Stipendien ungleich verteiltArm bleibt arm und reich studiert
Von Michael Hartmann und Jens Wernicke
In Zeiten von Studiengebühren wird intensiver über Stipendien diskutiert. Durch sie, so die Bundesregierung, soll sichergestellt werden, dass auch für begabte junge Menschen aus den so genannten "bildungsfernen Schichten" – trotz Studiengebühren – ein Studium möglich ist. Die Bundesregierung plant, noch binnen dieser Legislaturperiode, die Mittel der so genannten Begabtenförderung soweit zu erhöhen, dass in Zukunft ein (statt bisher ca. 0,7) Prozent aller Studierenden ein Stipendium erhalten. Interessant ist, wer bisher gefördert worden ist.
Wie die Antwort des Bundesministeriums für Bildung und Forschung auf eine Kleine Anfrage (Bundestagsdrucksache 16/4661) der Fraktion DIE LINKE zeigt, erhielten 2006 etwa 14.000 Studierende ein Studien- sowie knapp 3.000 ein Promotionsstipendium. Davon bekamen jedoch gut 40 Prozent "nur" das Büchergeld in Höhe von 80,- Euro monatlich. Das bedeutet: Mehr als 40 Prozent der mittels Steuergeldern geförderten "Begabten" entstammen nach den Worten des Ministeriums Familien mit einer "hohen Einkommenssituation".
Auffallend sind die großen Differenzen zwischen den einzelnen Studienwerken. Hans-Böckler- und Rosa-Luxemburg-Stiftung wiesen mit 68,85 bzw. 44,33 Prozent den weitaus höchsten Anteil an StipendiatInnen mit der vollen Fördersumme auf. Die Stiftung der Deutschen Wirtschaft, die Friedrich-Naumann-Stiftung und die mit Abstand größte und einflussreichste Stiftung, die Studienstiftung des deutschen Volkes, bilden das andere Extrem. Jede(r) zweite StipendiatIn erhielt nur das Büchergeld. Bei den Vollstipendiaten liegt die Studienstiftung mit einem Anteil von gerade einmal 15,89 Prozent sogar deutlich am Schluss.
Diese Zahlen sprechen dafür, dass bei diesen drei Stiftungen, die über 8.200 der insgesamt 13.415 StipendiatInnen fördern, trotz aller entgegenlautender Beteuerungen Stipendien nach wie vor stark anhand von Kriterien vergeben werden, bei denen eine hohe oder gehobene "soziale Herkunft" eine entscheidende Rolle spielt. Zum einen ist das durch Stipendien belohnte Kriterium "Leistung" schlicht blind dafür, dass familiär Begünstigte eben viel eher und einfacher als Benachteiligte "gute Leistungen" zu erbringen vermögen. Zum anderen gibt es offensichtlich (wie in anderen Ländern auch) informelle Maßstäbe, die für soziale Selektivität sorgen.
Die aktuelle Praxis der Vergabe von Stipendien verstärkt die Bildungsungerechtigkeit also noch weiter. Wenn, was bereits geschieht, die StipendiatInnen der Förderwerke an einigen Hochschulen nun per se von Studiengebühren freigestellt werden, heißt das konkret: Die ohnehin bereits Privilegierten werden noch stärker privilegiert. Während die relativ wenigen Jugendlichen aus den so genannten "bildungsfernen Schichten", die es überhaupt bis an die Hochschulen schaffen, Studiengebühren bezahlen müssen, werden die StipendiatInnen, die zu einem großen Teil aus dem Bürgertum kommen, von diesen freigestellt.
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