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Wahlprüfsteine Hochschulpolitik: Was die Parteien in Baden-Württemberg vertreten
In Baden-Württemberg wird am 27. März 2011 ein neuer Landtag gewählt. Studis Online hat den Landesverbänden der fünf auch im Bundestag vertretenen Parteien jeweils zehn Fragen zu den Themen Hochschul- und Wissenschaftspolitik gestellt. In diesem Artikel findet sich eine Zusammenfassung ihrer wesentlichen Aussagen und weitere Informationen rund um die Wahlen in Baden-Württemberg.
Bisherige Kommentare
1. Piratenpartei Baden-Württemberg kommentierte am 10.03.2011 um 12:54:06 Uhr
Antworten der Piratenpartei Baden-Württemberg
Hallo,
ich finde es sehr schade, dass bei hochschulpolitischen Wahlprüfsteinen ausgerechnet die Piratenpartei nicht befragt wird. Wir sind als jüngste Partei Deutschlands - und als Partei mit dem größten Anteil an Studenten - vermutlich prädestiniert für dieses Thema. Bildung ist eines unserer wichtigsten Kernthemen!
Unsere Antworten daher hier als Kommentar.
Grüße,
Sebastian Nerz - Vorsitzender Piratenpartei Baden-Württemberg -
1. Eine wirtschaftlich gesicherte Existenz ist ein entscheidender Faktor, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten die Aufnahme eines Studiums zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierbei das Unterhaltsrecht und das BAFöG eine wesentliche Rolle. Wie sollten diese rechtlichen Grundlagen nach Ihrer Vorstellung weiterentwickelt werden? Könnten Sie sich vorstellen, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen das Unterhaltsrecht z.B. in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung zu reformieren?
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Eine Weiterentwicklung des BaFöG ist eine Grundvoraussetzung für viele junge Menschen, sich überhaupt ein Studium leisten zu können. Deshalb dürfen Bedarfssätze und Freibeträge des heutigen BaFöG nicht länger hinter der Wirklichkeit herhinken.
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2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstarken" pro Monat 300 Euro einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung uu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
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Die Grundidee des "Deutschlandstipendiums" ist in der Praxis schon in NRW gescheitert. Trotzdem wird versucht, daran auf Bundesebene festzuhalten und es auszubauen. Wir halten dem gegenüber die Förderung von Breite und Spitze für notwendig. Piraten möchten jedem den gleichen, freien und diskriminierungsfreien Zugang zu Bildung ermöglichen. Dies muss die Finanzierung mit einschließen.
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3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung stark umstritten. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt (darunter auch in Baden-Württemberg), zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern hat dagegen Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen. Welche Pläne haben Sie für Baden-Württemberg? Wenn sie die Gebühren abschaffen wollen, wie wollen sie mit den Einnahmeausfällen der Hochschulen umgehen?
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Piraten sprechen sich für eine gebührenfreie Bildung und deshalb auch für ein Studium ohne Studiengebühren aus. Gemessen an seinem BIP und an seinen Abiturientenzahlen leistet Baden-Württemberg im weltweiten vergleich der Länder zu wenig für seine Hochschulen und Universitäten. Insofern gibt es finanzielle Spielräume für eine bessere Uni-Finanzierung ohne Studiengebühren. Andere Bundesländer machen es vor! Den Universitäten muss der Ausfall der Studiengebühren natürlich voll erstattet werden.
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4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehr nur als System, bei dem man alle vier Jahre Stimme abgibt, verstehen wollen (z.B. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)? Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich? Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
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Piraten stehen nicht nur für mehr Transparenz, sondern auch für mehr direkte Demokratie in allen Bereichen der Gesellschaft. Deshalb fordern wir auch einen klaren Bürgerauftrag für das Projekt Stuttgart 21 bzw. im Ablehnungsfall durch einen Volksentscheid auch dessen umgehende Beendigung.
Die Piratenpartei Baden-Württemberg unterstützt außerdem die Bildungsstreik-Veranstaltungen, da hier Demokratisierung der Hochschulen und Schulen stattfindet und sich die Forderungen der Streikenden weitestgehend mit dem Wahlprogramm der Piraten decken.
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5. In allen Bundesländern außer Bayern und Baden-Württemberg gibt es so genannte "Verfasste Studierendenschaften", also gesetzlich verankerte Gremien der studentischen Selbstverwaltung. Wie stehen Sie zur studentischen Selbstverwaltung? Mit welchen Rechten sollte diese Ihrer Einschätzung nach ausgestattet sein? Gibt es in Baden-Württemberg Änderungsbedarf, z.B. die Einführung einer "Verfassten Studierendenschaft"?
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Die Wiedereinführung verfasster Studierendenschaften ist für uns eine selbstverständliche Forderung im Landtagswahlprogramm. Eine Alibiregelung aufgrund einer jahrzehntealten Terrorpanik sollte nicht der Demokratisierung der Hochschulen entgegenstehen.
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6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 % gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen massiv zugenommen haben. Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
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Bildung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Dass Deutschland und speziell Baden-Württemberg daran gespart haben, ist ein gesellschaftlicher Skandal. Sicher ist es erfreulich, wenn verstärkt Drittmittel in den Hochschul-/Universitätsbereich fließen. Dies sind natürlich stellenweise auch staatliche Mittel (z. B. durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)). Dessen ungeachtet ist dieser schleichende Rückzug des Staates aus der Hochschulfinanzierung inakzeptabel. Außerdem führt die zunehmende Finanzierung der Hochschulen durch Drittmittel auch zu einer Abhängigkeit von Drittmittelgebern in der Forschung und Lehre, welche die Studienziele beeinflussen und zu wirtschaftlichen Abhängigkeiten der Hochschulen führen können.
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7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nicht anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
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Die Piraten haben hierzu noch keine abschließende Positionierung vorgenommen. Kürzungen des Bildungsetats lehnen die Piraten aber ab. Baden-Württemberg investiert im Vergleich zu anderen Bundesländern bereits jetzt viel zu wenig in Bildung.
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8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich sind. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen." Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
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Die Berechnungen dürften realistisch sein. Insbesondere die Abschaffung der Wehrpflicht sowie die doppelten Abiturjahrgänge ab 2012 stellen eine Herausforderung für die Hochschulpolitik dar. Zu deren Bewältigung bedarf es eines ganzen Bündels an Maßnahmen. Auch deshalb ist die Hochschulfinanzierung als echte Gemeinschaftsaufgabe von Bund und Ländern weiterhin mit Hochdruck zu forcieren. Nichtsdestoweniger kann auch die Förderung des dualen Systems und der Berufsakademien hier eine Entlastung der reinen Hochschullandschaft bieten.
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9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemestriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30-70 %, Neubewerbung für ein Master-Studium? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
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Der Bachelor als erster berufsqualifizierender Abschluss darf keine Sackgasse sein. Er darf insbesondere an den Universitäten nicht zu einer weiteren Verschulung des Studiums führen. Wir wollen selbstbestimmtes Lernen und auch die Möglichkeit eines 8-semestrigen Bachelor-Studiums. Die Möglichkeit zum Masterstudium nach erfolgreichem Bachelorabschluss muss die Regel bleiben und nicht die Ausnahme. Im Landtagswahlprogramm der Piratenpartei ist daher auch die Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Masterplatz für Bachelorabsolventen enthalten.
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10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschule frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung. Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
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Parteipositionen erstellen wir nach intensiver Beschäftigung mit einem Thema. Hierzu haben wir zwar noch keine endgültige Positionierung vorgenommen, werden uns aber selbstverständlich in die Auseinandersetzung einmischen, um den derzeitigen und für die Abiturienten schlicht unzumutbaren Zustand zu beenden. Dieser bedeutet weniger statt mehr Planungssicherheit. Der gegenwärtige "Bewerbungstourismus" geht zu Lasten der Jugendlichen und raubt den Universitäten und Hochschulen anderweitig benötigte Kapazitäten.
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