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„Vom Arbeiterkind zum Akademiker“: Wie Bildungsaufstieg gelingt und was ihn erschwert
Das Thema „Arbeiterkinder an Hochschulen“ ist immer wieder Thema. Da geht es dann um Stipendien, Quoten, Benachteiligung, Chancengleichheit, Bildungsbarrieren oder Studieren ohne Abitur. Eher selten wurde der Fokus darauf gerichtet, welche Strapazen erfolgreiche „Bildungsaufsteiger“ über sich ergehen lassen mussten, um „trotz allem“ dennoch „erfolgreich“ zu sein. Studis Online sprach hierzu mit Prof. Aladin El-Mafaalani, der sich zuletzt in einer von der Konrad-Adenauer-Stiftung herausgegebene Studie mit „Extremaufsteigern“ beschäftigt hat.
Bisherige Kommentare
1. Brandt, D. kommentierte am 06.05.2014 um 10:18:43 Uhr
Kinder aus Akademikerprekariat
In unserem Fall war die Finanzierung des Studiums meines jüngeren Sohnes nur durch die Unterstützung der Großeltern möglich. Die Idee einer Dissertation hat mein Sohn aber zugunsten seines Referendariats und anschließender Stellensuche im öffentlichen Dienst zurückgestellt, wenn nicht gar aufgegeben - zu unsicher die Aussichten im Wissenschaftsbetrieb.
2. Donnerwetter kommentierte am 06.05.2014 um 12:38:01 Uhr
Vielen Dank
Danke für diesen Artikel. (Leider) kann ich mich darin sehr gut wiedererkennen. Als einziges Kind der gesamten Familie, welches Abitur und ein Bachelorstudium absolviert hat, kenne ich die Herausforderungen sehr gut. Angefangen mit der Entfremdung zur Familie bis zum inneren Konflikt wo man selbst hingehört.
Jedoch war das Studium das geringere Problem. Durch mein duales Studium hatte ich mit der Finanzierung keine Schwierigkeiten.
Wirklich interessant und herausfordernd wurde es in meinem ersten Job bei einem der größten und renommiertesten Management-Beratungsunternehmen Deutschlands. Hier war ich umgeben von Akademikern und deren Kindern. Und hier habe ich erst mal den Umgang auf diesem Parkett erlernen müssen. Ich war klar im Nachteil, da ich nicht wusste wie stark der Konkurrenzkampf intern ist und wie Konflikte souverän und "diplomatisch" ausgetragen werden.
Geschockt von dieser unangenehmen Erfahrung habe ich gekündigt und habe erst mal wieder an mir gezweifelt. Wo gehöre ich hin und wo will ich hin? Unterfordert in der Arbeiterwelt und überfordert bzw. nicht anerkannt bei den Akademikern. Und wie im obigen Artikel erwähnt, gehe ich den Weg alleine. Die Familie hält mich für zu schlau und verstehen meine Gedanken und mein Leben nicht, wohingegen die andere Welt mich für zu bürgerlich hält.
Dennoch hat diese Situation auch etwas positives. Schließlich bin ich in einer selten Position in der ich als Mittler zwischen beiden Parteien agieren kann. Genau dies möchte ich nun auch beruflich umsetzen.
3. Thomas Linser kommentierte am 06.05.2014 um 21:36:26 Uhr
als Abrißarbeiter zum studium
An dem Artikel ist viel dran. Und ich kann noch viel mehr berichten. Ich habe als einfacher Zerspaner und Forstarbeiter das Abi an der Abendschule gemacht. Da ich zu der Zeit erwerbslos wurde, wurde ich vom Arbeitsamt gegen meinen Willen gezwungen, als Abrißarbeiter zu arbeiten.
Habe dann im Studium meine Abschluß als Soziologe gemacht. Habe aber fast immer alles allein gemacht. Mit komillitonen hatte ich außer fachliches kaum ein gemeinsames Gespräcshthema. Ich habe bei meinen Eltern gewohnt, die waren bei Studienbeginn schon 77 udn 70 JAhre. Ich mußte mich um alles kümmern: Haus, Grundstück, Baumaßnahmen, Ärger mit dem Abwasserzweckverband, Rentenbescheide (32 seiten lang und alle 2 Jahre mit neuen Fehlern, Widersprüche) und un dund... Als Arbeiterkind und Arbeiter war ich es gewohnt, so viele Arbeiten am Haus wie möglich selber zu machen, um das GEld zu sparen und was man selber kann , macht man eben selber. Das war für meine Komillitonen völlig untypisch. ES waren Kinder von BEamten (eine hatte mit 25 Jahren, im 4. Studienjahr, ihren eigenen großen Mercedes vor der Tür stehen, ich war stolz darauf, daß ich mir mit 29 Jahren, also nach 13 JAhren Berufstätigkeit, einen gebrauchten Lada für 7.000, DM kaufen konnte), Kinder von Lehrern, Verwaltungsmitarbeitern der Uni, Ärzten, Soziologen, Mathematikern, Professoren, die ihnen fachlich und - noch wichtiger - über BEziehungen helfen konnten. Ich mußte mir alles von vorn bis hinten selber erarbeiten.
Meine große SChwester nahm sich zu Beginn meines 3. SEmesters das Leben, weil sie als einfache Arbeiterin (in der DDR war man als Arbeiter wer!) die SChikanen durch das Abeitsamt und die öffentliche Hetze gegen Erwerbslose nicht mehr ertragen konnte. Vielleicht kam noch dazu, daß sie als die "Große", die sich früher immer um mich gekümmert hatte, nicht damit fertig wurde, daß ich nun den ERfolg udn das GEld und die Anerkennung im LEben und Beruf haben würde, die ihr seit 1990, also seit der viel bejubelten Deutschen Einheit, verweigert wurden. (Entfremdung - s. die Studie) Ich mußte ihre Wohnung auflösen, alle Formalitäten erledigen und meine Eltern immer wieder aufrichten. WElcher Beamte, welcher Arzt,welcher Professor nimmt sich wegen Arbeitslosigkeit das Leben?
Bevor ich mit der Diplomarbeit beginnne konnte, wurde mein Vater pflegebedürftig (PArkinson, häufige Ohnmachtsanfälle, HArn- und Stuhl-Inkontinenz, SChwerhörigkeit, Demenz usw, was natürlich im Laufe der Erkrankungen immer schwerer wurde). Also: hauptberuflich Vater pflegen, stundenweise DA schreiben. Vier Jahre für die DA gebraucht, 4 Jahre keinerlei EInkommen, kein Bafög mehr, aber auch die Sozialhilfe wurde mir verweigert. DA mit "Eins", Studium mit "Zwei", das ist für einen Arbeiter ohne jegliche Beziehungen recht annehmbar.
Meinen Vater haben Mutter und ich neun Jahre lang gepflegt. Nach dem Tod meines Vaters habe ich auch keine Erwerbsarbeit gefunden. Wer will schon einen Wissenschaftler, der immer nur gearbeitet hat, aber eben nciht in dem Beruf. Ich muß mich auf dem ARbeitsamt nackig ausziehen, muß alles offelegen, was ich nicht habe udn lebe von 382,- ALG II. Das Arbeitsamt sagt mir: ich müßte mich auch bei Leihfirmen bewerben, auch unterhalb meine Qualifikation. WEnn ich das nicht mache, wird mir das ALG II verweigert. Für was habe ich mich dann an der Abendschule durch das Abitur und dann durch das Studium gekämpft?
Trotzdem war das STudium wichtig für mich, weil ich die ERfahrung gesammelt habe, daß man es in diesem System durch Leistung zu nichts bringt, daß Leistung nur bestraft wird. Und welches Leben andererseits möglich ist, welches Einkommen, welche Berufe, welche BEziehungen udn welcher Wohlstand ohne übermäßige Leistung möglich sind, wenn man die richtigen Eltern, Verwandten und damit BEkannten mit einem hohen Sozialen Status hat. Da waren wir in der DDR schon mal viel weiter. Da wurden Arbeiter- und Bauernkinder besonders gefördert (Brechung des bürgerlichen Bildungsprivilegs), vor allem in den 50er und 60er Jahren, aber auch noch in den 80ern.
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