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Homeoffice statt Hörsaal: Digitalisierung von Uni und Schule
Bildung muss digital werden, behaupten Politik und Wirtschaft. Ob man so mehr und besser lernt, wird nicht diskutiert. Ralf Lankau, Professor für Medientheorie in Offenburg, bereitet die Entwicklung Sorge. Im Gespräch mit Studis Online beklagt er kollektives Brainwashing, teure Irrwege und das „weltweit größte Experiment am lebenden Objekt“.
Bisherige Kommentare
1. Annie01 kommentierte am 06.11.2017 um 01:54:44 Uhr
Die Mischung macht's
Ein wirklich sehr spannender Artikel, der den Nagel in vielerlei Hinsicht auf den Kopf trifft. Medien nur um der Digitalisierung Willen zu verwenden macht keinen Sinn und bringt, v.a. im Bildungsbereich, nicht den gewünschten Erfolg! Jedem Medieneinsatz muss eine eingehende Kosten-Nutzen-Analyse vorausgehen in der die Sinnhaftigkeit und der tatsächliche Vorteil der Mediennuttzung zu diesem Zweck geprüft wird. Für mich macht ein Medieneinsatz im Bildungsbereich zB. dann absolut Sinn, wenn damit etwas demonstriert werden kann, was sonst nicht möglich wäre. Dann kann ich einen Vorteil darin erkennen, der beim Lerner auch das Verstehen fördern kann. Das wird aber nicht zwangsläufig damit erreicht, dass einfach jeder Schüler mit einem Tablet ausgestattet wird. Zum erfolgreichen Einsatz von Medien zum Lernen muss einerseits die Lehrer-Seite wissen wie und wann Medien (sinnvoll !) eingesetzt werden und die Lerner-Seite muss die Medienkompetenz besitzen um mit den digitalen Lernmaterialien umgehen zu können.
Wie diese Befähigung der Lehrkräfte erreicht werden soll, obwohl in der Lehrerausbildung überwiegend keine Medienbildung verpflichtend ist, ist mir ein Rätsel. So kann jedenfalls keine erfolgversprechende "Digitalisierung" der Schule erfolgen, dafür müssen viel mehr Parameter betrachtet werden. Die reine Medienausstattung ist nur ein kleiner Teil. Viel wichtiger sind kompetente Anwender, die selbstreflektiert mit Medien umgehen können und sie, an der passenden Stelle, sinnvoll nutzen können.
2. Sebastian Horndasch kommentierte am 13.11.2017 um 14:15:30 Uhr
Ich habe nichts gegen digitale Medien, aber...
Einspruch!
Ich halte das Interview für ziemlich einseitig. Leider habe ich nicht die Zeit, in einem Kommentar auf alle Punkte einzugehen. Daher greife ich nur einige wenige raus.
1. Klassiker: Den Gegner dämonisieren, dann kann man ihn leichter auseinander nehmen. Ich finde viele Vorwürfe an die "Digitalisierungslobby" ziemlich abstrus. Ich persönlich kenne niemanden, der behauptet, digitale Medien seien *grundsätzlich* besser als analoge. Ich kenne niemanden, der fordert, dass man LehrerInnen durch Algorithmen und weniger qualifiziertes Personal ersetzen kann oder sollte. Ich kenne niemanden, dem vorschwebt, Schule und Hochschule komplett durchzudigitalisieren. Lankau baut aber erstmal ein solches Phantasiebild auf, um es dann schön attackieren zu können. Finde ich unredlich.
2. Sehr fragwürdige Zitate Kinderärzte sind gegen digitale Medien! OECD ist gegen digitale Medien! - behauptet der Artikel. Wenn man es sich genau anschaut, warnen Kinderärzte warnen dagegen vor Problemen bei Kindern im *Vorschulalter* sowie bei einer zu intensiven Nutzung. Eine so richtige wie banale Warnung. Auch der zitierte Herr Schleicher von der OECD ist ein sehr schlechter Kronzeuge, das Zitat ist aus dem Zusammenhang gerissen. Hier ein sehr gutes aktuelles Interview mit ihm: http://www.spiegel.de/lebenundlernen/schule/bundestagswahl-andreas-schleicher-zur-schulpolitik-nur-fast-so-gut-wie-ein-smartphone-a-1169766.html
3. Veränderungen? Die Welt verändert sich. Arbeitsmärkte verändern sich. Gesellschaft verändert sich. Der Ansatz von Herrn Lankau scheint zu sein: Kopf in den Sand. Was ich damit meine: Die Welt verändert sich, ob wir wollen oder nicht. Wir können diese Veränderungen aufnehmen und mitgestalten - oder wir können versuchen, uns dagegen zu stellen und gehen dann halt unter.
4. Kein Wort über die Möglichkeiten Herr Lankau scheint bisher wenig gehört zu haben von Open Educational Ressources, durch die Schulen unabhängig von großen Verlagen werden und durch die Schüler ihre Lernmaterialien selbst mitgestalten können. Er hat offenbar wenig gehört von den vielen Projekten an Schulen und Hochschulen, in denen Menschen unterstützt durch digitale Medien kollaborativ zusammenarbeiten. Wer einmal in einem wirklich kollaborativen Arbeitsumfeld tätig war, weiß, dass man das analog nicht wirklich so machen kann. Und das es eine tolle Erfahrung ist.
Zudem: Nicht jeder ist Normalo. Manche Leute sind körperlich oder geistig behindert. Vielen potentiellen Studierenden bleibt der Weg an die Uni versperrt, weil sie aus familiären, beruflichen oder anderen Gründen ein Vollzeitstudium halt nicht packen. Und ein Fernstudium nur mit Zetteln ist eben recht demotivierend - die FernUni Hagen hat eine Abbruchquote von vermutlich ca. 90%. Die Digitalisierung ermöglicht es uns, viele Menschen viel besser zu erreichen als vorher.
5. Alles Lobby! Nee. Klar ist: Natürlich gibt es Lobbyinteressen. Davon ist kein Bereich frei, in dem man Geld verdienen kann. Aber das Pauschalurteil ist Quatsch.
Offenlegung: Ich bin Programmmanager im Hochschulforum Digitalisierung, einem komplett durch die Bundesregierung finanzierten Think Tank, der sich mit der Hochschulbildung im digitalen Zeitalter auseinander setzt. https://hochschulforumdigitalisierung.de/
3. Oli (Studis Online) kommentierte am 13.11.2017 um 14:59:22 Uhr
@Sebastian
Der Interviewte beschäftigt sich sehr aktiv mit allen Medien und setzt sie auch selbst ein – gestaltet also auch selbst. Seine Kritik zielt vor allem darauf ab, dass man wirklich den Eindruck bekommen könne, die Politik müsse nur Milliarden ausgeben, um jedem Schüler ein iPad (o.ä.) zu kaufen und alles würde gut. Er ist sehr für Open Educational Ressources und will, dass eben nicht einzelne Anbieter (sei es Apple, Microsoft oder wer auch immer) zu viel Einfluss haben und (Hoch-)Schulen sich dadurch an diese Anbieter ketten.
Und es ist leider so, dass Gelder oft für Hypes ausgegeben werden, Hauptsache der Antrag enthält die richtigen Buzzwörter – Techikfolgenabschätzung aber immer nur als „Bremser“ angesehen wird, statt zu erkennen, dass es gerade wichtig wäre, frühzeitig alle Folgen in den Blick zu nehmen, statt unreflektiert Dinge schnell einzuführen.
4. Oli (Studis Online) kommentierte am 13.11.2017 um 15:48:06 Uhr
Mehr oder weniger?
Geht zwar nicht primär um Digitalisierung von Bildung, aber um die Mediennutzung insgesamt und damit irgendwie doch auch um Bildung … http://www.sueddeutsche.de/digital/netzkolumne-wir-machen-sie-einfach-noch-suechtiger-1.3746011
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