Wahlprüfsteine HochschulpolitikWas die Parteien in Rheinland-Pfalz vertreten
In Rheinland-Pfalz (RLP) regiert seit der Landtagswahl 2006 die SPD mit absoluter Mehrheit und Kurt Beck als Ministerpräsidenten.
Im rheinland-pfälzischen Landtag sind derzeit drei Parteien vertreten: SPD (45,6% der Stimmen bei der Wahl 2006, 53 Sitze im Landtag), CDU (32,8%, 38 Sitze) und FDP (8,0%, 10 Sitze). Die GRÜNEN hatten 2006 mit 4,6% der Stimmen den Einzug in den Landtag knapp verfehlt. Die LINKE, die damals als WASG (Wahlalternative soziale Gerechtigkeit) antrat, war auf 2,6% der Stimmen gekommen. (Weitere Infos zur Landtagswahl 2006 bei Wikipedia.)
Neben den im Folgenden genannten fünf auch im Bundestag vertretenen Parteien kandidieren sieben weitere Parteien für den Landtag in Rheinland-Pfalz. Die vollständige Auflistung findet sich beim Landeswahlleiter Rheinland-Pfalz.
Was vertreten CDU, LINKE, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, SPD und FDP?
Den Landesverbänden der auch im Bundestag vertretenen fünf Parteien legten wir Ende Dezember insgesamt zehn Fragen zu den Politikfeldern Hochschul- und Wissenschaftspolitik vor. Im Folgenden haben wir einige der zentralen Antworten zusammengefasst. Jeden Abschnitt führen wir mit einer kurzen Beschreibung des Ist-Zustandes ein.
Ausführliche Wahlprogramme der Parteien:
Wer die vollständigen Antworten der Parteien lesen möchte, findet hier eine Liste der Detail-Artikel:
- Antworten der CDU (16.02.2011)
- Antworten der SPD (17.02.2011)
- Antworten der GRÜNEN (19.02.2011)
- Antworten der LINKEN (21.02.2011)
- Antworten der FDP (23.02.2011)
Studienfinanzierung (BAföG, Stipendienprogramm)
Ökonomische Sicherheit ist ein wesentlicher Faktor bei der Entscheidung für ein Studium. Das BAföG und die Regelungen im Unterhaltsrecht spielen eine wichtige Rolle bei der finanziellen Unterstützung von Studierenden und Schüler_innen. Die entsprechenden Gesetze sind Sache des Bundestages, die Länder müssen jedoch in der Regel zustimmen und können über den Bundesrat auch eigene Initiativen starten.
Wir haben nach den Vorhaben der Parteien zur Weiterentwicklung der bestehenden rechtlichen Grundlagen gefragt und ob sie anstreben, sich über den Bundesrat dafür einzusetzen, dass BAföG und Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung geändert werden (ähnlich den Modellen in Skandinavien).
In diesem Zusammenhang haben wir auch nach der Haltung der Parteien zu leistungsabhängigen Stipendien wie dem "Deutschlandstipendium" im Verhältnis zur Breitenförderung auf Grundlage des BAföG gefragt.
Nach Auffassung der CDU soll die Familie in erster Linie die Verantwortung für die Ausbildungsfinanzierung der eigenen Kinder tragen. Sie beschwört die "dramatische Rekordverschuldung" in RLP und spricht sich mit Verweis darauf gegen ein Landes-Schüler-BAföG aus. Stattdessen solle die Durchlässigkeit des Schulsystems erhöht und vor allem Schülern aus bildungsfernen Schichten der Zugang zur Hochschulzugangsberechtigung ermöglicht werden.
Zum Verhältnis zwischen "leistungs"-abhängigen Stipendien und BAföG antwortete die CDU, sie verstehe Stipendien und BAföG als zwei sich gegenseitig ergänzende Säulen der Studienfinanzierung. Was die Motivationswirkung der Aussicht auf eine Leistungszulage für Studierende betrifft, setzt die CDU auf den "Aufstiegswillen" von Studierenden aus "bildungsfernen Elternhäusern" und erhofft sich "Spitzenleistungen" von ihnen.
Die SPD spricht sich für den "bedarfsgerechten" Ausbau des BAföG und ein gebührenfreies Erststudium aus. Sie verweist auf eine Bundesratsinitiative der SPD zum Ausbau des BAföG, die von der schwarz-gelben Mehrheit zugunsten des "Deutschlandstipendiums" abgebügelt wurde. Was die Förderung von Schülerinnen und Schülern betrifft, führt die SPD das Modell der Schülerbegabtenförderung in RLP an, nach dem Schülerinnen und Schüler unter bestimmten Voraussetzungen monatlich bis zu 77 EUR Unterrichtsbeihilfe bekommen können.
Das "Deutschlandstipendium" fußt nach Auffassung der SPD auf einem grundlegend falschen Ansatz. Die unsichere Aussicht auf ein Stipendium trage nicht dazu bei, Studierende, die nicht auf ausreichende finanzielle Ressourcen zurückgreifen können, zur Aufnahme eines Studiums zu motivieren. Die SPD spricht sich daher für eine Verwendung der für das "Deutschlandstipendium" eingeplanten Mittel im Rahmen des BAföG aus.
Die GRÜNEN wollen sich dafür einsetzen, dass BAföG-Anträge schneller bearbeitet werden. Auf Bundesebene wollen sie sich dafür einsetzen, BAföG und andere Leistungen, die Studierende oder deren Eltern derzeit erhalten, in eine elternunabhängige Ausbildungsfinanzierung mit bedarfsorientierten Zuschüssen zu überführen. Gleichzeitig streben sie die bundesweite Einführung eines elternunabhängigen, bedarfsdeckenden Grundeinkommens für Studierende an.
In puncto Stipendienprogramm klaffen nach Ansicht der GRÜNEN Anspruch und Wirklichkeit stark auseinander: bis 2013 sollen 160.000 "leistungsstarke" Studierende mit 300 EUR monatlich gefördert werden. Bisher sind es jedoch erst 10.000 Studierende. Sie bezweifeln, dass sich in RLP genügend Unternehmen finden, die sich an der Finanzierung der Stipendien beteiligen.
Die LINKE fordert in Sachen Bildungsfinanzierung eine solide und solidarische öffentliche Finanzierung des Bildungswesens für alle. Das BAföG soll demnach elternunabhängig, bedarfsdeckend und ohne Darlehensanteil zur Verfügung stehen. Die LINKE unterstützt die Forderung des Deutschen Studentenwerkes, die Abkopplung der Höhe der BAföG-Sätze von der allgemeinen Preis- und Einkommensentwicklung zu beseitigen.
Die derzeit existenten Stipendienprogrammen der Begabtenförderungswerke werden von der LINKEN wegen ihrer "sozialen Schieflage" kritisiert, da der Großteil der Geförderten aus einer hohen oder gehobenen sozialen Schicht kommt. Sie spricht sich dagegen für Breitenförderung statt Förderung von wenigen aus. Als problematisch beim "Deutschlandstipendium" wird darüber hinaus die mögliche Einflussnahme auf Inhalte von Forschung und Lehre durch private Geldgeber gesehen.
Die FDP spricht sich in ihrer Antwort auf unsere Fragen für eine Erhöhung des BaföG-Satzes aus und dafür, dass er elternunabhängig gezahlt wird. Bezüglich des Modells des Landes-Schüler-BAföGs wird von ihr darauf verwiesen, dass ein solcher Zuschuss in der Abschlussphase der Schulzeit zu kurz greife. Die allgemeine Durchlässigkeit des Bildungssystems sei entscheidend für die Chancengerechtigkeit im Bildungssystem.
Was das Nationale Stipendienprogramm in seiner aktuellen Form betrifft, äußert die FDP keinerlei Kritik, war es doch von ihr gefordert worden. Nun soll es zum Aufbau einer neuen Stipendienkultur in Deutschland beitragen.
Studiengebühren
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2005 darf der Bund allgemeine Studiengebühren nicht verbieten. Es ist seitdem Sache der Bundesländer, ob und mit welchen Konditionen (im Rahmen gewisser Grenzen, die das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vage genannt hat) allgemeine Studiengebühren erhoben werden. Nach dem Urteil hatten bis 2007 insgesamt sieben Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfallen und Saarland) – alle unter CDU- oder CSU-Führung und meist mit Beteiligung der FDP – allgemeine Studiengebühren eingeführt. In drei davon wurden sie unter Beteiligung von SPD, Grünen und/oder Linken inzwischen wieder abgeschafft (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Saarland).
In Rheinland-Pfalz gibt es sogenannte Studienkonten - was im Grunde nichts anderes als Langzeitstudiengebühren sind und ebenso bei einem Zweitstudium zu Gebühren führen. Sie übersteigen mit 650 Euro/Semester sogar die Höhe der allgemeinen Studiengebühren (bis 500 Euro/Semester) in anderen Ländern. Mehr dazu hier.
Die SPD spricht sich gegen allgemeine Studiengebühren und für ein gebührenfreies Erststudium aus. Eine solide finanzierte Hochschulpolitik sei auch ohne die Erhebung von Studiengebühren möglich.
Die GRÜNEN sprechen sich gegen Studiengebühren in jeder Form aus, auch gegen das Studienkontenmodell der SPD-Landesregierung, da es unnötige Restriktionen für Studierende und unnötigen Verwaltungsaufwand für die Hochschulen bedeute. Auch ein Zweitstudium sollte nach Auffassung der GRÜNEN nicht durch eine Gebührenpflicht unnötig erschwert werden.
Die LINKE lehnt Studiengebühren ab, da sie die soziale Selektion erhöhen, von der Aufnahme eines Studiums abschrecken, Studierende zu Schuldnern machen und sozial ungerecht und ökonomisch unsinnig sind. Aus diesen Gründen strebt sie ein Verbot von allgemeinen Studiengebühren an.
Die FDP will die mangelhafte Finanzausstattung der Hochschulen zum Einen durch die Umschichtung von Mitteln aus dem Europäischen Sozialfonds zu Gunsten der Hochschulen verbessern. Zum Anderen soll es – wenn es nach ihr geht – den Hochschulen ermöglicht werden, nachgelagerte "Hochschulbeiträge" zu erheben. Diese würden nach Abschluss des Studiums ab einer bestimmten Höhe des Einkommens an die Hochschule, an der man studiert hat, gezahlt werden.
Die CDU beantwortet die Frage nach ihrer Einstellung zu Studiengebühren mit der Aussage, dass sie sich seit Jahren gegen die Einführung von Studiengebühren ausspricht.
Hochschulfinanzierung und "Schuldenbremse"
Die staatlichen Hochschulen in Deutschland sind seit Jahrzehnten strukturell unterfinanziert. So wurde mit dem so genannten "Öffnungsbeschluss der Kultusministerkonferenz" 1977 – neben der weiteren Öffnung der Hochschulen – auch das Einfrieren der öffentlichen Ausgaben für sie beschlossen. Zudem ist der Anteil der staatlichen Grundmittel der Hochschulen von 1980 bis 2007 von 72,3 auf 50,1 Prozent gesunken, während im gleichen Zeitraum die Drittmittel- und Verwaltungseinnahmen stark zugenommen haben. (Vgl. Lieb, 2009).
Wir haben die Parteien zum Einen dazu befragt, wie sie dazu stehen, dass sich der Staat mehr und mehr aus der Hochschulfinanzierung zurückzieht und zum Anderen, was sie von der so genannten "Schuldenbremse" halten, die in immer mehr Landesverfassungen verankert, u.a. von der GEW jedoch als "Bildungsbremse" kritisiert wird (vgl. auch den Artikel Schuldenbremse als Politikverzicht).
Die GRÜNEN wollen die Ausgaben für die Hochschulen deutlich erhöhen und sehen Bildung als eine öffentliche Aufgabe, die öffentlich finanziert und getragen werden muss. Als besonders problematisch in RLP nennen sie die verhältnismäßig niedrigen Forschungsausgaben pro Studienplatz und die große Anzahl von Studierenden pro DozentInnenstelle. Die GRÜNEN vertreten das Modell von Hochschulen als Einrichtungen des Landes, die zugleich Körperschaften des öffentlichen Rechts sind und sich selbst verwalten.
Im Zusammenhang mit der sogenannten "Schuldenbremse" sehen sie die Gefahr, dass sie die Handlungsfähigkeit der öffentlichen Hand stark beeinträchtigen könnte, wenn sich die Einnahmesituation nicht verbessert. Unabhängig davon wollen sie sich dafür einsetzen, dass Investitionen in Bildung und Wissenschaft mit Vorrang getätigt werden.
Auch die LINKE spricht sich für ein qualitativ hochwertiges öffentliches und mit wesentlich mehr Mitteln als derzeit ausgestattetes Bildungswesen aus. Sie beziffert das jährliche finanzielle Defizit im Bildungsbereich auf 40 Mrd. €. Um die Einnahmesituation zu verbessern, will sie sich für ein Steuersystem einsetzen, das Vermögen stärker am Erhalt der öffentlichen Infrastruktur beteiligt.
Die Einführung der "Schuldenbremse" wird von der LINKEN im Kontext der aktuellen finanzpolitischen Entscheidungen – 500 Mrd. € für Bankenrettung, Steuereinbußen in Höhe von 335 Mrd. € in den letzten zehn Jahren – kritisiert. Sie wäre demnach überflüssig, wenn die öffentlichen Einnahmen durch angemessene Vermögensbesteuerung, Einkommensbesteuerung und eine Finanztransaktionssteuer erhöht würden.
Die FDP spricht sich, wie unter dem Punkt "Studiengebühren" ausgeführt, dafür aus, die Einnahmen der Hochschulen durch Studiengebühren oder "Hochschulbeiträge" der AbsolventInnen zu erhöhen.
Die "Schuldenregel" wird von der FDP als ökonomisch vernünftig verteidigt. Nur ein konsolidierter Haushalt garantiere auch zukünftig Bildungschancen. Über die möglichen oder wahrscheinlichen Auswirkungen der Maßnahme macht sie keine Aussagen.
Die CDU befürwortet die Kooperation zwischen den Hochschulen und gesellschaftlichen und ökonomischen Akteuren, die sich in dem steigenden Anteil von Drittmitteln an der Finanzierung der Hochschulen äußere. Gleichzeitig spricht sie sich jedoch dafür aus, die Grundfinanzierung durch das Land mittelfristig auskömmlich zu gestalten.
"Bei den Schulden" will die CDU "kräftig [...] auf die Bremse treten", in allen Bereichen außer bei der Bildungspolitik. Das sei nötig um handlungsfähig zu bleiben und eine effiziente und bürgernahe Struktur zu ermöglichen.
Die SPD vertritt, dass die öffentliche Finanzierung der Hochschulen keineswegs zurückgefahren, sondern ausgebaut worden sei, da u.a. ein Großteil der Drittmittel der Hochschulen aus öffentlichen Mitteln stamme. Durch die Einrichtung und den Ausbau von Sondervermögen für die Hochschulfinanzierung will die SPD die finanzielle Situation der Hochschulen und Forschungseinrichtungen (weiter) verbessern.
Obwohl die Schuldenbremse ab 2012 jahresdurchschnittliche Einsparungen in Höhe von 160 Mio. € erforderlich macht, wird sie nach Auffassung der SPD aufgrund der demografischen Entwicklung des Bundeslandes keine Qualitätseinbußen mit sich bringen. Die öffentliche Bildungsinfrastruktur sei trotz dessen sozial gerecht und familienfreundlich weiter zu entwickeln.
Studienreform
In Sachen Studienreform fragten wir die Parteien, wie sie zu der Umsetzung des Konzepts der Bachelor-Master-Studiengänge in Deutschland – in der Regel sechssemesteriges Bachelor-Studium, Übergangsquoten in Höhe von ca. 30 - 70%, Neubewerbung für ein Master-Studium – stehen und welchen Entwicklungsbedarf sie auf diesem Gebiet sehen.
Die LINKE sieht den weit verbreiteten Leistungs- und Prüfungsdruck in den bologna-reformierten Studiengängen als problematisch an. Sie hält eine Flexibilisierung des Studiums um "über den Tellerrand hinaus" studieren zu können für erforderlich. Ein Masterstudium sollte allen Studierenden offen stehen.
Die FDP lobt die Möglichkeit der Hochschulen Studiengänge stärker eigenverantwortlich konzipieren zu können, obgleich die organisatorischen und materiellen Rahmenbedingungen als problematisch bewertet werden. Der Besuch eines Masterstudiengangs soll all denen ermöglicht werden, die die dafür nötigen Voraussetzungen erfüllen.
Die CDU positioniert sich zu diesem Punkt nicht weiter, sie will die Entscheidungen bezüglich der Studienreform in die Verantwortung der Fachbereiche vor Ort legen.
Die SPD verweist in ihrer Antwort auf das unter ihrer Verantwortung erlassene Hochschulgesetz, mit dem eine Weiterentwicklung der Studienreform möglich gemacht und Fehler korrigiert worden seien. Sie spricht davon, dass Bachelorabsolventen "die Chance" auf den Besuch eines Masterstudiums haben sollten.
Die GRÜNEN lehnen einen Master-NC ab und fordern einen problemlosen Übergang ins Berufsleben bzw. den freien Zugang zum Masterstudium für alle Bachelor-AbsolventInnen.
Weiteres zu den Wahlen in Rheinland-Pfalz: