Studienfächer
Neuere Philologie studieren (Literaturwissenschaft / Sprachwissenschaft)
Liebe zum Wort. Das verbindet alle Philologen. Denn nichts anderes bedeutet der griechische Ausdruck „Philologie“ auf Deutsch übersetzt. Älter als die Neuere Philologie ist die Klassische, die sich mit dem griechischen und römischen Altertum befasst. In der Neueren Philologie dreht sich alles um lebende Sprachen, mit denen sich also auch heute noch Muttersprachler in allen Herrenländern verständigen.
Von Frauke Lüpke-Narberhaus

Maksym Yemelyanov - Fotolia.com (stock.adobe.com)
Neuere Philologie
Folgende Fächern verbergen sich unter dem Deckmantel der Neueren Philologie:
Germanistik,
Anglistik und die
Neugriechische Philologie.
Romanistik gehört ebenfalls dazu und beschäftigt sich mit Französisch, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, sowie Sprachen aus Süd- und Mittelamerika. Die
Skandinavistik analysiert Dänisch, Schwedisch und Norwegisch. Zur
Slavistik zählen Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Bulgarisch und Serbisch. Die
Finnougristik (Uralistik) untersucht die Sprache und Literatur Finnlands, Estlands, Ungarns und einiger kleinerer Sprachen Russlands. Lettisch und Litauisch sind Thema in der
Baltistik, die kaukasischen Sprachen sind in der Kaukasiologie angesiedelt und das Albanische in der
Albanologie. Die
Orientalistik nimmt Ägyptisch, Assyrisch, Indisch, Arabisch, Türkisch und Persisch unter die Lupe.
Ostasienwissenschaften beinhalten unter anderem Sinologie (Chinesisch), Japanologie, Koreanistik, Laoistik, Tibetologie, Mongolistik, Vietnamistik. Last but not least gibt es
zentralafrikanische Philologien.
Rund 6000 Sprachen weltweit. Dementsprechend verbergen sich hinter dem Oberbegriff „Neuere Philologie“ verwirrend viele Studienfächer. Klassisch mag einem als erstes Germanistik, auch Deutsche Philologie genannt, in den Sinn kommen. Anglistik ist auch noch nahe liegend. Wie sieht es aber aus mit: Laoistik, Lusitanistik, Mongolistik, Rumänistik und Slavistik? Das kommt einem eher Spanisch vor. Es dauert eine Weile sich eine Schneise in den Sprachendschungel zu schlagen, aber es ist möglich (siehe Kasten).
Aufbau: Schön systematisch
Zwar hat jedes Fach seine eigene Sprache, doch ist der Studienaufbau sehr ähnlich. Trotzdem: Unterschiede gibt es dennoch. Deswegen ist es wichtig, sich bei der favorisierten Uni noch einmal genau zu erkundigen!
Gedichte interpretieren, Goethes „Faust“ studieren, Novellen lesen. Das stand noch bis kurz vor dem Abitur im Deutschunterricht auf dem Lehrplan. Manch einem Schüler hat das möglicherweise so gut gefallen, dass er sich an der Universität für Germanistik eingeschrieben hat in der Hoffnung, dass das nun so weitergeht. Fehlanzeige! Gerade das sprachliche Grundstudium ist oft sehr trocken und es heißt womöglich: Augen zu und durch.
Hohe Abbrecherquote
Vielen ist diese Durststrecke allerdings zu lang und sie brechen vorher ab. So ist die Abbrecherquote bei den Sprach- und Kulturwissenschaften mit 37 Prozent sehr hoch. Ein Vergleich: Nur 14 Prozent der PsychologInnen kehren ihrem Studium den Rücken. Das geht aus der Studie
„Studienabbruchstudie 2014“ des DZHW hervor.
Zwei Teilbereiche
Das Studium der Philologie gliedert sich in zwei Teilbereiche: Literaturwissenschaft und Sprachwissenschaft. Um sich später für einen Bereich zu entscheiden und sich dort zu spezialisieren, muss ein Student beide Seminare belegt haben.
Die Literaturwissenschaft beschäftigt sich mit Wirkungsweise, Struktur und dem Gehalt literarischer Texte. Lautlehre, Morphologie, Syntax, Semantik und Pragmatik sind die Themen der Sprachwissenschaft. Selbst viele deutsche Muttersprachler schlackern mit den Ohren, wenn es an die deutsche Grammatik geht; denn diese hat es wirklich in sich. Ein Glückpilz ist derjenige, der die lateinische Grammatik einst verstanden hat – dann ist alles andere ein Klacks. Deswegen setzen Universitäten für ein philologisches Studium oft auch das Latinum oder Lateinkenntnisse voraus.
Nicht nur in der Germanistik auch in den übrigen Philologien muss zunächst die Grammatik gepaukt werden. Bei Anglistik und Romanistik werden vor Studienbeginn meist gute Sprachkenntnisse vorausgesetzt – sind diese nicht vorhanden, muss kräftig gelernt werden. An der Universität Münster beispielsweise beginnen Romanisten, die den Schwerpunkt Spanisch gewählt haben, ihr Studium mit einem Hispanistenkurs. Wenn sie allerdings in einem Einstufungstest zuvor bewiesen haben, dass ihr Spanisch für das Studium ausreicht, können sie den Kurs umgehen.
„Diszipliniert arbeiten!“
Der Hispanistenkurs ist ein einsemestriger Sprachkurs, der sechs Wochenstunden und eine Abschlussklausur umfasst. Die 23 jährige Julia Neubarth aus Münster hatte bereits zweieinhalb Jahre Spanisch in der Oberstufe, bevor sie den Hispanistenkurs besucht hat. „Ohne die hätte ich die Klausur glaube ich nicht bestanden“, vermutet sie heute. Julia rät Studienanfängern, die kein Wort Spanisch „sehr sehr diszipliniert zu arbeiten“ wenn sie den Hispanistenkurs erfolgreich abschließen wollen.
Anders sieht es beispielsweise bei der Skandinavistik aus. Welche Schule unterrichtet schon Schwedisch, Norwegisch oder Dänisch? Studenten bleibt das komplette Grundstudium um sich die Sprache anzueignen. An der Ludwigs-Maximilians-Universität in München beispielsweise büffeln zwischen 3 und 35 Studenten gemeinsam in einem Sprachkurs. In den ersten drei Semestern haben sie jeweils vier Stunden pro Woche Unterricht und im vierten Semester meist weitere zwei bis vier Stunden. Danach sollte das Dänisch, Schwedisch oder Norwegisch sitzen.
Für einen Sprachstudenten bedeutet es aber nicht, dass er in allen Sprachen, die zu der studierten Sprachfamilie gehören, sattelfest sein muss. Jede Uni steckt andere Ziele, aber meistens muss eine Sprache beherrscht werden und in einer weiteren Sprache erwirbt man passive Sprachkenntnisse, die soweit reichen sollten, um Texte in der fremden Sprache verstehen zu können.
Alltagsgespräche auf Persisch

Frauke Lüpke-Narberhaus
Auch die Ursprünge einer Sprache sind Thema – bei Skandinavistik z.B. Altisländisch
Nun ist es für einen Deutschen nicht so schwer beispielsweise Englisch zu lernen. Aber wie sieht es mit Persisch aus? Dr. Nader Purnaqcheband ist Persisch-Lektor am Orientalischen Institut der Universität Halle. Wenn ein Student bei ihm für zwei Semester das Modul "Persisch als zweite Islamsprache" besucht hat, so kann er danach meist alltägliche Gespräche auf Persisch führen – wie gut er die Sprache wirklich beherrscht, hängt natürlich auch vom Lernwillen des Studenten ab.
Jede Neuere Philologie trägt auch einen toten Teil in sich: Will man eine Sprache richtig verstehen, so muss auch ihr Ursprung bekannt sein – das predigen zumindest die Dozenten. In der Germanistik heißt dieser Ursprung Althochdeutsch. In der Skandinavistik Altisländisch. In der Romanistik Altspanisch und so weiter.
Es braucht aber noch mehr, um eine Sprache richtig zu begreifen. Geschichte, Politik, Wirtschaft, Geographie, soziale und kulturelle Verhältnisse. Kurzum:
Landeskunde gehört deswegen ebenfalls zu einer Philologie dazu. Jede Uni legt dabei einen anderen Schwerpunkt: Die eine fokussiert sich eher auf den sprachlichen, die andere bevorzugt den landeskundlichen Teil.
Auslandsemester: Nur Vokabeln pauken reicht nicht!
Egal wie viele Stunden ein Student am Schreibtisch über seinem Vokabelheft brütet, ein – besser zwei – Auslandssemester sollte zu jedem sprachwissenschaftlichen Studium dazugehören. Wenn jedoch unüberwindbare Hindernisse den Weg versperren, so sollte doch wenigstens ein Praktikum im Ausland auf der To-Do-Liste stehen.
Die Devise lautet: Soviel Sprachpraxis wie möglich. Viele Austauschstudenten in Deutschland sind beispielsweise auf der Suche nach Tandempartnern. Sprachen lernen leicht gemacht: Ihr trefft euch wöchentlich zum Kaffeetrinken. Du sprichst seine und er Deine Sprache.
Das Auslandsemester sollte etwa nach dem vierten Semester in Angriff genommen werden: Da sind die Sprachkenntnisse meist schon ganz passabel und man versteht im Ausland nicht nur Bahnhof. Ist der Auslandsaufenthalt zu sehr am Ende des Studiums platziert, stellt man sich selbst ein Bein, schließlich profitiert man von den Sprachkenntnissen aus dem Ausland auch im eigenen Studium: Die Lektüre der Fachliteratur fällt leichter, man versteht auf einmal, was der Dozent von einem möchte und auch die Hausarbeiten in der nicht mehr ganz so fremden Sprache gehen leichter von der Hand.
Praktika: Bilden ein Profil
Ein philologisches Studium bereitet – wie viele andere Studienfächer auch – auf keinen spezifischen Beruf vor. Deswegen ist es sehr ratsam in den Semesterferien Praktika zu absolvieren, die das eigene Profil schärfen und einem die spätere Berufswahl erleichtern.
Will man später im Medienbereich arbeiten, so könnten etwa Korrespondentenstellen im Ausland eine Anlaufstellte fürs Praktikum darstellen. Reizt eher der Kulturbereich, so wäre zum Beispiel das Goethe-Institut eine passende Adresse, da es auf der ganzen Welt Einrichtungen unterhält und Germanisten immer gerne gesehen sind. Zeigt das Praktikum, dass das im Studium Gelernte auch zu was Nutze ist, fällt die Lernerei für die nächste Klausur auch wieder leichter.
Studienende: Was hat man nun davon?
„Was macht man denn mit Skandinavvv…was?“ Diese Frage ist Adrian Schaefer-Rolffs, 24, schon häufiger begegnet, denn er studiert in Hamburg Skandinavistik und Politikwissenschaft. Und genau die beiden Fächer würde er auch später im Beruf gerne kombinieren. Bei einer NGO – Nicht-Regierungsorganisation – in Skandinavien beispielsweise. „Oder einfach bei einer NGO oder einer Firma, die Bezug zu Skandinavien hat.“ Gerade bewirbt sich Adrian um ein Praktikum bei der Deutschen Botschaft in Kopenhagen. Ein bisschen Zeit hat er noch bis zum Studienende und bis dahin will er eine "Nische" gefunden haben.
Anglisten und Romanisten suchen und finden oft eine Anstellung im Schuldienst. Für Slavisten, Skandinavisten und Orientalisten liegt die spätere Berufswahl nicht ganz so auf der Hand. Philologen kommen meist in Bibliotheken, Museen, bei Verlagen, Kulturorganisationen, in der Öffentlichkeitsarbeit und Medien unter.
Es kann ratsam sein, eine Philologie mit Fächern wie beispielsweise Betriebswirtschaft oder Politikwissenschaft zu kombinieren – so werden die Berufsaussichten rosiger. Kombiniert ein Student beispielsweise Romanistik mit Politikwissenschaft und legt er auch in Politikwissenschaft seinen Schwerpunkt auf Italien, Frankreich, Portugal oder Spanien, so wird es als Südeuropaexperte unschlagbar.
Voraussetzung: Reicht die Liebe zum Wort?
Eine Philologie sollte nicht aus Mangel an Alternativen gewählt werden. Nicht jeder, der Deutsch spricht, ist ein guter Germanist. Soll das Studium Spaß machen – und nur so sind langfristig gute Leistungen möglich – ist das Interesse an Literatur und Sprache die wichtigste Voraussetzung.
Dementsprechend sollte auch in jedem angehenden Philologen eine kleine Leseratte stecken, denn lesen muss er viel. Gerade in den ersten Semestern müssen Studenten viel auswendig lernen: Sei es die Grammatik, seien es Vokabeln. Nur so bekommen sie das Werkzeug an die Hand, um später Texte fundiert interpretieren zu können. Auch der Persisch-Lektor Purnaqcheband legt dem angehenden Sprachstudenten ans Herz: „Eine grundsätzliche Begeisterung zum Spracherwerb und Bereitschaft zum harten Arbeiten sind unerlässlich.“
Probleme: Ist doch alles Humbug
Fast jeder Student begegnet im Laufe seiner Universitätslaufbahn der Frage, warum er sich das eigentlich antut. Bei den einen rebelliert der Mann im Kopf lauter, bei dem anderen ist es nur ein leises Flüstern. Wenn es an den älteren Sprachstufen an den Kragen geht, kommt für viele Philologen der Punkt an dem sie an ihrer Studienwahl zweifeln.
Was habe ich davon, wenn ich altspanische Texte lesen kann? Vermutlich nicht viel. Ältere Sprachstufen sind zwar nur ein kleiner Mosaikstein vom Studium und doch gehören sie dazu. Dessen sollte sich jeder Studienanfänger bewusst sein. Für einige Studenten der Philologie ist es auch ein unergiebiges Gefühl, dass vieles „Wischiwaschi“ ist. In der Philologie geht es nun mal um Sprache, nicht um Zahlen. Gerade bei der Interpretation eines Textes gibt es immer viele Wege zum Ziel.
Output: Was kann ein Philologe?
Und dennoch: Auch eine Interpretation ist nicht aus den Fingern gesogen, sondern mit Textstellen belegt. So schult auch ein Studium der Philologie analytisches und systematisches Denken. Zudem lehrt es zusammenhängend zu argumentieren: Schließlich sind bei einer Interpretation viele Faktoren aus Geschichte, Politik, Wirtschaft Geographie sowie soziale und kulturelle Verhältnisse zu berücksichtigen.
Zu guter Letzt bleibt die Liebe zum Wort. Durch sein Studium lernt ein Philologe Sprache gezielt einzusetzen. Anakoluth, Aposiopese, Contradictio in adjecto sind nach dem Studium keine Fremdwörter mehr. Vielmehr ist sich ein Philologe dann der Wirkungsweise von rhetorischen Stilmitteln bewusst und er selbst kann sie gezielt einsetzen.
Weiterführendes
Literaturtipps: Literaturwissenschaft
Literaturtipps: Sprachwissenschaft
Webtipps und Quellen
Anmerkung der Redaktion: Die Ursprungsfassung der Autorin ist schon einige Jahre alt, die letzten Aktualisierungen wurden von der Studis Online-Redaktion am oben genannten Datum vorgenommen.
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