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Wahlprüfsteine Hochschulpolitik: Was die Parteien in Sachsen-Anhalt vertreten
In Sachsen-Anhalt finden am 20. März 2011 die Landtagswahlen statt. Studis Online hat aus diesem Anlass den Landesverbänden der fünf auch im Bundestag vertretenen Parteien jeweils zehn Fragen zu den Themen Hochschul- und Wissenschaftspolitik gestellt. In diesem Artikel findet sich nun eine Zusammenfassung ihrer wesentlichen Aussagen und weitere Informationen rund um die Wahlen in Sachsen-Anhalt.
Bisherige Kommentare
1. NeoXtrim kommentierte am 03.03.2011 um 11:38:59 Uhr
Antwort der Piratenpartei Sachsen-Anhalt
Hiermit nutzen wir, die Piratenpartei, die Gelegenheit, auch unseren Standpunkt zu diesen Fragen klarzumachen.
Mit freundlichen Grüßen Die Piratenpartei Sachen-Anhalt
http://www.piraten-lsa.de/ http://piraten-im-landtag.de/
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1. Eine wirtschaftlich gesicherte Existenz ist ein entscheidender Faktor, um Menschen aus allen sozialen und gesellschaftlichen Schichten die Aufnahme eines Studiums zu ermöglichen. In Deutschland spielen hierbei das Unterhaltsrecht und das BAföG eine wesentliche Rolle. Wie sollten diese rechtlichen Grundlagen nach Ihrer Vorstellung weiterentwickelt werden? Könnten Sie sich vorstellen, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen das Unterhaltsrecht z. B. in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung zu reformieren?
Die Piratenpartei setzt sich für Lösungen ein, die eine sichere Existenz und gesellschaftliche Teilhabe individuell und bedingungslos garantieren. Dazu diskutieren wir verschiedene Modelle, am bekanntesten wohl das BGE - Bedingungsloses Grundeinkommen. Ein Grundgedanke aller diskutierten Ansätze ist, dass die vielen staatlichen Transferleistungen zusammengefasst werden.
Dies würde auch das BAföG betreffen. Damit wäre dann auch die Unabhängigkeit des Unterhalts vom Einkommen der Eltern gewährleistet. Generell darf es nicht Konsens unserer Gesellschaft werden, dass die Aufnahme und der Abschluss eines Studiums von den Einkommensverhältnissen der Eltern abhängt. Dies widerspricht dem Grundsatz gleicher Bildungschancen. Natürlich würden wir uns über den Bundesrat mit unserer Expertise und Meinung einbringen.
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2. Die Bundesregierung hat die bundesweite Einführung eines "Deutschlandstipendiums" beschlossen, das den "Leistungsstärksten" pro Monat 300 Euro - je zur Hälfte finanziert durch den Bund und private Sponsoren - einbringen soll. Unterstützen Sie diesen Plan? Wie ist Ihre grundsätzliche Einstellung zu leistungsabhängigen Stipendien im Verhältnis zum BAföG?
Es gibt viele private Stipendien und auch die teilweise staatlich finanzierte Studienstiftung.
Wir verstehen Bildung darüber hinaus als individuelle Entwicklung, in der jeder seine Begabungen entfalten, seine Schwächen abbauen und neue Interessen und Fertigkeiten entwickeln kann. Neben starren Lehrplänen werden einige Formen der Leistungsbewertung dieser Forderung derzeit nicht gerecht. Daher muss man "Leistungsstärksten-Stipendien" kritisch betrachten.
Zudem ist es problematisch, wenn private Sponsoren, insbesondere aus der Wirtschaft, nur die Fachbereiche fördern, die für sie einen unmittelbaren Nutzen bzw. Gewinn darstellen.
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3. Studiengebühren sind seit ihrer Einführung ein stark umstrittenes Thema. In sieben Bundesländern wurden allgemeine Studiengebühren eingeführt, zwei (Hessen und Saarland) haben sie mittlerweile wieder abgeschafft, in Nordrhein-Westfalen ist die Abschaffung geplant. Bayern dagegen hat Pläne, bei berufsbegleitenden Bachelor-Studiengängen sogar höhere Studiengebühren von zunächst bis zu 2000 Euro zuzulassen. Welche Pläne haben Sie für Sachsen-Anhalt?
Die Piratenpartei lehnt Bildungsgebühren jeder Art kategorisch ab. Dies ist notwendig, um jedem Menschen, unabhängig von seiner sozialen Herkunft, ein größtmögliches Maß an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen. Mit den eingeführten Bachelor-Studiengängen geht eine Verdichtung des Lehrplans einher, der eine zusätzliche Erwerbsfähigkeit erschwert. Damit nimmt der finanzielle Druck auf Studenten nochmals erheblich zu, denn Studiengebühren von 500 € pro Semester bedeuten eine Zusatzbelastung von fast 90 € monatlich.
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4. Was halten Sie von den sozialen Bewegungen, die Demokratie nicht mehr nur als System, bei dem man alle vier Jahre seine Stimme abgibt, verstehen wollen (bspw. das Bildungsstreik-Bündnis, die Proteste gegen Stuttgart 21)? Ist Ihres Erachtens mehr Mitsprache und Mitbestimmung "von unten" nötig und möglich? Sind Ihrer Auffassung nach in diesem Sinne auch an den Hochschulen Veränderungen notwendig?
Die Piratenpartei hat sich gegründet, gerade weil wir mehr Mitsprache und Mitbestimmung aller Bürger angesichts der derzeitigen Politik ganz dringend für nötig halten. Insbesondere tritt die Piratenpartei für eine umfassende Demokratisierung aller Bildungseinrichtungen ein. Das Mitspracherecht der Studierenden sollte wieder eine Selbstverständlichkeit im Hochschulalltag werden. Die Piraten etablieren hierfür in den eigenen Reihen Systeme wie z.B. LiquidFeedback zur direkten Mitbestimmung . Ziel ist es, diese Idee der Öffentlichkeit und vor allem auch den Parlamenten vorzustellen. Dieses System wird von einigen Landtags-Kandidaten auch zur Nutzung in den Parlamenten vorgesehen, nachdem es seine Praxistauglichkeit unter anderem auch bei der Erarbeitung der Programme der Piraten bewiesen hat.
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5. Brandenburg hat ein Landes-Schüler-BAföG für diejenigen Schülerinnen und Schüler eingeführt, die bisher kein BAföG bekommen können (insbesondere für Schüler an gymnasialen Oberstufen, die noch bei ihren Eltern wohnen). Was halten Sie von diesem Ansatz bzw. was für Pläne verfolgen sie, um mehr Menschen aus finanziell schlechter gestellten Familien zu einer Hochschulzugangsberechtigung zu verhelfen?
Diese Frage erlaubt eine weiterführende Antwort auf die von ihnen zuerst gestellte Frage: Trotz des staatlichen Bildungsauftrages soll und kann die Erziehung in Bildungseinrichtungen die Erziehung durch die Eltern nicht ersetzen. Zur umfassenden Bildung gehört, dass sich beide Formen der Erziehung ergänzen und fördern. Auch deshalb ist es generell wichtig, der Verarmung von Teilen der Bevölkerung entgegenzuwirken, damit Eltern diese Aufgabe leisten können.
Für uns Piraten fängt der Bildungsbereich bereits im Kindergarten an. Wir setzen uns für kostenlose Bildungs- (nicht "Betreuungs-") -Angebote ab dem dritten Lebensjahr ein.
Für Schulen fordern wir Lehrmittelfreiheit. Dies wollen wir ermöglichen, indem allgemein zugängliche Werke gefördert und geschaffen werden, die kostenfrei im Unterricht eingesetzt werden können. So wird eine individuellere Unterrichtsgestaltung, ohne rechtliche Hürden, ermöglicht. Solche Werke basieren, wie z.B. die Wikipedia, auf der Idee von Open Access und von freien Lizenzen (z.B. Creative Commons).
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6. Der Anteil der staatlichen Grundmittel für die Finanzierung der Hochschulen ist von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Finanzierung über Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen in den letzten Jahrzehnten massiv zugenommen haben. Wie stehen Sie dazu, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen in den letzten Jahrzehnten mehr und mehr zurückgefahren wurde?
Dagegen wenden wir uns ganz entschieden, weil wir das für eine der Kernaufgaben des Staates halten. Private Finanzierung begrüßen wir, jedoch darf es nicht dazu führen, dass insbesondere die Wirtschaft als Geldgeber über die Lehrpläne bestimmt oder gar Hochschulen von diesen Drittmitteln abhängig werden.
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7. Was halten Sie von der so genannten "Schuldenbremse", die nach Ihrem Einzug ins Grundgesetz nun aktuell auch in immer mehr Landesverfassungen aufgenommen wird? Die Bildungsgewerkschaft GEW vertritt hier sehr pointiert die Auffassung, dass diese "Bremse" vor allem zu Sozialabbau führe und daher nichts anderes als eine "Bildungsbremse" sei. Wie stehen Sie dazu?
Wir sehen es ähnlich wie die GEW, weshalb wir mit POS#016 unseres Positionspapiers zur Landtagswahl die Streichung der Schulden fordern.
Nachfolgende Generationen werden durch die aktuelle Krisen-Finanzpolitik mit einem Schulden-Erbe belastet, das, betrachtet man die Geschichte, nicht mehr abbezahlbar ist. Nur mit einem Schulden-Reset und dem Verbot oder einer strengen Restriktion für staatliche Institutionen zur Schuldenaufnahme kann der verhängnisvolle Kreislauf der zunehmenden Neuverschuldung zur Zinszahlung und Tilgung von Altschulden durchbrochen werden. Machtpolitische Strategien, Inkompetenz und andere Faktoren führen dazu, dass im aktuellen Zustand selbst die hochgelobte Schuldenbremse nicht lange aufrecht erhalten und damit wirkungsvoll werden kann. Aus diesen Gründen sehen wir auch die momentanen Überlegungen zu einem "ständigen Krisenmechanismus ab 2013" als erschreckend naiv und sozial unverantwortlich.
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8. Eine vor kurzem veröffentlichte Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) hat ergeben, dass "bis 2020 bis zu einer Million mehr Studienplätze erforderlich [sind]. Unter Berücksichtigung des Hochschulpakts besteht somit ein Finanzierungsbedarf für weitere 700.000 Plätze. Dieser Bedarf an Studienplätzen ergibt sich daraus, dass bis 2020 jedes Jahr mindestens 400.000 Studienanfänger an die Hochschulen drängen." Stimmen Sie dieser Analyse zu? Wenn ja, wie wollen Sie die Vergrößerung des Studienplatzangebots realisieren?
Wir können diese Studie nicht ad hoc bewerten. Ökonomisch gesehen sind Investitionen in Bildung in Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung unserer Gesellschaft grundlegend, da nur durch den Erhalt, die Weitergabe und die Vermehrung von Wissen Fortschritt und gesellschaftlicher Wohlstand auf Dauer gesichert werden können. Wir wollen das realisieren, indem wir zu den Wahlen antreten und im Parlament für eine haushaltspolitische Einordnung der Bildung als Investition mit ausreichender Finanzierung sorgen.
Außerdem treten wir dafür ein, dass öffentlich finanzierte Forschungsergebnisse generell kostenfrei für alle zur Verfügung stehen (Open Access). Dies würde zu Einsparungen an den Hochschulen, vor allem an den Universitätsbibliotheken führen, da Lehrmaterialien auf diese Weise kostenlos verfügbar sind. Wenn Wissen und Informationen an Hochschulen generiert werden, dann geschieht dies durch Steuermittel und sollte somit sowohl der weiteren Nutzung aller Hochschulen, Schulen, Bildungseinrichtungen, Ämtern als auch der Bevölkerung unentgeltlich zur Verfügung stehen. Dieses Hin-und-Herschrieben von Geldern zwischen einzelnen staatlichen Institutionen stützt einen bürokratischen Apparat, mit dessen Einsparungen Gelder freigemacht werden können.
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9. Aktuell wird der Bachelor-Abschluss für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da es nicht genug Master-Studienplätze gibt. Wie stehen Sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland - i.d.R. sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 – 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium? Welchen Entwicklungsbedarf sehen Sie auf diesem Gebiet?
Hätten sich die verantwortlichen Politiker nach dem Willen der Studierenden und auch der Professoren gerichtet, wäre die Bologna-Reform so nie eingeführt worden.
Es ist jedoch an der Zeit, nach vorn zu schauen! Wir müssen nun versuchen, die aktuelle Situation im Sinne der Grundgedanken dieser Reform zu optimieren und auf keinen Fall resignieren. Die Anzahl der Masterstudenten sollte dem ehemaliger Abschlüsse entsprechen und vergleichbare Angebote sollten gefördert und gefordert werden, sodass der Bachelor-Abschluss kein Selektionsmittel, sondern ein Sprungbrett für die Studenten bedeutet. Insbesondere bei der Umstellung hat es hier einige Defizite gegeben, die sich durchaus nachholen lassen. Hier gilt es im Wesentlichen, die Probleme jetzt aktiv in Angriff zu nehmen und auch auf internationaler Ebene aktiv zu agieren, um die Vorzüge der neuen Abschlüsse für die Studenten vom Papier in die Realität zu tragen. Sie sind ein wesentlicher Schritt auf dem Weg in ein gemeinsames Europa und ein Schritt in eine solide, grenzüberschreitende Wirtschaft. Studien zeigen, dass für Arbeitgeber hierbei oft nicht wichtig ist, welcher Abschluss im wesentlichen erlangt wurde, sondern in welcher Form Inhalte vermittelt wurden. So ist praktische Erfahrung von hoher Bedeutung. Die Umstrukturierung der Studiengänge sollte von diesen Erfahrungen profitieren und die Chancen nutzen, die teils historisch entwickelte Struktur der Studiengänge zu überdenken.
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10. Viele Studienfächer sind inzwischen zulassungsbeschränkt. Studieninteressierte sind daher gezwungen, sich an einer größeren Zahl von Hochschulen zu bewerben und Bewerbungen wieder zurückzuziehen, falls doch ein Platz an einer bevorzugten Hochschulen frei wird. Nun gibt es offenbar bereits Streit um die Kostenverteilung bei der ab kommenden Wintersemester geplanten zentralen (wenn auch freiwilligen) Koordinierung durch die Stiftung für Hochschulzulassung / hochschulSTART.de. Wollen Sie sich in diese Auseinandersetzung einmischen und die Hochschulen ihres Landes zu einer einheitlichen Linie drängen bzw. durch finanzielle Zusagen des Landes eine Teilnahme aller Hochschulen des Landes ermöglichen?
Im Sinne einer optimierten Studienplatzvergabe sowie einer generellen Bildungsförderung werden wir uns dafür einsetzen, dass alle Hochschulen des Landes so finanziell ausgestattet sind, dass sie an der Koordinierung der Studienplatzvergabe durch die Stiftung für Hochschulzulassung teilnehmen können. Dabei würden wir einer unverhältnismäßigen Hochschulzulassungsbürokratie keine hohe Priorität bei finanziellen Zusagen des Landes einräumen. Es muss daher gewährleistet sein, dass die Arbeit der Stiftung mindestens den Ressourcenverbrauch bei unkoordinierter Zulassungsvergabe kompensiert. Generell können wir Zulassungsbeschränkungen von unserer Programmatik her nicht für gut heißen.
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