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Gleich zahlen oder gleich verschulden: Studiengebühren schwarz-grün
Die neue schwarz-grüne Regierung in Hamburg will statt der bisherigen 500 Euro Studiengebühren im Semester "nachgelagerte" Gebühren in Höhe von 375 Euro einführen. Dass diese leichte Verbesserung für die Mehrheit der Studierenden mit Nachteilen bei Minderheiten erkauft wird, kommt immer mehr zu Tage. Aus Anlass der Öffentlichen Anhörung im Wissenschaftsausschuss trägt Oliver Iost zusammen, warum auch das neue Studiengebührenmodell nicht der Weisheit letzter Schluss ist.
Bisherige Kommentare
1. David Perteck (ÖDP Hamburg-Wandsbek) kommentierte am 17.08.2008 um 17:11:33 Uhr
Anti-Bildungs-Gebühren in Hamburg
Vor kurzem hat der Hamburger Senat einen Bericht über die Verwendung der Studiengebühren veröffentlicht, die seit 2007 erhoben werden. Demnach sind im Sommersemester 2007 und im Wintersemester 2007/08 fast 40 Millionen an Gebühren eingenommen worden, von denen 2007 lediglich 13 Millionen ausgegeben wurden. Selbst der insgesamt unzureichende Verwendungsbericht über die Studiengebühren belegt, dass die Gelder nur zu einem geringen Teil für die Verbesserung der Lehre eingesetzt werden. Die genaue Verwendug der Studiengebühren konnte nicht ermittelt werden, sondern es wurden nur allgemeine Zuordnungen zu verschiedenen Bereichen vorgenommen. Dies hielt selbst Wissenschaftssenatorin Herlind Gundelach (CDU) für verbesserungsbedürftig, die gleichwohl eine glühende Verfechterin der Studiengebühren ist.
Unter dem schwarz-grünen Senat wurde die Gebührenhöhe von 500 Euro auf 375 Euro pro Semester verändert und das Geld muss erst nachgelagert entrichtet werden, wenn der Betroffene 30.000 Euro brutto im Jahr verdient. Diese Veränderungen stellen jedoch nur scheinbare Verbesserungen dar. In Wirklichkeit werden viele Studierende sogar schlechter gestellt als zuvor. So haben bisher nur 39.900 der etwa 56.400 Studierenden in Hamburg die Gebühren bezahlen müssen, weil die übrigen von den Zahlungen befreit waren. Sämtliche Ausnahmeregelungen, auch für Studierende mit Behinderungen und für Eltern mit kleinen Kindern, entfallen jedoch mit der Neuregelung, sodass nun rund 16.500 Studierende mehr zur Kasse gebeten werden. Dabei ergibt sich für die betroffenen Gruppen oftmals ein deutlicher Mehrkostenaufwand für die Lebenshaltungskosten sowohl im Studium, als auch im späteren Berufsleben. Die Pressemitteilung der GAL, die Hamburger Studierenden würden entlastet, ist deshalb an Zynismus und Verfälschung der Sachlage nicht zu überbieten. Vielmehr sind die Grünen in Hamburg erstmalig auf Landesebene maßgeblich für Studiengebühren verantwortlich, die sie zuvor im Wahlkampf abgelehnt hatten. Die GAL betrachtet das Studium samt Gebühren lediglich als "Bildungsinvestition", die sich für ein späteres Einkommen bezahlt machen soll.
Außerdem sind die Gebühren ab dem Wintersemester 2008/09 entgegen den schwarz-grünen Versprechungen gar nicht automatisch nachgelagert. Vielmehr muss die Nachlagerung jedes Semester erneut beantragt werden. Es wird darauf spekuliert, dass viele sich diese Mühe nicht erst machen und einfach vor Semesterbeginn bezahlen. Außerdem kommt zu den Gebühren der ständig steigende Semesterbeitrag in Höhe von über 250 Euro hinzu, der ohnehin für das HVV-Semesterticket und Verwaltungskosten entrichtet werden muss. Die Studierenden haben laut AStA der Uni-Hamburg praktisch keine Einflussmöglichkeit auf die Verwendung der Gebühren, weil nur vereinzelte Vertreter der Studierenden in den Entscheidungsgremien sitzen, die laut AStA immer leicht überstimmt werden können.
Studierende werden selbst ohne zusätzliche Gebühren durch Erwerbsarbeit vom Studium abgehalten oder sind auf Unterstützung durch die Eltern angewiesen, um ihr Studium und ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Ebenso wie Büchergeld fördern Studiengebühren die soziale Auslese bei den Bildungschancen, die in Deutschland ohnehin in besonders hohem Maße der Geldbeutel der Eltern bestimmt. Die Gebühren schrecken einen Großteil der Jugend vom Studium ab und grenzen weite Teile der Bevölkerung über Generationen hinweg von besseren Bildungs- und Berufschancen aus. Sie tragen deshalb erheblich zum Bildungsabbau in Hamburg bei.
Diese Auswirkungen erwähnt der Bericht freilich ebenso wenig wie den genauen Verbleib der Anti-Bildungs-Gebühren. Da hilft keine Beschönigung. Senat und Universitätsleitung sorgen sich lieber um Investoren der Uni-Verlagerung in die Hafencity als um die Interessen Studierender. Allenthalben werden Bildungseliten gefordert, aber unsere Hochschulen werden an Finanzeliten verscherbelt. Ein Armutszeugnis für den schwarz-grünen Senat.
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