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Gut für Lehrämtler, schlecht für Praktiker

Erfahrungsbericht von Mandava, 08.06.2016

Studieninhalt

Vorab: Ich habe NICHT auf Lehramt studiert, sondern im 2-Fach Bachelor.

Germanistik war bei mir von Anfang an eine Verlegenheitslösung. In der Schule war Deutsch mein bestes Fach und ich habe schon immer gerne gelesen, also dachte ich: Warum nicht Deutsch studieren? Weil ich zudem noch aus einer Arbeiterfamilie stamme und daher nicht auf Erfahrungsberichte aus der Familie zurückgreifen konnte, sind mir Fächer wie Medienwissenschaften oder Kommunikationswissenschaften (die im Nachhinein besser zu meinen Interessen gepasst hätten) gar nicht erst in den Sinn gekommen. Ich empfehle allen Studienanfängern, die Germanistik studieren wollen, diese beiden Fächer zuvor für sich auszuschließen. Denn wenn man später "irgendwas mit Medien" machen oder definitiv mal in der freien Wirtschaft, zum Beispiel in der Unternehmenskommunikation, arbeiten möchte, dann sollte man lieber eines der beiden anderen Fächer studieren, die im Allgemeinen wesentlich praxisorientierter sind und deren Absolventen bessere Berufsaussichten haben. Denn man muss wissen: Im Studium der Germanistik an der RUB beschäftigt man sich primär theoretisch mit allen Facetten der deutschen Sprache - und dies muss ausdrücklich wörtlich genommen werden. Bestandteil des Studiums an der RUB sind die Linguistik (Semantik, Zeichensysteme), die Mediävistik (Mittelhochdeutsch) und NdL (Neuere deutsche Literaturwissenschaft). Alle drei Fächer sind in den ersten beiden Semestern an der RUB Pflicht; erst nach dem Erlernen der Grundlagen kann man sich spezialisieren. Von Mediävistik wird man vor dem Studium kaum etwas gehört haben. Hier beschäftigt man sich mit der Herkunft der deutschen Sprache (Sprachfamilien, wie ist das Deutsche entstanden usw.), dem Mittelhochdeutschen (was bedeutet, dass man das Mittelhochdeutsche erlernen muss, was aufgrund der Verschiedenheit im Vergleich zum Neuhochdeutschen nicht einfach ist und dem Erlernen einer dem deutschen ähnlichen Fremdsprache gleich kommt. Da kann man sich auch nicht vor drücken, weil in den Klausuren z. B. Texte übersetzt werden müssen) sowie mit mittelhochdeutschen Epen (z. B. dem Nibelungenlied oder dem Rolandslied. Diese Texte werden analysiert). In der Linguistik beschäftigt man sich mit Semantik und Semiotik, also den Bestandteilen der Sprache an sich. Ich empfehle, die beiden Begriffe gemeinsam mit dem Stichwort "Klausur" einmal zu googlen, um sich einen Eindruck zu verschaffen, worum es dabei geht. Ich persönlich fand diesen Themenbereich am schwersten, da am abstraktesten. In der NdL beschäftigt man sich mit deutschen Texten. In den ersten beiden Semestern, also den Grundkursen, wird hier noch einmal die deutsche Literaturgeschichte bzw. die Literaturepochen aufgerollt, wie man sie auch noch aus der Schule kennen dürfte (sprich Romantik, Realismus, Exilliteratur usw.). Parallel dazu werden Beispieltexte gelesen. Später kann man dann Seminare zu bestimmten Autoren belegen, je nach Geschmack, allerdings sollte man nicht erwarten, den Lieblingsfantasyautor analysieren zu dürfen - in der Regel geht es um Göthe, Schiller oder klassische Literatur aus dem 21. Jhr. Parallel zum Studium absolviert man einen Optionalbereich um Umfang von 30 CP. Hier kann man Seminare aus anderen Fächern belegen oder sich Skills aneignen (z. B. Präsentationsskills). Insgesamt bekommt man einen sehr fundierten Überblick über sämtliche theoretischen Teilbereiche der Germanistik geboten und wer sich dafür interessiert (also entweder auf Lehramt studiert oder später mal als Dozent arbeiten will), wird an der RUB sicher glücklich. Daher bewerte ich die Studieninhalte insgesamt als gut, auch wenn ich persönlich vom Studium mehr erwartet hätte, weil ich mich eben nicht zu dieser Kategorie zähle. Denn wer mehr über die praktische Seite der Kommunikation erfahren möchte, sollte sich lieber einen anderen Studiengang bzw. eine andere Uni suchen, denn: Das Studium an der RUB ist leider sehr praxisfern. Von einer so großen Universität, die dazu noch im Wirtschaftsraum Bochum liegt, hätte ich mehr erwartet, z. B. mal ein oder zwei Seminare dazu, wie Germanisten in der freien Wirtschaft unterkommen können oder eine Vorlesung zur Unternehmens- oder Marketingkommunikation. Es gibt nämlich sehr viele Möglichkeiten und Chancen für Germanisten in der freien Wirtschaft, auch abseits der Empfehlungen auf der Uniseite, nur habe ich den Eindruck, dass die Uni das selber nicht weiß, weil die Dozenten der Germanistik überwiegend im Elfenbeinturm sitzen. Letztendlich habe ich einen Job gefunden, aber nur, weil ich mich im Master an einer anderen Uni spezialisiert und nebenbei immer freiwillig Praktika absolviert habe. Wer hingegen nach Schema F an der RUB studiert, hat es nach dem Abschluss schwer.

Betreuung und Lehre

Die RUB ist eine Massenuni und das merkt man auch. Die Seminare sind überfüllt, teilweise steht man draußen auf dem Gang. Die Qualität der Seminare ist jedoch gut - man hat immer gemerkt, dass die Dozenten wissen, wovon sie reden. Darüber hinaus ist das Seminarangebot auch im Vergleich zu anderen Unis sehr hoch - für mich ein deutliches Plus im Bachelor. Die Professoren, die ich näher kennen gelernt habe, waren alle recht nahe am Studenten. Keiner wirkte abgehoben oder war brüskiert, wenn man ihm/ihr auch nach Dienstschluss mal ne Mail geschickt hat. Die Betreuung meiner Bachelorarbeit war ebenfalls sehr gut. Vom Verwaltungsapparat kann ich das leider nicht behaupten. Genervte Sekretärinnen, unfreundliche Sachbearbeiter und unwissende Mitarbeiter gibt es an der Uni zuhauf, nicht nur in der Germanistik. In der ganzen Zeit, in der ich dort war, habe ich lediglich eine gute Erinnerung an eine freundliche und hilfsbereite Sekretärin sammeln können. Generell gilt an der RUB: hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner. Doch gerade im ersten Semester hätte die Hilfestellung besser ausfallen können. Zwar hat die Fachschaft grob erklärt, wie man einen Stundenplan erstellt und wie man sich im System anmeldet, den Großteil an Infos muss man sich jedoch - ganz Uni - selbst zusammenklauben. Inzwischen sehe ich das als notwendiges Erziehungsprogramm an. Wenn man sein Leben lang von Mami und Papi betüddelt wurde und sich auch in der Schule maximal darum kümmern musste, morgens den richtigen Bus zu nehmen, ist der Wechsel an die RUB schon eine Umstellung. Ärgerlich ist es jedoch, wenn man deswegen wichtige Anmeldetermine verpasst, seine Seminare falsch legt, am Ende zu wenig CP hat oder sonstige Nachteile erfährt. Hier müsste einfach noch nachgebessert werden in sofern, als dass, wenn man denn mal Hilfe braucht oder jemanden fragt, auch hilfreiche Antworten erhält. Also Selbstständigkeit ja, aber dann bitte auch die Rahmenbedingungen dafür schaffen. Generell kann ich jedem nur empfehlen, sich direkt zu Beginn sämtliche Formulare und Studienordnungen durchzulesen, im Zweifelsfall dreimal nachzufragen (auch wenn man glaubt schon eine Antwort erhalten zu haben) und sich so oft es geht mit Kommilitonen auszutauschen.

Ausstattung

Die Bibliothek ist sehr gut ausgestattet. Ich habe während und auch nach dem Studium berufsbedingt viele Universitätsbibliotheken besucht und die der RUB war nach der Bibliothek in Oldenburg die beste. Der Bücherbestand ist groß und in der Bib sind viele PC-Arbeitsplätze vorhanden. Lediglich am Sortiersystem und an Gruppenarbeitsplätzen hapert es noch.

Die Softwareausstattung der RUB ist insgesamt noch in Ordnung. Praktisch ist, dass man mit seiner elektronischen Studienkarte so ziemlich alles machen kann, also alles unter einem Hut hat: Bahn fahren, Bücher ausleihen, in der Mensa bezahlen, sich zu Hause einloggen und seine Studiendaten checken usw. Alles, was man mit dieser Karte laut Uni machen sollte, funktionierte während meiner Studienzeit reibungslos. Das davon unabhängige Online-Anmeldesystem (zu Seminaren usw.) hatte jedoch hier und da seine Tücken und war außerdem sehr unflexibel, was dazu geführt hat, dass Dozenten und Mitarbeiter regelmäßig mit Fragen seitens der Studenten konfrontiert wurden die, das hatte ich bereits erwähnt, leider oftmals unbeantwortet blieben, weil die Mitarbeiter vom System nämlich selber nur wenig Ahnung haben. Daher gab es zum Semesteranfang regelmäßig Chaos.

Positiv hervorzuheben ist, dass während meiner Studienzeit (ist ggf. heute noch so) viele der Grundkurse und größeren Vorlesungen als Podcast zur Verfügung standen, sodass man nicht unbedingt vor Ort sein musste, um dem Vortrag zu folgen. Das wurde wahrscheinlich so gemacht, weil die Hörsäle für die Masse an Studenten zu klein sind.

Organisation

Das Studium ist in der Regelstudienzeit machbar, allerdings nur, wenn man auf Praktika verzichtet, die leider nicht im Studium integriert sind. Ich habe deshalb 2 Semester länger studiert, was jedoch kein Problem war. Wenn man im 2-Fach-Bachelor studiert, kann es passieren, dass sich die Grundkurse der beiden Fächer überschneiden. Dies sollte unbedingt vorher abgeklärt werden. Generell muss gesagt werden, dass die einzelnen Fachbereiche an der RUB untereinander nicht gut vernetzt sind und man deshalb als Student oft der Leidtragende ist, weil man Pflichtseminar A nicht beglegen kann, wenn im Parallelfach ebenfalls ein Pflichtseminar angeboten wird. Was einem an der Uni jedoch nicht gesagt wird ist, dass man den Stundenplan nicht nach Schema X studieren muss. Das habe ich leider erst im vierten Semester herausgefunden. Zwar muss man die einzelnen Module absolvieren, jedoch nicht in dem Zeitraum, der im Stundenplan empfohlen wird. Wenn Modul A laut Stundenplan im vierten Semester belegt werden soll, kann man auch zum Dozenten gehen und fragen, ob man es nicht schon im dritten Semester belegen kann (u. a. wegen der o. g. Doppelbelegung mit dem Zweitfach). In der Regel sind die Dozenten hier flexibel, daher lautet mein Tipp: Bei Missständen nicht nur ärgern und runterschlucken, sondern hartnäckig nach Alternativen fragen und so lange nerven, bis man seine Pflichtmodule alle unter einen Hut bekommen hat. Außerdem: Im Voraus planen, nicht nur für das aktuelle, sondern auch für das nächste Semester und am besten auch schon für die Bachelorarbeit (Betreuer überlegen, rechtzeitig Seminare vom Wunschdozenten besuchen usw.)

Berufsorientierung

Leider gibt es im Studium keinen Raum für Praktika. Diese müssen selbst organisiert und in das Studium integriert werden, zur Not auf Kosten der Regelstudienzeit. Die Seminare selbst sind, abgesehen von einigen Seminaren zum Thema Journalismus, leider ebenfalls sehr praxisfern. Praktisch ist der Optionalbereich, wo man Seminare zu praxisnahen Skills belegen kann. Ich würde auch jedem raten, das zu nutzen.

Über Mandava
Alter bei Studienbeginn:
21 bis 25 Jahre
Beginn des Studiums:
Schon länger her (2008)
Status:
Studium bereits 2012 abgeschlossen

Bitte immer daran denken: Erfahrungsberichte sind subjektive Schilderungen. Achtet auch auf das Datum – vielleicht hat sich in der Zwischenzeit schon etwas geändert.







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