Die Qual der Wahl
Welches Studium ist das richtige für mich?
Jedes Jahr brechen rund zehntausende Studierende ihr Studium ohne einen Abschluss ab. Ja, sie brechen mit dem Studieren allgemein und lassen Pauken wie Theorie hinter sich. Damit es Euch nicht ebenso ergeht, empfiehlt sich vor der letztlichen Entscheidung für ein bestimmtes Studienfach zuerst der eigenen Motivation nachzuspüren – mit dem großen Studienwahltest.Eine Buchrezension von Eva-Maria Vogt und Jens Wernicke
Der große Studienwahltest
Von Angela Verse-Herrmann und Dieter Herrmann.
Stark Verlagsgesellschaft, 2015, ISBN 978-3849014483
Preis (unverbindlich): 17,95 Euro.
Hinweis: Die Rezension bezieht sich konkret auf die Auflage von 2006, die noch bei Eichborn erschienen war.
Häufig hat der Studienabbruch weniger mit fehlenden „Fähigkeiten“ oder mangelndem Interesse zu tun: Wer weiß vor Aufnahme eines Studiums schon, was ihm oder ihr wirklich liegt, was auch nach einigen Semestern noch interessant sein und womöglich sogar ein wenig Freude bereiten wird?
Doch: Was sind eigentlich meine Interessen, zu was bin ich motiviert, was macht mir Spaß? Bei eben diesen Überlegungen setzt das Buch „Der große Studienwahltest“ an. Es besteht aus verschiedenen Tests und führt vermittels dieser von ganz allgemeinen bis hin zu speziellen Entscheidungshilfen.
Helfen wird der Ratgeber vor allem jenen, die nicht so recht wissen, was nach dem Abitur der richtige Weg, die richtige Richtung, das richtige Studium für sie ist, sowie jenen, die bereits studieren und an ihrer Studienwahl zu zweifeln und/oder neue Ideen und Perspektiven zu suchen beginnen. Und zwar dadurch, dass es sie mit sich selbst und ihren Motiven, ihren Wünschen konfrontiert - anstatt bspw. einfach zu konstatieren: „Du bist gut in Deutsch - werd' doch Journalist!“
Praxis oder Theorie? Was liegt Dir mehr?
Der erste Test befasst sich mit der Frage „Lehre oder Studium?“. Zunächst wird auf die Ausbildungsmöglichkeiten nach dem Abitur bzw. der Fachhochschulreife eingegangen. Hier wird erläutert, dass es weit mehr Entscheidungsmöglichkeiten gibt als nur jene zwischen „Ausbildung oder Studium“. So werden bspw. Sonderausbildungsgänge in der Wirtschaft, Berufsakademien, Berufsfachschulen und Kombinationsausbildungen ebenso dargestellt wie die klassischen Wege: Lehre und Studium.
Der anschließende Test geht auf verschiedene Motivationen für die eine oder andere Ausbildungsart ein. Schneller Berufseinstieg oder lieber langes, intensives Lernen werden hierbei ebenso als Kriterien herangezogen wie die Frage nach einer Neigung eher zu Theorie oder Praxis.
Im zweiten Test folgt die Entscheidung „Fachhochschule oder Universität?“. Nach einer kurzen Erläuterung folgt der Test mit anschließender Auswertung und Vorstellung der Kennzeichen von Fachhochschule und Universität.
Der dritte Test legt sein Hauptaugenmerk auf die Schulnoten. Hier wird jedoch nicht einfach nur abgefragt, in welchen Fächern gute und in welchen schlechte Leistungen erbracht wurden. Vielmehr geht es darum, dass sich Vorlieben und Abneigungen nicht nur in einer Note ausdrücken, sondern auch von Faktoren wie Fleiß, Interesse, sozialem Umfeld, Lehrenden etc. abhängen. In diesem Test werden daher hypothetische Noten zugrunde gelegt, die aus der eigenen Überlegung resultieren, welche Ergebnisse bei gleicher Arbeit und gleich gutem Unterricht erreicht worden wären. Aus dem hieraus entstehenden Bild von Stärken und Schwächen in Schulfächern werden schließlich Kombinationen von in Frage kommenden Studiengängen abgeleitet und vorgestellt.
Was ist die richtige Fächergruppe? Was das richtige Studienfach?
Nun beginnt der eigentliche Haupttest. Das deutsche Studienangebot aus rund 180 Studienfächern wird hierbei in 12 Fächergruppen unterteilt.
Im vierten Test erhält man anhand von rund 120 Fragen eine erste Orientierung über das eigene Interesse für bestimmte dieser Gruppen. So lassen sich Bereiche, die nicht in Frage kommen, und Bereiche für die großes Interesse mitgebracht wird, herausfiltern. Wiederum arbeitet der Test mit der eigenen Vorstellungskraft: Der Testende soll sich eine Vorlesung mit Tutorium, Nachbearbeitung des Stoffes sowie einer Abschlussklausur vorstellen.
Nun folgen die Titel solcher Vorlesungen. Anhand von fünf Möglichkeiten (von „unter allem Umständen teilnehmen“ bis „auf keinen Fall teilnehmen") wird das Interesse für die jeweilige Veranstaltung ermittelt. Wer sich ehrlich und ernsthaft mit diesen Veranstaltungstiteln, die sogleich auch Themen suggerieren, auseinandersetzt, wird am Ende des Testes eine Analyse darüber erhalten, für welche Fächergruppe er oder sie sich zurzeit am meisten interessiert. Zudem werden im Anschluss die einzelnen Gruppen ausführlich erläutert. Auch ein Abgleich mit den Schulnoten wird am Ende des vierten Tests vorgenommen. Die Stärken-Schwächen-Analyse der Schulnoten soll nun ggf. zu weiteren Ausschlussmöglichkeiten führen. So wird bspw. vor einem Jurastudium bei Schwächen in Deutsch und Mathematik gewarnt.
Der auf den Ergebnissen des vierten Tests aufbauende fünfte Test setzt sich nun mit der Fächerwahl innerhalb der ermittelten Gruppen auseinander. Wiederum wird die Vorstellung einer Vorlesung zugrunde gelegt, nun jedoch noch mit der Ausarbeitung eines Referates. Innerhalb der Fächergruppen werden wie im vorherigen Test Vorlesungstitel bewertet. Die Ergebnisse führen zu einer Aufschlüsselung der Interessen und Neigungen innerhalb der bevorzugten Fachgruppe.
Natürlich kann man diesen Test ebenso für jene Fächergruppen machen, die nicht an erster Stelle standen. Es wird sogar empfohlen, die ersten beiden Fächergruppen zu testen. Aus den Ergebnissen folgt eine detaillierte Darstellung möglicher Studienfächern. Wer also zuvor die Fächergruppe „Mathematik und Naturwissenschaften“ als bevorzugten Bereich ermittelte, findet nun eine Aufschlüsselung in neun weitere Untergruppen wie zum Beispiel „Physik, Physikalische Technik, Astronomie“ oder „Gartenbau, Weinbau, evtl. auch Getränketechnologie“ und hat somit am Ende dieses Testes die konkreten Studienfächer ermittelt, welche seinen eigenen Interesse, der eigenen Motivation am ehesten entsprechen.
Bachelor, Master – oder Diplom?
Im sechsten und letzten Test wird auf die verschiedenen Abschlussmöglichkeiten eingegangen. Je nach Fächergruppe und Interessenslage sind verschiedene Abschlüsse möglich bzw. ratsam. Insbesondere werden hier auch die neuen Abschlussmöglichkeiten wie Bachelor und Master vorgestellt und bewertet.
Der letzte Teil des Buches geht auf weiterführende Informationen ein. Hier werden nicht nur Verweise auf inhaltliche Informationsquellen bezüglich des Studienfaches angeboten, sondern auch solche, die sich um Finanzierung, Studieren mit Behinderung etc. drehen. Zudem wird eine Übersicht gegeben, die alle wichtigen Daten enthält und den Entscheidungsprozess zeitlich aufgliedert. Es lohnt sich, vor der Durcharbeitung der Tests auf Seite 107 den „Fahrplan“ zu studieren.
…nicht so platt wie andere „Tipps“
„Der große Studienwahltest“ legt eindeutige Schwerpunkte auf Interesse und Motivation und befasst sich nicht ausschließlich mit dem Austesten von Fähigkeiten. Platte Ratschläge à la „Sie sind gut in Bio und Mathe, dann werden Sie doch Lehrer für Bio und Mathe“ oder umgekehrt „Sie sind schlecht in Deutsch? Na dann werden Sie mal nicht Jurist“, wie sie bspw. oft das Beratungsgespräch und Tests beim Arbeitsamt zeitigen, werden hier gerade nicht erteilt. Wer ein Fach unbedingt studieren will sowie das Interesse und die Motivation mitbringt, erreicht oft viel mehr als der Studierende, der nur studiert, weil er in der Schule in den entsprechenden Fächern gut war.
Dennoch: Die Entscheidung: „Was studiere ich?“ kann einem auch dieses Buch nicht abnehmen. Festzuhalten bleibt: Wer sich intensiv mit den Tests dieses Buches auseinandergesetzt hat, hat eine wirklich gute Grundlage für die Entscheidung bezüglich seines Ausbildungsweges zur Hand.
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