Forschung fest in Männerhand
Frauen in der Wissenschaft
Heute ist der „internationale Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft“. Die Karriereleiter an deutschen Hochschulen und Forschungsinstituten wird immer noch vornehmlich von Männern erklommen. Fortschritte sind zwar erkennbar, bleiben aber weit hinter den Ansprüchen zurück. Durchgreifende Besserung verspricht eine Quote. Aber die Politik macht bisher nicht mit.
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Studentinnen gibt es viele – doch bei jeder Karrierestufe wird der Frauenanteil geringer.
Ulrike Lucke und Uta Herbst haben es geschafft. Ihnen ist gelungen, wovon viele Frauen im deutschen Wissenschaftsbetrieb nur träumen können: Sie sind Professorinnen. Für Lucke war es 2010 so weit, für Herbst zwei Jahre später. Beide erreichten ihr Ziel an der Universität Potsdam und beide mussten sich in ihre Position hochkämpfen. Seit Aufnahme ihres Studiums haben sie sich ohne Pause für ihre wissenschaftliche Karriere abgerackert, jede als dreifache Mutter Familie und Beruf(ung) irgendwie unter einen Hut gebracht. Dabei sei die Wissenschaft an sich schon ein „besonders hartes Geschäft“, wie Herbst in einem Interview mit der Märkischen Allgemeine erklärte (im Internet nicht frei verfügbar). „Vier, fünf Jahre muss man mit wirklich wenig Gehalt auskommen, extrem fleißig sein und dabei nicht den Glauben verlieren, dass es eines Tages klappt.“
Aber Ehrgeiz und Beharrlichkeit genügten nicht. Laut Lucke habe es überdies „ganz viel Glück“ gebraucht. Zu den üblichen Lasten, die so ein Werdegang mit sich bringt, also „Präsenz zeigen, auf Konferenzen dein Köpfchen hinhalten, als Habilitantin Vorträge halten“, galt es nebenher, Kinder großzuziehen. Sie habe „stillend geschrieben“, bisweilen sogar ihre vier Wochen alten Babys allein lassen, schilderte Herbst. Lucke hat ihren Nachwuchs „oft mitgeschleppt zu Konferenzen“ und vieles mehr auf sich genommen, worum sich die männliche Konkurrenz in aller Regel nicht scheren muss. „Allein schon die Hormone nach der Geburt. Da kann man nicht mehr klar denken. In so einer Situation einen sauberen Text zu verfassen, ist ein Kraftakt.“ Überhaupt machten die Mutterpflichten das ganze Unterfangen „mindestens doppelt so anstrengend“.
Deutschland abgeschlagen
Aber: Die größere Mühsal von Frauen, in der Wissenschaft Fuß zu fassen, macht sich hierzulande vergleichsweise selten bezahlt. Nach einer
Statistik der UNESCO – der Organisation der Vereinten Nationen (UN) für Bildung, Wissenschaft und Kultur – belegte Deutschland im Jahr 2019 mit einem Frauenteil unter Wissenschaftlern von 28 Prozent europaweit den 38. Rang. Die führenden zehn Nationen bringen es auf einen Wert von 47 Prozent aufwärts. In Litauen (50,7 Prozent), Nordmazedonien (50,8 Prozent) und Lettland (51 Prozent) stellt das weibliche Geschlecht an Hochschulen und Forschungsinstituten sogar die Mehrheit. Ähnlich sieht es in vielen südamerikanischen Ländern aus.
Dagegen stellt sich die Lage in den ökonomisch führenden Staaten mitunter desaströs dar. Japan etwa „glänzte“ zwischen 2011 und 2015 mit einem Frauenanteil von kümmerlichen 20 Prozent, während es EU-weit 41 Prozent waren. Gerade auch Deutschland mit seiner enormen Wirtschaftskraft und einem eigentlich weitverbreiteten Bekenntnis zu Geschlechtergerechtigkeit gibt im internationalen Vergleich eine extrem schlechte Figur ab. Insbesondere betrifft das die Chancen, als Frau in eine führende Position an den höchsten Lehranstalten sowie staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen zu gelangen.
Einsame Rektorinnen
Zahlen dazu liefert das Kompetenzzentrum Frauen in Wissenschaft und Forschung (CEWS), angesiedelt beim Leibniz Institut für Sozialwissenschaften. Danach betrug der
Anteil der Frauen an den höchst dotierten Professuren (Besoldungsgruppen W3/C4) 2016 gerade einmal 19,4 Prozent, deutlich unter dem EU-Mittel (23,6 Prozent) und weit hinter dem Spitzenreiter Litauen mit fast 40 Prozent. Von den „einfachen“ Professuren (W1/W2) war 2018
nur eine von vier von Frauen besetzt. Auch werden Hochschulen nur zu unter 25 Prozent von Rektorinnen und Präsidentinnen angeführt, während der
Frauenanteil in den Hochschulleitungen (Prorektoren, Vizepräsidenten, Kanzler) bei knapp 29 Prozent liegt.
Zwar haben sich Relationen in den zurückliegenden zwei Jahrzehnten bei allen Kennziffern zugunsten des weiblichen Geschlechts verschoben. Gleichwohl ist die Vormachtstellung der Männer immer noch gewaltig. Dabei haben Frauen in der Gesamtbevölkerung zahlenmäßig die Überhand. Auch was ihre Präsenz als Studentinnen an den Hochschulen betrifft, liegen sie inzwischen fast gleichauf mit ihren männlichen Kommilitonen. Ebenso verhält es sich bei der Verteilung der Studienanschlüsse. Der große Bruch erfolgt aber danach, beim Übergang zur Promotion und auf den folgenden Stufen der Karriereleiter. So lag nach Daten des CEWS in Baden-Württemberg der Frauenanteil 2018 bei den Promotionen bei 42,5 Prozent, bei den Habilitationen bei 27,3 und bei den Professuren nur mehr bei 22,2 Prozent.
„Undichte Leitung“
Dieses Phänomen, also die „Verluste“ von Frauen auf den verschiedenen Qualifizierungsebenen, wird als „Leaky Pipeline“ bezeichnet, übersetzt etwa „undichte Leitung“. Zu erklären ist dies vornehmlich mit strukturellen Ungleichheiten zwischen den Geschlechtern, wobei die trotz aller Gleichstellungsbemühungen immer noch als Frauendomäne praktizierte Kindererziehung nur eine von mehreren Ursachen ist. Schließlich gibt es reichlich Frauen, die keine Familie gründen. Unter anderem dürften die unsicheren Beschäftigungssituationen im sogenannten wissenschaftlichen Mittelbau eine Rolle spielen, wobei das grassierende Befristungsunwesen, also das Hangeln von einem Kurzeitkontrakt zum nächsten die männlichen Jungwissenschaftler nicht minder trifft. Allerdings stehen die Aussichten, sich im männerbeherrschten Wissenschaftsbetrieb mit seinen festgefahrenen Machtstrukturen und Geschlechterstereotypen als Mann zu behaupten und nach oben durchzuboxen, besser als die ihrer weiblichen Gegenspielerinnen.
Dazu kommen im Kinder- und Jugendlichenalter sozialisierte Rollen- und Verhaltensmuster, etwa das vermeintliche „Männerding“ Wissenschaft und Technik. Mädchen wachsen vielfach noch mit der Fehleinschätzung auf, in Fächern wie Mathematik und Naturwissenschaften quasi „naturgegeben“ unterlegen zu sein. Tatsächlich schneiden sie aber leistungsmäßig genauso gut oder schlecht ab, wie ihre männlichen Mitschüler. Trotzdem entscheiden sich später nur sehr wenige Schulabgängerinnen für ein naturwissenschaftliches Studium. Im globalen Maßstab streben lediglich 30 Prozent Frauen in sogenannte MINT-Fächer (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik). Dabei lassen sich später genau damit die besten Gehälter verdienen, was die ohnehin schon skandalöse Benachteiligung von Frauen in puncto Berufs- und Aufstiegschancen sowie bei der Bezahlung zusätzlich befördert.
Abhilfe durch Quote?
Um diesen Verwerfungen entgegenzuwirken, richtet die UN seit 2015 am 11. Februar den „internationalen Tag der Frauen und Mädchen in der Wissenschaft“ aus. Ziel ist es, Frauen und Mädchen einen uneingeschränkten und gleichberechtigten Zugang zur Wissenschaft zu ermöglichen und ihre Beteiligung daran zu fördern. Am heutigen Dienstag sprach sich UN-Generalsekretär António Guterres für weitere Anstrengungen auf dem Weg dorthin aus. Die Wissenschaft sei eine kollaborative Disziplin, dennoch werde sie durch eine „geschlechtsspezifische Kluft gebremst“, mahnte er in einer
offiziellen Stellungnahme. Um den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen zu sein, müssten der Abbau von Geschlechterklischees vorangetrieben und die Karrieren von Wissenschaftlerinnen und Forscherinnen unterstützt werden. „Lassen Sie uns (...) versprechen, das Ungleichgewicht der Geschlechter in diesem Bereich zu beenden“, bekräftigte Guterres.
Ein mögliches Instrument wären Quotenregelungen, also quantitative Vorgaben, wie viele Frauen im Wissenschaftsbetrieb auf welchen Positionen zum Zug kommen müssen. So
fordert etwa die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW), mit „einer verbindlichen und mit Sanktionen verknüpften Quotierung ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den Geschlechtern auf allen Karrierestufen einschließlich der Professuren und sonstigen Leitungsfunktionen herzustellen“. Zudem werde der „hinter der bestehenden Personalstruktur stehende, vertikal angelegte Karrierebegriff (...) der gesellschaftlichen Entwicklung der Lebensentwürfe nicht gerecht“. Nötig wären stattdessen „horizontale und intersektorale Mobilität sowie Unterbrechungen der Erwerbsarbeit“.
Uni Potsdam macht`s vor
Mit gutem Beispiel voran geht die Uni Potsdam. Die Verantwortlichen haben sich bis zum Jahr 2025
vorgenommen, 38,6 Prozent der Professuren mit Frauen zu besetzen. Aktuell liegt sie mit knapp über 30 Prozent im bundesweiten Vergleich auf Platz vier, hinter der Freien Universität Berlin sowie den Unis Paderborn und Koblenz-Landau. Als Maßnahmen zur weiteren Steigerung forciert die Potsdamer Uni unter anderem den Ausbau der Qualitätssicherung in Berufungsverfahren mit Gender- und Diversitytrainings, den Ausbau des Berufungsmanagements durch aktive Rekrutierungsverfahren sowie von Vernetzungsstrukturen und familienfreundlichen Arbeitsbedingungen.
Auch sonst zeichnet sich ein Umdenken ab. So wird in den Berufungskommissionen allmählich umgesetzt, was seit langem angekündigt war: Frauen werden bei gleicher Eignung bevorzugt eingestellt. Wenn es also an die Bewerbung auf Professuren geht, sind ihre
Chancen auf eine Berufung etwas größer als die ihrer männlichen Mitbewerber. Außerdem sind inzwischen in sämtlichen Landeshochschulgesetzen Gleichstellungsbeauftragte an den Hochschulen vorgeschrieben und zumindest auf dem Papier versprechen die meisten Rektoren, der Benachteiligung von Frauen in Forschung und Lehre Einhalt zu gebieten.
Desgleichen hat die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) Gleichstellungsstandards formuliert und prüft deren Umsetzung und die großen Forschungsorganisationen haben sich immerhin „weiche“ Quotenziele gesetzt. Dazu kommen spezielle Förderprogramme von Bund und Ländern. Bei einem bewerben sich Hochschulen mit ihrem Gleichstellungskonzept. Bei Annahme werden ihnen drei Lehrstühle finanziert, die an Frauen zu vergeben sind.
Fortschritt ist eine Schnecke
Im Großen und Ganzen bewegt sich aber noch zu wenig. „Trotz aller Programme und Best-Practice-Beispiele sind die 0,8 Prozent pro Jahr an Aufwuchs am Gesamtbestand der Professorinnen doch eindeutig zu wenig“, befand am Montag CEWS-Leiterin Jutta Dalhoff in einem
Interview auf gender-blog.de. So seien zwar alle maßgeblichen Institutionen „relativ schnell auf den Punkt gekommen: Wir müssen die individuelle Förderung von Frauen mit strukturellen Veränderungen des Wissenschaftsbetriebs flankieren“.
Das komme in jeder Empfehlung inzwischen an, viele würden auch das Wort Quote in den Mund nehmen. „Aber es ergibt sich nichts daraus. Es hat einfach keinerlei Konsequenzen für die jeweilige Einrichtung, wenn die selbst gesteckten Ziele nicht eingehalten werden. Deswegen gilt für Dalhoff: „Es geht zu langsam voran.“
Das findet auch Nicole Gohlke von der Bundestagsfraktion Die Linke. „Beim jetzigen Tempo wird es noch mehr als 35 Jahre dauern, bis Professorinnen die Hälfte des Kollegiums stellen. Dieses Schneckentempo ist völlig inakzeptabel und legt einer ganzen Generation existenzielle Steine in den Weg“, erklärte sie am Dienstag in einer
Medienmitteilung. Es sei wenig verwunderlich, wenn die Bundesregierung zwar ihre Programme lobe, sich über konkrete Ergebnisse aber ausschweige. „Diese wird es nur geben, wenn Hochschulen und Politik an einer verbindlichen Parität arbeiten.“
(rw)
Kommentare zu diesem Artikel
1. fredholm kommentierte am 14.02.2020 um 09:39:58 Uhr
Wissenschaftspräkariat anprangern
So wahr und bekämpfenswert die beschriebenen Disparitäten sind, so essentiell wäre es gewesen, die dem deutschen System inhärente Präkarität durch Befristung anzuprangern. Welchen Wert hat dieser Artikel, wenn er den zentralen, insbesondere auch für Frauen abschreckenden skandalösen Aspekt im Wissensvhaftsbetrieb nicht angemessen thematisiert?
2. Matze21 kommentierte am 15.02.2020 um 18:53:04 Uhr
Nachweis für Diskriminierung
"Insbesondere betrifft das die Chancen, als Frau in eine führende Position an den höchsten Lehranstalten sowie staatlichen und privaten Forschungseinrichtungen zu gelangen."
Wie viele Frauen bewerben sich den auf sowas und wie viele werden angenommen. Solange ersteres prozentual nicht deutlich geringer ist wie letzteres im Vergleich zu Männern, sind die besonders schlechten Chancen für Frauen erstmal eine Behauptung.
" Gleichwohl ist die Vormachtstellung der Männer"
"männerbeherrschten"
" festgefahrenen Machtstrukturen"
Woher dieses Bedürfnis Männer immer mit Macht und Dominanz in Verbindung zu bringen. Es gibt aktuell mehr männliche Professoren. Die sind wahrscheinlich auch alle schon etwas älter. Schaut man sich die Geschlechtsverteilung bei den Studenten an, gibt es einen deutlichen Frauenüberhang, der zudem auch noch immer größer wird. In den USA schon fast 2 Studentinnen auf einen Studenten. (Das sieht in der Politik und den Medien niemand als Problem an, da es ja nur Männer sind die immer weiter zurückfallen.). Also, das ist m.M.n. einfach nur eine Frage der Zeit, die auch ganz ohne das man jetzt anfängt Männer noch zusätzlich zu diskriminieren in einem höheren Frauenanteil resultieren wird.
"Ein mögliches Instrument wären Quotenregelungen, also quantitative Vorgaben, wie viele Frauen im Wissenschaftsbetrieb auf welchen Positionen zum Zug kommen müssen."
Es gibt Bereich, in denen Frauen die "Vormachtstellung" haben, teilweise sogar deutlicher wie in den Männerstudiengängen.
https://twitter.com/SteveStuWill/status/992019796685344768
Wird es dort dann eine Männerquote geben? Wenn man die gleichen Maßstäbe ansetzt wie bei Frauen, das also eine geringerer Männeranteil gleichgesetzt wird mit einer Männerdiskriminierung, sollten hier doch die gleichen Werkzeuge (Quote) verwendet werden wie bei Frauen. Wenn man vorgibt für mehr Chancengleichheit zu kämpfen, wäre doch alles andere Heuchelei.
3. uepsi kommentierte am 15.02.2020 um 19:23:03 Uhr
Mütterpflichten und -rechte / Qualifikation
Frauen haben nun mal weniger Interesse an einer wissenschaftlichen Karriere, "die Frauen" träumen eben nicht davon. Um so "gendergerechter" ein Land, umso weniger Frauen finden sich in den Naturwissenschaften, nennt sich Genderparadox - die Frauen folgen mehr ihren Neigungen, wenn sie die Freiheit dazu haben. Untersuchungen zufolge wollen gerade mal 14% der Studentinnen eine Laufbahn an der Uni einschlagen. Dem Wert nach wären Frauen überrepräsentiert. Sie sind also nicht "skandalös" benachteiligt: Sie wollen einfach nicht.
Und was die Mutterpflichten angeht, die Frauen angeblich hindern: Keine ist bereit, das ganze Leben lang malochen zu gehen und die Kinder und das Geld dem Vater zu überlassen. Und sie stellt das sicher, indem sie sich stets sozial nach oben interessiert.
Und Frauenquoten führen zu Quotenfrauen. Ironischerweise ging Frau Chebli - die sich für Quoten stark macht - erst kürzlich juristisch gegen einen Mann vor, der ihr unterstellte, eine Quotenfrau zu sein. Quoten schaden nicht nur der Wissenschaft sondern auch dem Ruf der Frauen - u.a. weil das mantraartige Versprechen, dass Frauen nur bei "gleicher Qualifikation" bevorzugt werden, schlicht nicht stimmt. So wurde bereits höchstrichterlich geurteilt, dass eine Frau auch nur bei "ausreichender" Qualifikation einem höherqualifiziertem Mann vorzuziehen sei (Urteil des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache C-407/98 (Abrahamsson und Anderson/Elisabeth Fogelqvist)). Quoten haben nichts mit "Gleichberechtigung" zu tun, sie unterminieren das Prinzip, dass jeder "gleichberechtigt" am Rennen teilnehmen kann indem sie Ergebnisgleichheit vorschreiben.
Und der Wissenschaft schadet es auch. Die Frauenveranstaltung "Gender Studies" ist unwissenschaftlicher Humbug, aber das sind "weiche" Disziplinen; aber keine Quotenfrau baut eine Maschine, die dann auch tatsächlich abhebt - es schadet dem Standort Deutschland. Wenn man aber einer Genderistin sagt, sie sei unwissenschaftlich, ist sie beleidigt. Gleichzeitig wird im Genderismus gelehrt, Wissenschaft, Qualifikation, Logik, Empirie etc.. seien patriarchale Konstrukte zur Unterdrückung der Frau.
Übrigens wäre es mal Zeit, die systematische Benachteiligung von Jungen in den Schulen anzugehen. Das ist moralisch nicht hinnehmbar, dass ihnen die Zukunft versaut wird. So erhalten sie bei gleichen Kompetenzen schlechtere Noten und auch seltener Empfehlungen für höhere Schulen - wie u.a. das Bundesministerium für Bildung und Forschung in einer eigenen Studie feststellte. Und bevor das Argument kommt, "Die Jungen würden später die Mädchen im Berufsleben abhängen": Das ist ungefähr so logisch, wie zu behaupten, Beschneidung von Mädchen gingen in Ordnung, weil späte viele (nicht beschnittene) Frauen nicht unter den Folgen einer Beschneidung zu leiden hätten.
6. Robin17x kommentierte am 16.02.2020 um 09:45:35 Uhr
Leider sehr einseitig
Der Artikel listet zwar viele Statistiken, gibt aber insgesamt kein angemessenes Bild der Lage. Er ist hinsichtlich der reinen Meinungsäußerungen sehr einseitig: es kommen nur überzeugte Feministinnen mit ihrer subjektiven Wahrnehmung (von denen ich einige für äußerst fragwürdig halte) zu Wort, wie üblich bei allen Geschlechterthemen.
Besonders ärgerlich ist, daß der Text wieder mal bei Frauen den Eindruck erzeugt, sie würden benachteiligt werden. Korrekt ist das Gegenteil.
Einige Punkte im einzelnen:
1. Der Verweis auf die Frauenanteile (bei Studenten, Wiss. Mitarb., Professoren) in den fächerübergreifenden Gesamtpopulationen ist wenig sinnvoll, weil viele Fächer stark frauen- bzw. männerdominiert sind. Dementsprechend ist die pauschale Forderung nach 50% Frauen nicht sinnvoll. NRW hat dazu das Kaskadenmodell erfunden. Das führt zwar auch zu erheblichen Problemen, ist aber grundsätzlich sinnvoller.
2. "Zu erklären ist dies vornehmlich mit strukturellen Ungleichheiten..."
Nein. Solche Schlagworte wie "strukturelle Ungleichheiten / Diskriminierungen" erinnern mich immer an die dunkle Materie in der Astrophysik: keiner sieht sie, sie muss aber da sein, weil sonst bestimmte Theorien kollabieren. Es gibt durchaus sehr gut sichtbare Strukturen, die "strukturelle Ungleichheiten" erzeugen, und zwar zahllose Frauenförderprogramme, Frauenbeauftragte, Frauenquoten, das Professorinnenprogramm usw.usw. Frauen haben durch diese Strukturen nach der Promotion bis in die Berufungsverfahren klare, gesetzlich garantierte Verfahrensvorteile. Deren Wirkung sieht man in den <a href= "https://www.gwk-bonn.de/fileadmin/Redaktion/Dokumente/Papers/Druckfassung_Heft_65_23_Fortschreibung_CHAG.PDF" >Berufungsstatistiken der Gemeinsamen Wissenschaftskonferenz (GWK)</a> (darin Tabelle 5.1): die Daten zeigen eindeutig, dass Frauen seit über 20 Jahren eine deutlich höhere Chance als Männer haben, auf eine Berufungsliste zu kommen, berufen und ernannt zu werden. Sofern Sie sich überhaupt bewerben.
3. Dass sich weniger Frauen als Männer bewerben, hat gute Gründe. Journalisten und Politiker stellen sich den Job als Professor i.d.R. ziemlich rosig und extrem attraktiv vor: wenn man es irgendwie rein geschafft hat, man hat viel frei verfügbare Zeit, wird gut bezahlt, braucht sich nicht mehr anzustrengen usw. Das ist das Gegenteil der Realität.
Die gleichen Politiker setzen die Unis und indirekt die Professoren ständig massiv unter Druck, in jeder Hinsicht überdurchschnittliche Leistung zu zeigen. Drittmittel werden nur im Wettbewerb an die besten vergeben, zum Teil kaum studierfähige Studenten sollen zu Supernachwuchs herangezüchtet werden, dazu kommt so viel Bürokratie (Studienordnungen, Frauenförderpläne, Berichtsunwesen usw.), dass dafür ca. 20 - 30% der Arbeitszeit drauf geht.
Diese politisch bestimmte Unattraktivität dämmert den meisten Nachwuchsforschern erst, wenn sie nach dem Master auf einer Promotionsstelle sitzen und mitbekommen, wie der Alltag und speziell Berufungen verlaufen. Ich war selber mal als Student Mitglied einer Kommission für eine W2-Stelle im Bereich Grundschullehramt. Ca. 90% Frauen unter den Studenten und Grundschullehrern, aber keine einzige Frau unter den Bewerbern. Wegen des massiven Drucks der Uni-Leitung, die Stelle mit einer Frau zu besetzen, wurde überlegt, "gestandene" Grundschullehrerinnen anzusprechen, sich zu bewerben. Das wurde als aussichtslos angesehen, wegen 50% mehr Bruttogehalt (vor Steuern) macht man sich keinen Dauerstress mit 50-Stundenwoche, ständigen Evaluierungen, Kampf um Mittel für Tutoren usw. Eine Beamtenstelle als Grundschullehrer ist schlicht attraktiver als eine W2-Stelle, wenn man nicht gerade in die Wissenschaft als solche verliebt ist.
Hier noch ein <a href= "https://medium.com/@kjmorenz/is-it-really-just-sexism-an-alternative-argument-for-why-women-leave-stem-cccdf066d8b1" >Bericht einer Chemikerin</a>, der i.w. die gleichen Argumente bringt, aber im Fach Chemie.
Die drei o.g. Punkte (und weitere) fehlen leider in dem Artikel, weswegen er letztlich wieder nur auf das Beschwören des finstren Patriarchats hinausläuft. Die zentrale Frage ist m.E., ob man eine rein leistungsorientierte Auswahl anhand fachlicher Erfolge haben will und damit großenteils Professoren (m/w) bekommt, die sich bedingungslos für den Job opfern. Das ist weniger Mann vs. Frau, sondern weitaus mehr Kinderlose vs. Eltern.
7. Renton kommentierte am 16.02.2020 um 11:37:39 Uhr
Falsches Ziel
Eine Erhöhung des Frauenanteils in der Wissenschaft sollte man nicht anstreben. Der Frauen (bzw. Männer-)anteil sollte schlicht egal sein. Wichtig ist nur, dass man
a) die fähigsten Köpfe
b) auf diskriminierungsfreie Art und Weise
gewinnt.
Eine Quote einzuführen diskriminiert die, die nicht von ihr profitieren. Für jede Frau, die eine Stelle aufgrund einer Quote erhält, geht ein Mann leer aus, der es verdient hätte. Professuren "nur für Frauen" sind ein handfester Skandal. Was kommt als nächstes - "nur für Weiße", "nicht für Juden",...?
Die Vorstellung, Frauen würden in der Wissenschaft "strukturell" benachteiligt, ist abwegig. Schlagwörter wie "fest in Männerhand", "Vormachtstellung der Männer", "Frauen haben in der Gesamtbevölkerung zahlenmäßig die Überhand", "männerbeherrscht" und "festgefahrene Machtstrukturen" sind keine Belege, sondern offenbaren ein dichotomes Denken der Autoren. Der einzige echte Nachteil von Frauen, den sie anführen können, betrifft Schwangerschaft, Geburt und Stillzeit eines Kindes. Dieser Nachteil ist aber keine Diskriminierung, sondern biologisch bedingt. Hier einen Nachteilsausgleich für Frauen zu verlangen, ist sicherlich gerechtfertigt; dafür genügen aber "kosmetische" Korrekturen wie die Verlängerung von Abgabefristen. Schon die Forderung nach besserer Vereinbarkeit von Familie und Beruf als Frauenförderung zu begreifen zeigt wieder das dichotome Denken der Autoren auf - schließlich müssen Männer Familie und Beruf ebenso vereinbaren.
Am Ende einer diskriminierungsfreien Auslese nach Befähigung steht nicht notwendigerweise eine 50-50-Verteilung von Männern und Frauen, wie sie dem Bevölkerungsanteil entspricht. Männer und Frauen sind auf vielfache Weise verschieden, was ihre Interessen und Fähigkeiten betrifft. Die "im Kinder- und Jugendlichenalter sozialisierten Rollen- und Verhaltensmuster" sind in der Regel eine Reaktion auf diese unterschiedlichen Veranlagungen, nicht umgekehrt. (Beispiel: Jungen sind technikinteressierter, Mädchen sozial interessierter.*) Hier werden Ursache und Wirkung vertauscht. Ob diese sozialisierten Rollen- und Verhaltensmuster irgendjemand davon abhalten, seine Interessen zu verfolgen, erscheint angesichts der Tatsache, dass gerade in liberalen, "geschlechtergerechten" Gesellschaften/Ländern sich die Geschlechter an den Universitäten stark nach Fächern aufteilen, höchst zweifelhaft.
*Solche Aussagen sind immer zu verstehen wie die Aussage "Männer sind größer (=länger) als Frauen". Nicht jeder Mann ist größer als jede Frau, aber ein zufällig ausgewählter Mann ist mit hoher Wahrscheinlichkeit größer als eine zufällig ausgewählte Frau.
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