn Ihr zu all Euren negativen, angstauslösenden Gedanken „hilfreiche“ Alternativgedanken findet, schriftlich formuliert und schließlich „trainiert“, werdet Ihr sehen, dass Ihr gelassener und ruhiger werdet, Eure Angst sich allmählich relativiert.
Über die Erarbeitung einzelner Gedanken hinaus könnt Ihr Euch auch ein Skript erstellen, das Ihr Euch täglich durchlest und einprägt. Es empfiehlt sich, die neuen als hilfreich erkannten Gedanken möglichst oft zu wiederholen, denn in Stresssituationen ruft unser Gehirn die Gedanken ab, die am häufigsten eingesetzt wurden (das heißt unser Panikprogramm!). Alles, was wir neu lernen, fällt uns in solchen Augenblicken nur schwer ein. Die Devise heißt also: Einprägen, bis Ihr alles im Schlaf abrufen könnt.
Beispielhaftes Bewältigungsskript für die mündliche Prüfung:
Ich habe alles getan, um mich auf die Prüfung vorzubreiten. Ich lasse die Prüfungsfragen auf mich zukommen. Wenn ich Anspannung verspüre, sage ich zu mir: Bleibe ruhig und atme ruhig durch. Konzentriere Dich auf Deinen Atem. Wenn Du eine Frage nicht verstanden hast, bitte darum, die Frage noch einmal zu wiederholen. Das ist menschlich, eine Frage nicht zu verstehen. Du kannst Dir die Zeit zum Nachdenken lassen. Wenn Du eine Frage nicht beantworten kannst, ist das kein Grund zur Panik. Der Prüfer wird weitere Fragen stellen. Du musst nicht alles wissen. Dir kann nichts passieren, Du bist nicht in Lebensgefahr. Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass Du die Prüfung nicht bestehst. Du hast dennoch Dein Bestes gegeben, was Dir möglich war. Du wirst eine neue Chance haben.
2. Entspannungstraining
Angst macht sich aber auch in einer Umstellung des vegetativen Nervensystems und einer Veränderung der Muskelanspannung bemerkbar. Ferner kommt es zu einer Beschleunigung des Atemrhythmus und zu einem flachen Atem im oberen Brustbereich. Diese wiederum kann zu Symptomen wie Benommenheit, Schwindel, Herzklopfen und weichen Knien führen. Die Wahrnehmung dieser Symptome führt dann zu einer zusätzlichen Steigerung der Angst, weil mensch denkt, keine Kontrolle über den eigenen Körper zu haben. Als weitere Folge fällt die Leistungsfähigkeit ab. Um diesem Kreislauf Einhalt zu gebieten, können wir lernen, gezielt unseren Atem und die Muskelanspannung (siehe hierzu bspw. Progressive Muskelentspannung) zu beeinflussen.
Eine Atemübung, die Ihr zwei bis drei Minuten wiederholen könnt, um ruhiger zu werden, funktioniert folgendermaßen:
Atme etwas tiefer ein, als Du das gewöhnlich tust. Dann atme in einer Bewegung wieder aus, ohne den Atem nach dem Einatmen anzuhalten. Wenn Du ausgeatmet hast, halte Deinen Atem für 6-10 Sekunden an. Finde selbst heraus, welche Zeit für Dich am angenehmsten ist. Zähle in Gedanken von 1001 bis 1006 oder 1010 (eintausendeins, …eintausendsechs). Nachdem Du den Atem angehalten hast, atme wieder ein, atme in einer Bewegung wieder aus, ohne den Atem anzuhalten, und halte ihn dann für weitere 6 bis 10 Sekunden an.
3. Lernmotivation
Sowohl zu wenig Motivation (die Prüfung ist uns unwichtig, wir sehen keinen Sinn darin, wir glauben, keine Chance zu haben, die Prüfung zu bestehen, usw.), als auch zu viel Motivation (wir denken, unser Leben hängt von dem Bestehen der Prüfung ab) sind hinderlich. Meistens sind beide Motive, die Hoffnung auf etwas Positives und die Angst vor etwas Negativem, in uns vorhanden.
Wenn Ihr nicht motiviert seid, zu lernen, kann das mehrere Ursachen haben. Wenn Ihr diesen Ursachen auf den Grund gehen wollt, solltet Ihr Euch fragen, weshalb Ihr in die Prüfung geht. Ist es bspw. der Wunsch Eurer Eltern oder anderer wichtiger Personen? Wenn es der Wunsch der Eltern war, möchtet Ihr Euch vielleicht an ihnen „rächen“, dass sie Euch etwas aufgezwungen haben? Macht es Euch keine Freude, Euch mit dem Stoff zu beschäftigen? Hat sich die Wahl des Faches als Fehler herausgestellt, weil Ihr Euch etwas anderes darunter vorgestellt habt? Sind die Chancen nur gering, nach dem Abschluss eine Stelle zu finden? Bestehen während der Prüfungsvorbereitungen Probleme in der Partnerschaft, mit den Eltern, finanzielle Probleme oder eine schwere Erkrankung im Freundeskreis, die Eure Konzentration beeinträchtigt?
Wenn Ihr eine oder mehrere dieser Fragen für Euch mit Ja beantwortet, ist es verständlich, wenn Ihr Euch zum Lernen zwingen müsst und Euch davor drückt, ein Buch in die Hand zu nehmen. Um diese Probleme anzugehen, empfiehlt es sich gegebenenfalls – wenn Ihr dabei alleine nicht weiterkommt –, einen erfahrenen Therapeuten oder eine Beratungsstelle (bspw. jene Eures Studentenwerkes) zu kontaktieren.
Daneben gibt es eine Menge anderer Gründe für eine geringe Motivation. Die Fähigkeit beispielsweise, seinen inneren Schweinehund zu überwinden und sich beim Lernen bei der Stange zu halten, ist nicht etwa angeboren. Wir lernen schon als kleine Kinder, uns in Geduld zu üben, indem wir zum Beispiel solange einen Turm mit Bauklötzen aufbauen, bis er stehenbleibt oder solange immer wieder aufstehen, wenn wir hingefallen sind, bis wir laufen können.
Beim Aufbau unserer Frustrationstoleranz oder unseres Durchhaltevermögens helfen die Geduld, die Ermutigung und das Lob der Eltern. Werden wir als Kinder überfordert oder ungeduldig von unseren Eltern angebrüllt, gehen wir später auch schnell mit uns ins Gericht. Beim ersten Misserfolg sagen wir uns dann vielleicht „Wie kannst Du nur so blöd sein. Du bist eine Null, das schaffst Du nie“, und nehmen uns so jeglichen Ansporn zum Weitermachen. Auch ein Geschwisterchen, was beständig alles besser und schneller kann als wir, wirkt nicht unbedingt motivationsfördernd. Günstigstenfalls fühlen wir uns herausgefordert, ihm zu beweisen, dass wir es genauso gut können. Schlimmstenfalls resignieren wir und beginnen erst gar nicht mehr, uns mit ihm zu messen.
Die Motivation lässt auch sehr stark nach, wenn Ihr zu viel von Euch erwartet, beispielsweise, wenn Ihr etwas schneller erledigen wollt als es überhaupt möglich ist. Eine andere Strategie, seine Motivation zu schwächen, ist, sich damit zu beschäftigen, was man an vergnüglichen Dingen nicht tun darf, „weil man lernen muss“. Die Gedanken werden dabei auf den augenblicklichen Verlust an Schönem gelenkt und der langfristige Schaden oder Gewinn wird außer acht gelassen.
Im Folgenden findet Ihr einige weit verbreitete Motivationsprobleme dieser Art. Ihre Ursachen liegen zumeist im Denken, der Art und Weise, wie man an die Vorbereitung der Prüfung herangeht. Deshalb besteht die Lösung für diese Probleme meist auch in einem Umdenken.
Problem
Ihr werft die Bücher bereits nach kurzer Zeit in die Ecke, weil ihr denkt, ihr seid zu dumm, es sei aussichtslos, ihr würdet sowieso durchfallen oder mit einer schlechten Note abschneiden.
Lösungsvorschlag
Korrigiert Eure Einstellung. Sagt Euch: „Grübeln hilft mir nicht. Im Gegenteil. Dadurch lähme ich mich nur und mache es mir unnötig schwer. Ich bin kein Hellseher und ich kann deshalb nicht wissen, wie die Prüfung ausgehen wird. Die Chance, dass ich bestehe, ist jedoch größer, wenn ich mich jetzt hinsetze und lerne, anstatt mich verrückt zu machen. Ich tue mein Bestes.“
Problem
Ihr spürt einen inneren Widerstand gegen das Lernen, weil Ihr Euch permanent einredet, Ihr müsstet lernen, und ein schlechtes Gewissen habt, wenn Ihr als Ausgleich zum Lernen etwas zu Eurem Vergnügen tut.
Lösungsvorschlag
Sagt Euch: „Ich muss nicht lernen, wenn ich nicht möchte. Da ich die Prüfung jedoch gerne bestehen möchte, entscheide ich mich, zu lernen, auch wenn es mir kein Vergnügen bereitet. Abwechslung ist wichtig. Ich kann mir bewusst Zeiten der Entspannung in meinen Arbeitsplan einbauen. Es bringt mir überhaupt nichts, ständig nur zu lernen. Das ist ineffektiv. Nach einer Pause kann ich umso besser lernen.“
Problem
Es macht Euch keinen Spaß zu lernen.
Lösungsvorschlag
Stellt Euch vor, welchen Gewinn Ihr haben werdet, wenn Ihr die Prüfung besteht. Malt Euch die Vorteile der bestanden Prüfung in den buntesten Farben aus. Macht Euch klar, dass die Prüfung und der damit verbundene Aufwand in absehbarer Zeit vorüber sind und dass Ihr diese paar Wochen oder Monate hinter Euch bringen werdet. Dann setzt Euch an den Schreibtisch.
Problem
Ihr schiebt Eure Vorbereitungen auf die Prüfungen so lange hinaus, bis die Angst durchzufallen größer ist als das Unlustgefühl zu arbeiten.
Lösungsvorschlag
Ihr gehört zu den Menschen, die sich durch Angst motivieren. Dies ist keine sehr hilfreiche Strategie, denn Ihr lernt aus einem negativen Gefühl heraus. Sagt Euch stattdessen: „Ich setze mich ab heute hin und bereite mich vor. Dann habe ich jeden Tag ein gutes Gewissen und kann stolz auf mich sein. Wenn ich das Lernen hinausschiebe, wird es deshalb nicht attraktiver für mich.“
Generell könnt Ihr zumindest fünf allgemeine Strategien anwenden, um Eure Lern- und Arbeitsmotivation zu erhöhen.
Erstellt eine Gewinn-Verlust-Rechnung. Für nahezu alle Entscheidungen, die wir treffen, gibt es ein Für und Wider. Stellt Euch deshalb eine Gewinn-Verlust-Rechnung auf, um zu zeigen, dass die schweißtreibende Vorbereitung auf die Prüfung oder das mühselige Schreiben von Bewerbungsbriefen nicht nur Schattenseiten hat. Diese Rechnung kann Eure Motivation fördern.
Hört nicht auf Euer Gefühl, sondern fangt sofort mit dem Arbeiten an. Wenn wir auf unser Gefühl hören und nach dem Lustprinzip gehen, werden wir meist den kurzfristigen Gewinn einem langfristigen Gewinn vorziehen.
Malt Euch täglich die „Gewinne“ aus, die Ihr bekommt, wenn Ihr Euer Ziel erreicht. Beispielsweise, dass Ihr stolz auf Euch sein oder mehr Geld verdienen oder unabhängiger werdet.
Nehmt Euch kleine Schritte vor und lobt Euch für jeden, den Ihr erreicht. Auch die Menge an Stoff, die Ihr jeweils bearbeiten wollt, spielt eine entscheidende Rolle bei der Motivation. Je mehr Ihr Euch vornehmt, desto schwieriger ist es, zu beginnen, und desto schwieriger ist es auch für Euch, mit dem Eindruck, erfolgreich beim Arbeiten gewesen zu sein, aufzuhören. Kleine Lernschritte führen dazu, dass Ihr Euch häufiger ein Lob geben könnt, und wenn Ihr Euch dann freiwillig entscheidet, noch etwas über das Ziel hinaus zu tun, bekommt Ihr eine Extraportion Zufriedenheit geschenkt.
Erstellt einen Arbeitsplan und hängt ihn an die Wand. Streicht jeden Tag an, wieweit Ihr mit dem Lernen gekommen seid.
Zum effektiven Lernen, der Steigerung der Konzentration etc. im Folgenden mehr.
4. Allgemeine Lern- und Arbeitstechniken
Die Psychologie hat eine Reihe von Erkenntnissen gewonnen, die für eine optimale Vorbereitung auf so ein wichtiges Ereignis wie eine Prüfung eine große Hilfe sein kann. Diese Erkenntnisse beziehen sich auf die Gestaltung des Arbeitsplatzes und das Einprägen des Prüfungsstoffes.
Grundsätzlich solltet Ihr darauf achten, dass Euer Arbeitsplatz möglichst frei von Störfaktoren und daher lernfördernd gestaltet ist. Lärm, Musik, unangemeldete Besuche und Anrufe – stellt diese ab bzw. grenzt sie ein. Sorgt dafür, dass Euer Schreibtisch angenehm und gut sortiert ist, dass alle Arbeitsmaterialien vorhanden und in Reichweite sowie Euer Stuhl und die Beleuchtung angenehm sind und auch die Heizung nicht zu hoch und nicht zu niedrig eingestellt ist.
Wichtig ist auch, herauszubekommen, wann Eure beste Arbeitszeit ist. Wann seid Ihr am aufnahmefähigsten? Braucht Ihr nach dem Aufstehen erst einmal einige Stunden und etliche Tassen Kaffee, um wach zu werden? Seid Ihr ein Nachtmensch? Grundsätzlich ist es am besten, dann zu lernen, wenn man sich körperlich fit und energiegeladen fühlt. Es bringt absolut nichts, wenn man sich zwingt bzw. zwingen will, sich etwas zu merken, während man gleichzeitig schlapp und müde ist. Wenn der Biorhythmus am Boden ist, braucht man nicht nur länger, um etwas zu verstehen, man kann es sich auch nicht so gut merken. Man braucht dann ungleich mehr Zeit, um sich einen bestimmten Stoff zu merken, als wenn man ausgeruht und fit ist. Nutzt Eure „laschen“ Phasen für andere Verpflichtungen oder Aktivitäten wie etwa Einkaufengehen, Spazierengehen, Aufräumen etc.
Überprüft, wie lange Ihr konzentriert arbeiten könnt, und plant Eure Pausen bewusst von vornherein nach diesem Spannungsbogen ein. 30 bis 45 Minuten sind meist eine geeignete Zeitspanne zur Konzentration.
Für eine optimale Vorbereitung müsst Ihr darüber hinaus wissen, welchen Umfang der Prüfungsstoff hat und welche Themen drankommen. „Logisch“, werdet Ihr denken. Prüft aber sicherheitshalber anhand der folgenden Fragen, ob Ihr tatsächlich mit den Prüfungsanforderungen vertraut seid:
Habt Ihr schon persönlich mit dem Prüfer gesprochen, was genau in der Prüfung verlangt wird?
Besteht die Möglichkeit, einer ähnlichen Prüfung bei demselben Prüfer oder einem anderen Prüfer beizuwohnen? Wenn ja, habt Ihr vor, das zu tun?
Habt Ihr Euch mit anderen unterhalten, die bereits die Prüfung abgelegt haben, und kennt deren Erfahrungen?
Gibt es Fragen oder Themen, die anderen vor Euch in der Prüfung vorgelegt wurden? Wenn ja, habt Ihr diese schon?
Habt Ihr Euch darüber informiert, welche Fragen der Prüfer stellte, ob der Prüfer ein Lieblingsthema hat, und ob er auf bestimmte Themen besonderen Wert legt?
Habt Ihr Euch über die Prüfungsordnung und die Möglichkeiten der Prüfungswiederholung informiert?
Wenn Ihr schließlich einen genauen Überblick habt, wie schweißtreibend das Ganze wird – sprich, wisst, wie viele Bücher und Seiten zu lesen, bearbeiten und lernen sind – und auch den genauen Prüfungstermin kennt, was stellt Ihr mit den Bergen bedruckten Papiers und diesem apokalyptischen Datum schließlich an?
Die längste Reise beginnt mit dem ersten Schritt und eine gute Prüfungsvorbereitung beginnt mit der Einteilung des Stoffes in kleine Portionen. Schauen wir uns an, wie das geht:
Teilt den Stoff in kleine Portionen auf und verteilt diese auf die Euch zur Verfügung stehenden Wochen bis zur Prüfung. Lasst am Ende jedoch mindestens 2 Wochen Spielraum. Diese 2 Wochen sollen der Wiederholung des gesamten Stoffes dienen bzw. ein Puffer sein, wenn Ihr Euch aufgrund unerwarteter Ereignisse – Grippe, Bibliothek brennt ab o. ä. – nicht an Euren Plan halten könnt.
Erstellt einen genauen Zeitplan, welche Stoffmenge Ihr in welcher Woche drannehmen wollt – eine Art Stoff-Fahrplan. Ihr werdet sehr viel Zeit und nervöse Magenbeschwerden sparen, wenn Ihr Euch die Zeit für die Erstellung eines solchen Fahrplanes nehmt: Ein so aufgeteilter Stoff ist bei weitem nicht so bedrohlich, da er überschaubar ist. Tragt Euch in Euren langfristigen Plan auch die Termine mit ein, die eine Vorraussetzung für die Prüfung darstellen wie zum Beispiel die Prüfungsanmeldung oder die Vorbesprechung mit dem Prüfer.
Wenn Ihr die Möglichkeit habt, mit anderen gemeinsam zu lernen, dann tut dies. Das Lernen in einer Gruppe hat mehrere Vorteile. Ihr seht, dass die anderen ähnliche Probleme haben wie Ihr. Ihr bekommt eine Rückmeldung über Euren Wissensstand und habt so die Möglichkeit, Euch selbst objektiver einzuschätzen. Kümmert Euch möglichst früh darum, dass Ihr den Anschluss an eine solche „Lerngruppe“ findet oder gründet sie einfach selbst. Kleine Lerngruppen von maximal drei Personen sind dabei hilfreicher als größere. Auch sollten die Teilnehmer einer Gruppe auf dieselben Themen hin lernen. Es hat sich nämlich gezeigt, dass Gruppen mit sehr unterschiedlichen Prüfungsthemen äußerst ineffektiv sind.
Ihr habt nun den Stoff in handliche Portionen aufgeteilt und ihn auf die zur Verfügung stehende Vorbereitungszeit aufgeteilt. Ihr wisst, wieviele Seiten, Kapitel oder Themen pro Woche in Angriff genommen werden. Dies ist der erste Streich.
Der zweite Streich besteht darin, dass Ihr Euch einen Tagesplan aufstellt. Diese kurzfristige Planung dient dazu, Arbeit und Erholung für jeden Tag festzulegen. Jawohl, auch die Erholung:
Beim Tagesplan geht es darum, dass Ihr Euch jeden Tag genau aufschreibt, was Ihr am nächsten Tag durchnehmen wollt. Das heißt, Ihr sollt jeden Tag für den nächsten Tag schwarz auf weiß festhalten, welches Kapitel, welches Thema oder welche Seiten Ihr durchnehmen wollt. Das ist eine Angelegenheit von 1 Minute.
Plant zwischen den einzelnen Lernabschnitten am Tag bewusst kleine Pausen ein. Verlasst während dieser Arbeitszeit Euer Arbeitszimmer. Setzt Euch bewusst anderen Reizen aus, achtet aber darauf, keine Aktivitäten zu beginnen, die länger als Eure Pause dauern könnten.
Haltet in Eurem Tagesplan auch etwas Zeit frei, in der Ihr dem Vergnügen nachgehen könnt. Vergnügen in Form von Entspannung und Beschäftigung mit schönen Dingen – die genauso wichtig wie das Lernen ist. Ihr lernt sehr viel effektiver, wenn Ihr für einen solchen Ausgleich sorgt.
Schließlich geht das Lernen und geht die Prüfungsvorbereitung los. Nun kommt es – neben allen anderen Rahmenbedingungen – zuerst auf Eure Merk- und Konzentrationsfähigkeit an. Zur Steigerung dieser sind Euch möglicherweise einige psychologische Erkenntnisse behilflich.
Psychologische Erkenntnisse über die Verbesserung der Merkfähigkeit
Ihr erinnert Euch besser an etwas, was Ihr versteht.
Ihr erinnert Euch besser, wenn Ihr öfter und dafür weniger lernt.
Ihr lernt schneller, wenn Ihr Euch das Gelernte regelmäßig laut vorsagt.
Ihr erinnert Euch an etwas besser, wenn Ihr es als Ganzes immer wieder wiederholt, als wenn Ihr es in Teile zerlegt und jeden Teil einzeln lernt.
Das abwechselnde („verteilte“) Lernen verschiedener Sachgebiete verschafft eine höhere Aufnahmefähigkeit als der stundenlange Versuch, nur ein Sachgebiet zu lernen.
Eine positive Einstellung fördert die Merkfähigkeit.
Eine hohe Lernmotivation hat einen großen Einfluss auf die Merkfähigkeit. Ihr lernt schneller und behaltet länger, wenn Ihr regelmäßig kleine Pausen einlegt.
Psychologische Erkenntnisse über die Verbesserung der Konzentration:
Wenn Ihr einen bestimmten Tisch und einen bestimmten Stuhl immer nur zum Arbeiten benutzt, dann wird es Euch mit der Zeit leichter fallen, Euch zu konzentrieren.
Eine häufige Ursache schlechter Konzentration ist eine mangelnde oder gar fehlende Motivation. Überprüft daher Eure Motivation, wenn Ihr Euch nicht konzentrieren könnt: Warum lernt Ihr? etc. Eine Möglichkeit, sich zu motivieren, besteht darin, sich die Vorteile vor Augen zu halten, die das Bestehen der Prüfung mit sich bringt.
Treten während des Arbeitens immer wieder störende Gedanken auf, solltet Ihr diese Notieren und auf eine spätere Bearbeitung „verschieben“. Zu einer zeitlich festgelegten und begrenzten Zeit denkt Ihr dann intensiv darüber nach.
Eine Woche vor der Prüfung solltet Ihr nichts Neues mehr lernen. Die letzte Woche sollte einzig und allein der Wiederholung dienen. Warum? Weil so kurz vor einer Prüfung die Gefahr besteht, dass Ihr Wissenslücken feststellt, in Panik geratet und somit das bereits Gelernte gefährdet. Auch ist eine Woche vor der Prüfung Euer Aufnahme- und Konzentrationsvermögen für neuen Stoff nicht mehr so gut.
Wenn Ihr in den oben genannten Bereichen Autosuggestion, Entspannungstechniken, Lernmotivation sowie allgemeine Lern- und Arbeitstechniken etwas „tut“, besteht eine gute Chance, dass Ihr Eure Prüfungsangst (zumindest ein wenig) „in den Griff“ zu bekommen vermögt.
Solltet Ihr dabei (alleine) nicht weiterkommen, erhaltet Ihr bei der Psychologischen Beratungsstelle Eures Studentenwerkes professionelle Unterstützung. Meist bieten diese sogar spezielle Prüfungs-Coachings an.
Eine vertiefende Darstellung von Strategien zur Bewältigung von Prüfungsangst ist der unten angegebenen weiterführenden Literatur zu entnehmen.
Hinweis: Der vorliegende Artikel wurde von Jens Wernicke an Hand des Buches Doris Wolf/Rolf Merkle: So überwinden Sie Prüfungsängste. Psychologische Strategien zur optimalen Vorbereitung und Bewältigung von Prüfungen zusammengestellt.