Nachhaltige Ingenieurwissenschaften
Solide Grundlagen, aber ein großes Problem
Die meisten der Grundlagenmodule wie Mathe, Chemie, Technische Mechanik, Thermodynamik oder Elektrotechnik aus den ersten drei Semester sind rundum solide und vermitteln eine gute Basis. Die Dozenten machen hier gute Arbeit und haben oft ein sehr sinnvolles und durchdachtes Lehrkonzept entwickelt. Dabei gibt es natürlich auch kleinere Ausnahmen, so wie überall. Aber im Gesamtbild werden die technischen Grundlagen gut vermittelt.
Oftmals werden Vorlesungen durch Praktika ergänzt, in der Regel sinnvoll. Bedauerlicherweise sind diese meist auf recht wenige Termine begrenzt, sodass die Praxis insgesamt ein wenig zu kurz kommt. Auch fallen die schriftlichen Vor- und Nachbereitungen häufig etwas zu lang aus. Als besonders positiv unter den Praktika will ich an dieser Stelle das Praktikum im Modul Werkstofftechnik hervorheben. Die einzelnen Versuche sind hier sehr abwechslungsreich und in sich stimmig strukturiert.
Nach dem dritten Semester erfolgt schließlich die Wahl einer der beiden Studienrichtungen Energie- und Gebäudetechnik (EGT) oder Produktions- und Kunststofftechnik (PKT). Eigentlich sollte man ab diesem Zeitpunkt aus einem umfangreichen Angebot an Modulen wählen können und den Höhepunkt des Studiums bestreiten. Leider ist das Gegenteil der Fall. Das Angebot ist minimal und wirkt eher wie ein bunter Haufen. Weder ist hierbei eine Art "roter Faden" erkennbar, noch bieten die Module die nötige Vielfalt. Stellenweise wirken die Module etwas beliebig. Die Modulwahl ist hier weniger ein "Welches tolle Modul kann ich im nächsten Semester besuchen?", sondern vielmehr ein "Was ist das größte Übel und wie umgehe ich es am besten".
Ein auch oft in höheren Semestern auftretendes Problem ist die Verteilung der einzelnen Vorlesungsstunden. Viel zu oft kommt es vor, dass vier Vorlesungsstunden eines Moduls direkt hintereinander abgehalten werden (mit einer kurzen 15 Minuten-Pause dazwischen). Dieser Zustand ist ein didaktisches Unding! In der Regel ist die eigene Aufnahmekapazität nach der ersten Doppelstunde bereits restlos verbraucht, direkt danach die nächste Doppelstunde abzuhalten grenzt an Wahnsinn. Hier muss ein Weg gefunden werden, das ganze auf verschiedene Tage aufzuteilen - auch, wenn das am Ende in der Organistation für die Hochschule komplexer sein mag.
Abschließend möchte ich auf das große Problem des Studiengangs eingehen: Die "Nachhaltigkeit".
Nachhaltigkeit kommt bedauerlicherweise viel zu kurz. Das meiste über Nachhaltigkeit wird ironischerweise nicht in den Modulen Nachhaltigkeit vermittelt. Viel mehr sind es andere Module wie Chemie oder Thermodynamik bzw. Fluiddynamik, die am Rande ein paar interessante Aspekte erwähnen. Von den technischen Grundlagenfächern erwarte ich aber auch nicht mehr, immerhin stehen hier mathematisch-naturwissenschaftlich-technische Grundlagen im Fokus.
Das große Problem sind hingegen die Module Nachhaltigkeit 1 und Nachhaltigkeit 2. Hier wurde fast alles falsch gemacht, was man falsch machen kann. Nachhaltigkeit 1 behandelt wichtige Themen maximal sehr oberflächlich und vermittelt kaum sinnvolles Wissen. Die Modulstruktur wirkt diffus und planlos. Die einzelnen Termine wirken teilweise mehr wie Kaffeekränzchen mit allgemeinem Geplauder. Jede x-beliebige Nachrichtensendung vermittelt mehr Wissen über Nachhaltigkeit. Einzig positiv ist der gute Wille, Nachhaltigkeit nicht nur aus technischer Sicht zu beleuchten, sondern gesamtheitlicher. Die Umsetzung ist aber mangelhaft. Abgeschlossen wird das ganze leider nicht mit einer gewöhnlichen Klausur, sondern mit einer fragwürdigen Projektarbeit und einer ebenso fragwürdigen Hausarbeit. In der Projektarbeit soll ein reales Problem hinsichtlich Nachhaltigkeit einer realen Firma in Gruppen bearbeitet und Lösungsvorschläge präsentiert werden. Problematisch ist aber, dass Nachhaltigkeit 1 bereits im zweiten Semester stattfindet und somit bei weitem noch nicht genug Fachwissen aus anderen Modulen vorhanden ist. Die Ergebnisse sind hier demzufolge entsprechend überschaubar und enttäuschend. Was die Hausarbeit angeht, so wählt man hier aus einer Reihe abstrakt klingender Themenvorschläge und versucht ohne große Anleitung das ganze Übel möglichst schnell hinter sich zu bringen.
Nachhaltigkeit 1 wirkt insgesamt mehr wie ein Fremdkörper, auch wegen der starken räumlichen und zeitlichen Trennung (Spätnachmittag, Vierstundenblöcke).
Nachhaltigkeit 2 habe ich selbst noch nicht besucht, jedoch schon so manches negatives gehört. Zunächst wurden in diesem Modul scheinbar nur Inhalte zu künstlichen Intelligenzen gelehrt. Die Studiengangleitung hat jedoch scheinbar selbst bemerkt, dass dies ein Fehlgriff war und will dahingehen den Fokus künftig auch Nachhaltigkeitsberichterstattung legen. Dazu bedient man sich eines Moduls, welches ursprünglich aus dem Studiengang Betriebswirtschaft kommt. Dass man sich hier mit Inhalten eines anderen Studiengangs aushelfen muss und nichts eigenes zu Stande bekommt, ist überaus beschämend.
Fazit:
Die technischen Grundlagen sind sehr solide, sie stammen zumeist wohl aus dem Vorgängerstudiengang AIW und sind daher langjährig verfeinert worden.
Die Studienrichtungswahl ist mehr Hemmnis als Hilfe. Die Auswahl an Modulen ist deutlich zu limitiert.
"Nachhaltigkeit" ist leider ein großer Etikettenschwindel. Man wollte sich hier wohl einfach nur einen neuen Namen geben, in der Hoffnung, vom damaligen Zeitgeist und dem damalig wachsenden Bewusstsein für entsprechende Themen, getragen zu werden und zu provitieren. Die gleichnamigen Module sind leider eine totale Katastrophe.
Ich kann diesen Studiengang nur für Leute empfehlen, die sich explizit für eine der beiden Fachrichtungen begeistern können. Wer sich wegen der Nachhaltigkeit hier einschreibt, wird jedoch sicher enttäuscht werden.
Anmerkung: Der Studiengang wird aktuell etwas umstrukturiert. Es bleibt zu hoffen, dass die Studiengangsleitung die fatalen Fehler der Nachhaltigkeitsmodule großflächig korrigiert. Für beide Module ist ein inhaltlicher und personeller Neuanfang dringend nötig.