Boykottieren oder mitmachen?
CHE-Ranking in der Kritik
Das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ist vielen Studierenden vermutlich nur durch "das Ranking" bekannt. Glaubt man Untersuchungen, so informieren sich mehr als die Hälfte der Studierwilligen auch mittels Rankings über Hochschulen. Das CHE-Hochschulranking dürfte auch auf Grund der Medienpartnerschaft mit der ZEIT das bekannteste und somit einflussreichste sein. Aktuell werden Studierende an den Hochschulen für dieses Ranking befragt – und erstmalig gibt es größeren Widerstand dagegen.
Seit 1998 erstellt das Centrum für Hochschulentwicklung (CHE) ein Hochschulranking. Dass es das umfassendste im deutschsprachigen Raum ist, ist unbestritten. Schneidet ein Studienfach einer Hochschule gut ab, wird dies meist durch Presseerklärungen gefeiert und voller Stolz auf der eigenen Webseite vermerkt.
Dank seiner Medienpartnerschaften (seit 2006 mit der ZEIT, früher war es der Stern) gelingt es dem CHE darüber hinaus, das Ranking stark zu verbreiten und als das Ranking schlecht hin in Deutschland zu platzieren. Lob für das Ranking und seine Methodik kommt auch von Institutionen wie dem "Educational Policy Institute" oder der "European University Association". Selbst bezeichnet es sich als "fair, informativ, qualifiziert". Doch ist das wirklich so?
Kritik an Rankings wächst – auch im "Mutterland" USA
Selbst in den USA, die man als Mutterland von Unirankings bezeichnen kann, wird zunehmend Kritik an Rankings laut. Insbesondere die Einbeziehung der Reputation von Hochschulen (das über Befragungen von ProfessorInnen ermittelt werden soll), wird
abgelehnt. Das CHE-Ranking umfasst ebenfalls solche Erhebungen – insbesondere der ProfessorInnen, aber in gewisser Weise auch von Studierenden (vgl. auch weiter unten).
Von Seiten der deutschen Hochschulen ist Kritik eher selten, zu groß ist offenbar die Angst, als schlechter Verlierer da zu stehen. Und wer gut abschneidet, möchte das nicht bezweifeln. Das CHE wurde nebenbei bemerkt von der Hochschulrektorenkonferenz mitgegründet – finanziert wird es zum Großteil von der Bertelsmann-Stiftung.
In diesem Jahr gab es trotz alledem erste Absetzbewegungen vom Ranking. Die Österreichische Qualitätssicherungsagentur AQA, die drei Jahre mit dem CHE zusammenarbeitete und die Daten für das Ranking erhob, beendete in diesem Jahr die Kooperation und äußerte
deutliche Kritik. Der Leiter der AQA sagte wohl auch unter diesem Eindruck in einem
Interview: "Ich denke, dass eine fundierte Studieninformation viel mehr bringt als der Blick aufs Ranking."
Nach diesen "Wirren" (so Gero Federkeil vom CHE) konnte das CHE für das kommende Ranking nur zwei Österreichische Hochschulen für eine direkte Zusammenarbeit gewinnen: Die Uni Klagenfurt und die Uni Salzburg. Die Mehrheit der österreichischen Unis schließt sich also offenbar der Kritik der AQA an.
In der Schweiz hatte die Rektorenkonfernz schon im Vorjahr die Zusammenarbeit beendet, vor allem die Unis aus dem italienisch- und französischsprachigen Teil der Schweiz sahen wohl keinen Sinn mehr in einer Beteiligung. Zwei deutschsprachige Hochschulen werden nach Angaben des CHE im Ranking 2008 trotzdem dabei sein, sie arbeiten dazu direkt mit dem CHE zusammen: Die ETH Zürich und die Uni St. Gallen.
Erstaunlich (oder nicht - je nach Standpunkt) ist jedoch, dass noch Monate später (jedenfalls noch am
21.11.2007) auf den Seiten des CHE Kooperationspartner zu lesen ist, man kooperiere mit der AQA und swissUp (diese Stiftung hatte im Auftrag der Rektorenkonferenz die Daten erhoben).
Boykott der Befragung zum Ranking?
Vor einigen Tagen hat nun der studentische Dachverband fzs zum Boykott des Rankings aufgerufen. Gemeint ist damit, dass Studierende sich nicht an Befragungen im Rahmen der aktuell laufenden Datenerhebungen für das CHE-Ranking 2008 beteiligen sollen. Im Oktober hatte der AStA der Alice-Salomon-Fachhochschule (ASFH) Berlin als erste Studierendenvertretung diese Protestform im Zusammenhang mit dem CHE-Ranking vertreten.
Hier ist die Hauptkritik eine andere: "Der fzs kritisiert (...) vor allem die grundlegende Idee der Hochschulrankings. Hinter den Rankings verbirgt sich die Idee einer Ökonomisierung der Bildung - Bildung wird nur noch anhand einiger wirtschaftlicher Faktoren beurteilt anstatt es als Grundrecht und als öffentliches Gut zu begreifen, was jedem Menschen gleichermaßen offen stehen muss."
Das CHE hat in der Vergangenheit neben der Erstellung seines Rankings sich vor allem für Studiengebühren eingesetzt und plädiert für die "entfesselte Hochschule", die sich ganz und gar dem Wettbewerb (also dem Markt) ausliefert und wie ein Unternehmen geführt wird. "Elite-Studiengänge" sind ebenso Teil der vom CHE gewünschten "Profilbildung", wie der Zugang zu Hochschulen immer stärker von Eingangsprüfungen abhängen soll. In diesem Kontext dient das Ranking möglicherweise dazu, den Wettbewerb im Sinne der vom CHE als wünschenswert angesehenen Parameter anzuheizen.
Macht sich das Ranking selbst kaputt?
Die Studierendenvertretung (StuV) der Berufsakademie Mannheim geht vollkommen anders als der AStA der ASFH mit dem Ranking um. In einem Online-Artikel mit der Überschrift
CHE-Ranking - Endlich sind wir auch dabei schreibt die StuV: "Ein positives Abschneiden der BA Mannheim in diesem Ranking erhöht also auch unsere späteren Chancen auf dem Arbeitsmarkt. (...) Es ist für uns Ansporn, wenn die Betreuung der Studierenden, das Lehrangebot und insbesondere der Praxisbezug des Studiums in Mannheim prima ausfallen würden."
In einem
Artikel der Märkischen Allgemeinen bemerkt Gero Federkeil vom CHE, dass oft gerade die kleinen Hochschulen von den Rankings profitierten. Er macht diese Bemerkung zwar in Bezug auf die KritikerInnen von der ASFH Berlin. Ob er das Vorgehen der StuV jedoch besser findet?
Dass von solchen möglichen "Manipulationen" abgesehen das Ranking auch sonst zumindest gelegentlich Fehler aufweist, zeigen beispielhaft Pressemitteilungen der
Uni Stuttgart und der
Uni Hannover. In beiden Fällen war die Abweichung deutlich und der Protest dagegen öffentlich. Wie viele Fehler unentdeckt (oder öffentlich unkritisiert) bleiben, ist offen.
So oder so: Wenn der Boykott Anklang findet und auf der anderen Seite die Versuche zunehmen, die "eigene" Hochschule "hochzuwerten", dürfte das Ranking irgendwann keinen Sinn mehr machen. Man darf auf die Veröffentlichung des Rankings 2008 gespannt sein.
Quellen und weitere Materialien
Kommentare zu diesem Artikel
1. CHE Kritiker kommentierte am 15.05.2008 um 16:12:49 Uhr
CHE ermutigt ungewollt zur Manipulation
Die Frage die sich mir stellt ist,
ob die Leute vom CHE schon mal an einem Bewerbungsgespräch
teilgenommen haben? Eine Frage die fast immer fällt
lautet: "Warum haben Sie sich denn für die Universität... entschieden?" (Was ist wenn der Personaler jetzt auch weiß, das
meine Hochschule sehr schlecht gewertet ist?)
Und um dem entgegenzuwirken machen die Studis
eins, Sie werten ihre Uni oder FH natürlich in
allen Bereichen Top. Somit haben Sie später im Bewerbungsgespräch keine Probleme sich zu rechtfertigen.
Ich bin nicht der einzige der so denkt. Ich kenne eine ganze Menge Studentendie genau so denken.
Und wenn man sich mal die durchschnittlichen
Bewertungen der ganzen Hochschulen anschaut, wird
man sehen das es so gut wie keine Bewertungen schlechter als
2,... gibt. Meiner Meinung nach ein eindeutiger Indiz.
Allein dieser Grund macht das CHE Ranking für mich vollkommen
Unaussagekräfig.
Dabei will ich andere Manipulationsversuche wie Profs die die Schüler beeinflussen oder selbst falsche Angaben machen aussenvor lassen.
2. Hello kommentierte am 11.06.2010 um 15:05:14 Uhr
GB: Uni-Rankings waren Quatsch
SPIEGEL ONLINE - 10.06.2010
Ein Brite gesteht - Sorry, unsere Uni-Rankings waren Quatsch
Höchst selbstbewusst stellt das "Times"-Ranking seit sechs Jahren die besten Unis der Welt vor. Höchst selbstkritisch sagt jetzt der Macher der Liste, dass die bisherigen Rankings beinahe wertlos waren und zu wenige Hochschullehrer befragt wurden - aus Deutschland nicht einmal 200.
weiterlesen auf http://www.spiegel.de/unispiegel/studium/0,1518,699747,00.html
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