Studienführer
VWL / Wirtschaft studieren
„Wirtschaft“ scheint in allen Bereichen des täglichen Lebens präsent zu sein. Dennoch fehlen oft Fähigkeiten und Freiräume für ein kritisches Verständnis der konkreten Zusammenhänge und theoretischen Grundlagen. Können ÖkonomInnen helfen? Wo und wie lernen Studierende Wirtschaft konkret zu gestalten? Ein Überblick über das Studium der Wirtschaftswissenschaften.
Hinweis: Dieser Artikel war im Laufe der Zeit immer weiter gewachsen und deckte BWL, VWL und Wirtschaftswissenschaften ab. Wir sind nun dabei, ihn wieder etwas stärker auf die einzelnen Fächer zuzuschneiden und dabei zu aktualisieren. Ein erstes Ergebnis ist der neue
Studienführer BWL. Auch für VWL soll es bald einen neuen Artikel geben, der wie der jetzige BWL-Artikel in die Studienfachdatenbank integriert werden wird. Solange hier der bisherige.
Von Alexander Egeling, überarbeitet und ergänzt von der Studis Online-Redaktion
Andreas Eiger war sich lange unsicher, was er studieren sollte. Er mochte Mathe und logisches Denken, aber irgendwie sollte es auch etwas Kreatives sein. Vor allem wollte er später im Beruf viel mit Menschen zu tun haben. Den Ausschlag für seine Entscheidung gab schließlich eine Berufsberaterin: „Dann studieren Sie doch BWL. Da ist von allem ein wenig enthalten. Und wenn Ihnen die Kreativität so wichtig ist, können Sie sich ja in Marketing spezialisieren.“

Alexander Egeling
Ohne Marketing gäbe es das alles vielleicht nicht.
Kreativität in der Betriebswirtschaft? Das entspricht nicht gerade dem Klischee vom langweiligen Studium für Wichtigtuer, die man schon am bloßen Aussehen erkennt. Natürlich gibt es ein paar Spezis, die im Anzug in die Uni laufen, aber in der absoluten Mehrheit sind BWLer dann doch ganz normale Studierende. Vielleicht wird ihnen manchmal ein wenig zu sehr die Wichtigkeit ihres Fachs vorgebetet, was manchem zu Kopf steigt.
Doch es steckt insofern etwas Wahres dahinter, dass Betriebswirte überall in unserem Wirtschaftssystem mitarbeiten. Der Kollege auf der Arbeit, der den Verkauf leitet, ist wahrscheinlich ein Betriebswirt oder die, die die Finanzen macht. Doch selbst zum gemütlichen Fernsehabend daheim haben BWLer eifrig beigetragen: Entwickelt haben den Fernseher und die Couch Ingenieure und Designer, denn allein können Betriebswirte nichts herstellen. Aber koordiniert haben sie das alles, sowie mit Marktforschung und strategischer Planung dazu beigetragen, dass solche Produkte gebaut werden. Dann haben sie neben tausend anderen Kleinigkeiten z.B. noch die Preise kalkuliert und die Logistikkette geplant, damit TV und Sofa auch wirklich ins Wohnzimmer kommen.
Lisa hat sich für ein Studium der VWL entschieden. Sie interessiert sich für die betriebsübergreifende Perspektive und grundlegende Fragen des Wirtschaftens einer Gesellschaft im Kontext aktueller Herausforderungen: „Angesichts der Finanz- und Wirtschaftskrisen wollte ich verstehen, was genau vorgefallen ist und wie wir Wirtschaft gesamtgesellschaftlich so denken und gestalten können, dass wir unsere Lebensgrundlagen nicht zerstören.“
Während Lisa durch ein Praktikum bei einer großen Steuerkanzlei auf die Auswirkungen von Wirtschaftspolitik aufmerksam wurde, hat ihr Freund bei einem Auslandsjahr in Südamerika die Auswirkungen einer globalisierten Wirtschaft kennen gelernt. Beide wollen in ihrem VWL Studium nun nach den Denkgrundlagen dieser Form des Wirtschaftens forschen.
Inhalt und Aufbau
Wer Wirtschaft studieren will, hat viele unterschiedliche Studiengänge zur Auswahl. Früher gab es einfach BWL und VWL. Heute findet man tausende Studienangebote mit den Begriffen „Wirtschaft“, „Philosophie" oder „Management“ im Namen. Bei den meisten davon stehen klassische betriebs- und volkswirtschaftliche Inhalte im Mittelpunkt. Neben den Klassikern BWL und VWL bzw. neudeutsch „Economics" finden sich viele spezialisierte Angebote. Häufiger anzutreffen sind z.B. Wirtschaftsingenieurwesen oder Wirtschaftsinformatik, es gibt aber auch Exoten wie „Weinbetriebswirtschaft“, „Sozioökonomie", „Wirtschaftssprachen Asien und Management Malaiisch“ oder „Development Economics". Da fragt man sich natürlich, was die alle gemeinsam haben.
Auch wenn sie oft nicht als solche geführt werden, sind die wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge klassischer Bestandteil der Sozialwissenschaften. Sie behandeln im Kern die Beziehung von Menschen untereinander. Im Gegensatz zu anderen Sozialwissenschaften ist das Studium der BWL aber auf die berufliche Tätigkeit in einem Unternehmen ausgerichtet und stark mit der ökonomischen Praxis verbunden. Das Studium der VWL hingegen hat in seinen grundsätzlichen Fragen viele Gemeinsamkeiten mit sozial- und sogar geisteswissenschaftlichen Fächern wie Soziologie, Politikwissenschaften, Jura oder Philosophie.
Kommentar aus der Studis Online-Redaktion
Hier stellt sich die Frage, was ein „optimaler“ Einsatz von Ressourcen bedeutet? Die meisten Institute würden diese Frage sicherlich mit „gewinnmaximierend“ übersetzen. Wer sich damit nicht zufrieden gibt und sich mit ähnlichen Fragestellungen beschäftigen möchte, wird unten in der Linkliste
kritische Initiativen finden, die dazu arbeiten.
(mic) Sowohl in der BWL wie auch vermehrt in der VWL gibt es eine kontroverse Debatte über den Inhalt und den Aufbau des wirtschaftswissenschaftlichen Studiums. An den meisten Universitäten wird in der BWL das Analysieren, Planen, Umsetzen und Kontrollieren von Vorgängen in Unternehmen, also das, was man zusammenfassend Management nennt. Auch in den meisten VWL-Studiengängen ist dieser Planungsvorgang zentraler Bestandteil: in der Mikroökonomik mit Blick auf das Individuum und in der Makroökonomik hinsichtlich der Gesamtwirtschaft. Dabei geht es darum, Ressourcen wie z.B. Geld, Zeit oder Arbeitskraft möglichst optimal einzusetzen.
Oft hat man also mit Optimierungsaufgaben und Modellierung von Szenarien zu tun, die in beiden Studienfächern mathematisch gelöst werden. Dementsprechend gehört die Mathematik genauso wie die Statistik und die Informatik zu den wichtigsten Hilfswissenschaften der klassischen Wirtschaftswissenschaften, an denen kein Student, der diese Inhalte beherrschen will, vorbei kommt. Notwendig sind in den meisten Studiengängen auch Elemente aus Rechtswissenschaft, Politikwissenschaft und Soziologie.
Spezialisierungen sinnvoll?
Die meisten wirtschaftswissenschaftlichen Studiengänge setzen voraus, dass man eine Spezialisierung wählt. Das geschieht entweder von Anfang an durch Wahl eines spezialisierten Studiengangs (siehe z.B. Weinbetriebswirtschaft oder Development Economics) oder bei allgemein gehaltenen Angeboten durch Wahl einer Vertiefung oder eines Wahlfaches. Dieses kann grundsätzlich aus allen Bereichen der BWL oder VWL stammen.

Daniel Käsler - Fotolia.com
Stetiges Wachstum wird angestrebt – aber ob das immer richtig ist, sollte man durchaus hinterfragen.
Die wichtigsten Bereiche, in die sich klassische BWL gliedert, finden sich auch als Abteilungen in großen Unternehmen: Marketing, Personalwesen, Finanzen, Controlling, Produktion oder Unternehmensführung. In alternativen BWL-Studiengängen finden sich darüber hinaus auch Veranstaltungen zu Ethik, Gemeinwohlorientierung, interkultureller Kommunikation oder Nachhaltigkeit.
Jeder muss ein wenig aus diesen Bereichen lernen, kann sie aber auch als Spezialisierung wählen und so zum Hauptinhalt des Studiums machen. Neben diesen Spezialisierungen, die man sehr oft antrifft, gibt es auch andere, wie z.B. Touristik-, Immobilien- oder Versicherungswesen, e-Business oder Internationales Management. Eine solche Spezialisierung kann vor dem Hintergrund der Masse von Absolventen (
fast 55.000 im Jahr 2013) hilfreich bei der Jobsuche sein. Andererseits müssen aber gerade WirtschaftswissenschaftlerInnen oft auch GeneralistInnen sein, da sie oft mit Menschen und Sachfragen aus ganz unterschiedlichen Kontexten zu tun haben. Also keine Angst vor einem allgemein gehaltenem Studium.
Bei der Umwandlung der Diplom- in die kürzeren Bachelorstudiengänge sind beide Richtungen eingeschlagen worden: Einige Hochschulen haben sehr spezielle Studiengänge geschaffen, die genau auf eine bestimmte Nische zugeschnitten sind. Viele Bachelorangebote haben aber hauptsächlich die Inhalte des damaligen Vordiploms übernommen, wo meistens noch nicht spezialisiert studiert wird und so beispielsweise in BWL-Studiengängen neben BWL auch viel VWL-Wissen vermittelt wird.
An manchen Unis wird der Bachelor „Wirtschaftswissenschaften“ angeboten, der eine umfassende BWL- und VWL-Grundausbildung vermittelt. Spezialisierungen können dann über ein Masterstudium, wie z.B. den Master of Business Administration (MBA) oder Global Political Economy, abgeschlossen werden. So ein Master steht übrigens ab und zu auch fachfremden Bachelor-Absolventen offen, die vorher z.B. geistes- oder naturwissenschaftlich studiert haben.
Welcher dieser vielen möglichen Wege in das wirtschaftswissenschaftliche Studium der richtige ist, kann niemand sagen. Entscheiden sollte man dies vor allem nach individueller Neigung. Und noch eines: Man muss noch nicht alles im Studium lernen. Sich während des Studiums, im ehrenamtlichen Engagement oder während der Berufstätigkeit ständig weiterzubilden ist schließlich Teil des Lebens.
Immer mehr Universitäten bieten zudem Programme wie das Studium fundamentale oder die Studie Humanitatis an, um einen Raum zur Persönlichkeitsentwicklung der Studierenden zu eröffnen. Wenn man also während seines Studiums Grundwissen sammelt, „lernt zu lernen“ und sich Zeit für biographische Sinnfragen nimmt, ist man schon sehr gut für die Zeit danach gerüstet.
Anforderungen
Der beste Freund von Andreas Eiger gehörte zu den letzten Schülern in Hessen, die zwei Jahre vor dem Abitur noch Mathematik abwählen durften, was er auch tat. Von Statistik hatte er so nie etwas gehört und Analysis nicht vertieft. Brauchte er ja auch nicht für sein Philosophiestudium. Nach einem Jahr war ihm das dann aber irgendwie zu praxisfern und er wollte etwas Konkreteres. So entschied er sich für eine Kombination aus Jura und BWL und hatte plötzlich wieder mit Mathe zu tun. Da halfen nur Überstunden in der Bibliothek und viel Geduld. Am Ende hat es dann aber sogar für einen sehr guten Abschluss gereicht.

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Krawattenträger? Nicht unbedingt ...
BWL und VWL kann jeder studieren. Wenn man aber einige Fähigkeiten nennen möchte, die für zukünftige Studenten zumindest der klassischen Wirtschaftswissenschaften von Vorteil sind, so stünde sicher Mathematik ganz weit oben. Natürlich hilft es auch, schon grundsätzliches Wissen über Wirtschaftstheorien zu haben. Vielleicht gab es dazu ja ein eigenes Schulfach oder man hat es z.B. in Sozial- oder Gemeinschaftskunde behandelt.
Daneben sind aber auch Deutsch als Grundlagenfach und sogar Geschichte und Philosophie nützlich: Dieses Wissen kann helfen, die Auswirkungen ökonomischer und politischer Entwicklungen auf Wirtschaftsprozesse zu verstehen und ethische Grundfragen zu stellen. Englisch ist Pflicht und gehört oft zum Studieninhalt. Mancherorts gibt es Vorlesungen oder gar ganze Module in Englisch. Weitere Sprachen und Auslandserfahrung (z.B.
durch ein Auslandssemester) sind wünschenswert. All dies kann man aber auch noch während des Studiums nachholen.
Im Wintersemester 2013/14 haben sich über 134.000 für ein wirtschaftswissenschaftliches Studium in Deutschland eingeschrieben. Damit stehen BWL, VWL und Co ganz weit oben in der Beliebtheitsskala (für mehr Zahlen, Prognosen und Grafiken siehe die
Studie der Arbeitsagentur). Das bedeutet aber auch, dass BWL und VWL vielerorts ein Massenstudiengang ist. Da kann es schon mal passieren, dass man im 500-sitzigen Hörsaal keinen Platz mehr findet. In solchen Studiengängen wird man naturgemäß weniger betreut und muss mehr Eigeninitiative zeigen.
Als Faustregel gilt: Je größer die Bildungseinrichtung an der man studieren will und je allgemeiner die Inhalte, desto mehr Kommilitonen wird man haben. Viele Unis versuchen dem durch harte Auswahlkriterien und starke Begrenzung der Plätze zu begegnen. Andere wiederum müssen dies nicht tun, da ihr Nischenfach sowieso nicht von vielen nachgefragt wird. Ein einheitliches System für die Auswahl von Wirtschaftsstudierenden gibt es nicht. Als Kriterien ziehen die Hochschulen zum Beispiel die Abiturnote, Motivationsschreiben, Auswahlgespräche oder Einstufungstests heran. Eine Liste der NC-freien Studienplätze findet ihr hier für
BWL und
VWL.
Wo kann Wirtschaft studiert werden?
Zwar war bislang meist von Universitäten die Rede, wo auch das Gros der Studenten ausgebildet wird. Doch gerade wenn es darum geht, in kleinerem Kreis zu studieren, müssen auch die beiden anderen Anbieter genannt werden: Fachhochschulen (FH) und Berufsakademien (BA; siehe dazu auch den Artikel
Hochschularten). Beide sind stärker praxisorientiert als die Universitäten, deswegen aber eher ungeeignet als Einstieg in eine wissenschaftliche Karriere. Stark vereinfachend kann man diese drei Anbieter in die Reihenfolge BA, FH, Uni bringen, wobei die Praxisorientierung von links nach rechts ab- und die wissenschaftliche Orientierung zunimmt (vergleiche die folgende Tabelle).
BA |
FH |
Uni |
Hoher Praxisbezug durch direkte Anbindung an Unternehmen | Mittlerer Praxisbezug z.B. durch ins Studium integrierte Pflichtpraktika | Geringster Praxisbezug, evt. Pflichtpraktika in Semesterferien |
Wissenschaftliche Relevanz gering, da Praxis im Mittelpunkt steht | Mittlerer Einbezug der wissenschaftlichen Komponente |
Wissenschaftliche Ausrichtung hoch |
Meist kleine Programme mit wenigen Studierenden, wo viel zusammen gemacht wird | Begrenzte Studienplätze und oft enger Kontakt zu Lehrenden | Wenn Begrenzung, dann meist auf hohem Niveau, mehr Anonymität |
Stark verschultes Studium mit vorgegebenen Inhalten | Viele Vorgaben beim Studianablauf, aber auch Wahlmöglichkeiten | Viele Wahlmöglichkeiten, auch fachübergreifend, Eigeninitiative gefragt |
Tabelle: Typische Merkmale von Wirtschaftsstudiengänge an den verschiedenen Hochschultypen. Durch die Umstellung auf Bachelor/Master ist die Unterscheidbarkeit etwas geringer geworden – immer mehr Ausnahmen bestätigen die Regel.
Allerdings gibt es auch an Universitäten manchmal sehr kleine und stark praxisorientierte Studiengänge. Hier fand durch die Einführung des Bachelors eine Annährung an die Fachhochschulen statt. Auch wenn es hier und da Abweichungen gibt, gilt immer noch grundlegend wer tendenziell eine akademische Laufbahn anstrebt, sollte seinen Master an einer Universität machen. Das heißt nicht, dass man nicht auch mit FH- oder BA-Abschluss „etwas werden“ kann. Ein Mitglied im Vorstand der Lufthansa ist z.B. an der eigenen BA ausgebildet worden. Und bei einem Bachelor (egal an welcher Hochschulart) kann man immer auch einen Master anschließen – auch an einer Universität.
Der Praxisbezug ist in der BWL selbst an Universitäten vergleichsweise hoch.
Kritische VWL abseits abstrakter Modelle
In der klassischen VWL liegt der Fokus derzeit hingegen vielfach auf abstrakten Modellen. Diese Modelle werden überwiegend auf realitätsfernen Annahmen, die darüber hinaus weitestgehend unhinterfragt bleiben, aufgebaut. Die Annahmen, z.B. über Menschen und ihre Interaktionen, sind allerdings so getroffen, dass eine mathematische Vorgehensweise bei der Modellkonstruktion möglich ist.
Statt die Grenzen der Modelle zu kennen, werden sie häufig unkritisch auf Realität angewendet. Vielleicht entsteht dadurch das Verhalten einiger durch die Presse bekannter Manager und „Wirtschaftsweisen“, die ihre Angestellten und die „normalen Leute“ nicht mehr zu verstehen scheinen. Man muss sich seines eigenen Weltverständnisses bewusst werden und seine eigene kritische Orientierung entwickeln. Dazu sei angeraten, stärker inter- und transdisziplinär zu denken.
In manchen Unis wird dies durch den Zwang, ein Nebenfach zu belegen oder praxisorientierte Forschungsprojekte zu machen, angeregt. Aber gerade auch studienbegleitende Jobs und Praktika sowie ehrenamtliches Engagement können hier wichtig sein. Und zum Glück gibt es auch genug Theorien und Bewegungen innerhalb der Wirtschaftswissenschaft, die das alles kritisch hinterfragen. Neben ProfessorInnen, die zu anderen Fragen und auf andere Weise forschen und lehren, haben sich vor allem nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2007/2008 Studierende im Netzwerk Plurale Ökonomik zusammengetan.
In knapp 30 Ortsgruppen engagieren sie sich für eine kritische und vielfältige Wirtschaftswissenschaft. Hier seien exemplarisch die
Kritischen WirtschaftswissenschaftlerInnen genannt, ein studentischer Arbeitskreis an der FU Berlin. So etwas wird man übrigens häufiger an Volluniversitäten als an Technischen Universitäten, Fachhochschulen oder Berufsakademien finden, da dort meist der sozial- und geisteswissenschaftliche Hintergrund fehlt. An welchen Orten sich eine kritische VWL institutionalisiert hat,
findet ihr unten am Ende des Artikels.
Jobchancen
Nach dem wirtschaftswissenschaftlichen Studium sind die Jobchancen sehr vielfältig. Jedes größere Unternehmen braucht Wirtschaftswissenschaftlerinnen und Wirtschaftswissenschaftler, selbst Krankenhäuser, NGOs und politische Parteien kommen nicht mehr ohne eine kaufmännische Geschäftsführung aus oder möchten eine Beratung, mit deren Hilfe sie kritisch Stellung zu ökonomischen Entwicklungen nehmen können. Nicht zu vergessen ist auch die Wissenschaft, in der man die Inhalte des Faches durch Forschung weiter entwickelt und die vielen Tausend Studierenden ausbildet.
Wo man letztendlich einen Job findet, richtet sich oft nach den Schwerpunkten des Studiums und den nebenbei gesammelten Erfahrungen. Letztere erhält man z.B. durch Praktika, ehrenamtliches Engagement, Nebenjobs oder Auslandsaufenthalte. Oft kann auch der persönlichen Neigung entsprochen werden, denn es gibt viele freie Stellen; mancher möchte eben unbedingt was mit Medien machen oder viel reisen. Allerdings sind auch die Wirtschaftswissenschaften keine sorgenfreie Zone: Hier muss man ebenfalls mobil sein und sich nach dem Abschluss vielleicht erstmal mit einem Praktikum zufrieden geben.
Und selbst wenn die Arbeitslosigkeit unter Wirtschaftswissenschaftlern geringer ist als z.B. unter Geisteswissenschaftlern und die Einstiegslöhne höher, so können dafür doch keine Garantien vergeben werden. Wer BWL oder VWL einfach nur studiert weil er nichts besseres weiß und dann keinen Spaß am Fach findet, wird einen sehr schweren Stand haben.
Andreas Eiger hatte zu Beginn des Studiums schon einen Vertrag von DaimlerChrysler auf dem Tisch liegen.
Der Autor dieses Artikels
Alexander Egeling hat in Freiberg, Leipzig und Adelaide Betriebswirtschaftslehre und Asian Studies studiert. Nebenher und im Anschluss hat er berufliche Erfahrung in Unternehmensberatungen und durch Selbstständigkeit gesammelt. Nachdem er fünf Jahre an einem Lehrstuhl der TU Freiberg angestellt war, promoviert er nun mit einem Stipendium an der HSU. Für Graduiertenzentren und die GEW gibt er Weiterbildungskurse. Er wohnt in Sachsen und betreibt gemeinsam mit seiner Frau den Blog „Promovieren mit Kind“ auf academics.de.
Den unterschrieb er aber nicht, denn ihm war das damit zusammenhängende Studium an einer Berufsakademie zu eingeschränkt, selbst wenn er so einen sicheren Job gehabt hätte. Also ging er an die Uni, absolvierte einige Praktika und gründete sogar eine kleine Beratungsfirma.
Am Ende des Studiums wusste er dann, dass er Berater auf keinen Fall werden wollte. Die ganze Woche im Land rumfahren und in Hotels leben war ihm zu ruhelos. Vielmehr interessierte es ihn, den Dingen genauer auf den Grund zu gehen. Darum nahm er eine wissenschaftliche Tätigkeit am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung auf.
Einer seiner Kommilitonen dahingegen ist Berater geworden. Er hilft Banken beim Umgang mit ihren Unmengen von Computerdaten, weil er schon immer am liebsten mit klaren Zahlen und Formeln gearbeitet hat. Eine andere Kommilitonin hat es mehr mit Kreativität. Die kann sie zumindest teilweise durch das Planen von Werbekampagnen bei einem Mittelständler ausleben, bei dem sie allein die Marketingabteilung bildet. Umgesetzt werden die Kampagnen dann übrigens von den „wirklich Kreativen“: den Textern und Grafikern in einer Werbeagentur.
Und sein bester Freund, der mit den Matheproblemen, macht die Koordination bei einer NGO, bei der er schon während des Studiums geholfen hatte; er hat zwar Spaß gefunden an den betriebswirtschaftlichen Tätigkeiten, aber die Chance an einer „besseren Welt“ mitzuarbeiten, sah er dann doch nicht in einem großen Konzern.
Weiterführende Informationen
Buchtipps
- Ines Balcik: Studi-Kompass Wirtschaftwissenschaften und Wirtschaftsingenieurwesen
Ausgabe Nord
Ausgabe Süd
Neuauflage; Stark Verlag, 2012, 392 / 356 S., 14,95 €.
Das Buch verspricht konkrete Informationen über alle Hochschulen mit wirtschaftswissenschaftlichen Studiengängen.
- Wolfgang Henning: Studienführer Wirtschaftswissenschaften
7. Auflage; Lexika-Verlag, 2009; 246 S., 15 €.
Grundlegende Informationen über das BWL- und das VWL-Studium – jedoch leider keine aktuelle Neuauflage.
- Benjamin Tillmann: Und in fünf Jahren mach ich richtig Kohle: Was man wissen muss, bevor man BWL studiert
1. Auflage; Eden Books, 2013, 256 S., 9,95 €.
Unterhaltsam geschriebener Ratgeber rund ums BWL-Studium.
- Karl-Heinz Brodbeck: Die fragwürdigen Grundlagen der Ökonomie. Eine philosophische Kritik der modernen Wirtschaftswissenschaften
6. Auflage, Wissenschaftliche Buchgesellschaft; 308 S., 19,99 €.
Initiativen und Verbände für kritische und / alternative Wirtschaftswissenschaften
Wirtschaft studieren - wo und was genau?
Quellen und weitere Informationen
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