Wahlprüfsteine HochschulpolitikWas die Parteien in Bremen vertreten
Am 22. Mai 2011 findet in Bremen und Bremerhaven die Wahl zur 18. Bremischen Bürgerschaft, dem Landesparlament der Freien und Hansestadt Bremen, statt. Von den 83 Abgeordneten in der Bürgerschaft werden 68 in der Stadt Bremen und 15 in der Stadt Bremerhaven gewählt.
Aufgrund einer Besonderheit im Wahlsystem sind in der Bremischen Bürgerschaft derzeit Abgeordnete von insgesamt sieben Parteien und Wählervereinigungen vertreten. Nach dem Landeswahlgesetz der Stadt Bremen gelten die Stadt Bremen und die Stadt Bremerhaven als zwei getrennte Wahlbereiche. Um in die Bürgerschaft einzuziehen reicht es aus, in einer der beiden Städte die 5-Prozent-Hürde zu überspringen.
Die Stimmenverteilung bei der letzten Bürgerschaftswahl im Jahr 2007 sah wie folgt aus:
Die SPD bekam 36,7 % der abgegebenen Stimmen und somit 32 Sitze, die CDU kam auf 25,6 % und 23 Sitze, die Grünen erreichten 16,5 % und 14 Sitze, die LINKE 8,4 % und 7 Sitze, die FDP 6 % und 5 Sitze. DVU und die Wählervereinigung Bürger in Wut kamen auf 2,7 % und 0,9 % und erhielten je 1 Sitz. (Vgl. Wikipedia)
Von 1995 bis 2007 stellte eine Koalition aus SPD und CDU den Bremischen Senat. 2007 kam es dann zu einer Koalition aus SPD und Grünen mit Jens Böhrnsen (SPD) als Bürgermeister, die seitdem amtiert.
Eine vollständige Auflistung der Parteien und Wählervereinigungen, die sich 2011 zur Wahl stellen, ist auf der Homepage des Landeswahlleiters zu finden.
Was vertreten CDU, LINKE, FDP, Bündnis 90/DIE GRÜNEN, Piratenpartei und SPD?
Den Landesverbänden der auch im Bundestag vertretenen fünf Parteien sowie der Piratenpartei legten wir Ende März sieben Fragen zu den Politikfeldern Hochschul- und Wissenschaftspolitik vor. Im Folgenden haben wir einige der zentralen Antworten zusammengefasst. Jeden Abschnitt führen wir mit einer kurzen Beschreibung des Ist-Zustandes ein.
Wer die vollständigen Antworten der Parteien lesen möchte, findet hier eine Liste der Detail-Artikel (in Klammern ist angegeben, wann uns die Antwort erreichte - danach ist die Liste sortiert):
- Antworten der CDU (04.04.2011)
- Antworten der LINKEN (06.04.2011)
- Antworten der FDP (11.04.2011)
- Antworten der Grünen (11.04.2011)
- Antworten der Piratenpartei (14.04.2011)
- Antworten der SPD (21.04.)
Studiengebühren
Nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts 2005 darf der Bund allgemeine Studiengebühren nicht verbieten. Seitdem ist es für die Bundesländer möglich, allgemeine Studiengebühren zu erheben. Bis 2007 hatten dies insgesamt sieben Bundesländer (Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfallen und Saarland) – alle unter CDU- oder CSU-Führung und meist mit Beteiligung der FDP – getan. Seitdem hat sich die Zahl der Bundesländer, die allgemeine Studiengebühren erheben, jedoch stark verringert: in Hessen, Nordrhein-Westfalen und dem Saarland wurden sie wieder abgeschafft. In Baden-Württemberg und Hamburg werden sie im Laufe dieses bzw. des nächsten Jahre voraussichtlich ebenfalls abgeschafft werden.
In Bremen wurden von der Koalition aus SPD und CDU 2005 das Bremer Studienkontengesetz eingeführt. Demzufolge wurde jedem und jeder Studierenden ein "Guthaben" von 14 gebührenfreien Semestern zugestanden. Ab dem 15. Semester werden Gebühren in Höhe von 500 Euro/Semester fällig. Diese Regelung gilt seit 2010 auch für Studierende, deren Hauptwohnsitz außerhalb des Landes Bremen liegt. Vorher galt eine "Landeskinderregelung", nach der von allen Studierenden, deren Hauptwohnsitz außerhalb Bremens liegt, 500 Euro/Semester gefordert wurden (allerdings wegen entsprechender Gerichtsurteile doch nicht real erhoben wurden). Mehr dazu hier.
Wir hatten die Parteien nach ihren Plänen bezüglich der Studiengebühren in Bremen gefragt.
Die CDU Bremen spricht sich für ein gebührenfreies Studium aus – allerdings nur "bis zum Ende der Regelstudienzeit des Bachelors", der als berufsqualifizierend verstanden wird.
Die LINKE Bremen spricht sich klar gegen Studiengebühren aus und fordert die Abschaffung des bestehenden "Studienkontenmodells".
Die FDP Bremen fordert, dass es den Hochschulen freigestellt sein sollte, ob sie und wenn ja, in welcher Höhe Studiengebühren erheben.
Die Grünen Bremen fordern ein gebührenfreies Erststudium; darunter verstehen sie – im Gegensatz zur CDU – ein Studium bestehend aus Bachelor und Master.
Die Piraten Bremen sind grundsätzlich für die Abschaffung aller Studiengebühren. Für den Fall, dass sie doch eingeführt werden, sollten sie nach Ansicht der Piraten nach finanzieller Leistungsfähigkeit der Betroffenen gestaffelt werden.
Die SPD Bremen lehnt Studiengebühren für das Erststudium ab, verteidigt jedoch das Studienkontenmodell, da es Studierende zu einem schnelleren Abschluss motiviere und zahlreiche Ausnahmetatbestände vorsähe.
Bachelor / Master-System
Der Bachelor-Abschluss wird derzeit für immer mehr Studierende zur Sackgasse, da in konsekutiven Master-Studiengängen teilweise nur ein Bruchteil der im Bachelor-Studiengang vorhandenen Studienplätze angeboten wird. Wir haben die Parteien danach gefragt wie sie zur Umsetzung des Bachelor-Master-Systems in Deutschland stehen und welchen Entwicklungsbedarf sie auf diesem Gebiet sehen. Außerdem wollten wir wissen, wie sich die Parteien zu der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Masterplatz positionieren.
Die SPD Bremen spricht sich dafür aus, den Zugang zum Master weiter zu öffnen. Die Einrichtung eines Rechtsanspruchs auf einen Master-Platz wird als "denkbar" bezeichnet. Es wird jedoch auf die finanziellen Rahmenbedingungen verwiesen, die derzeit die Einrichtung von zusätzlichen Master-Studienplätzen erschweren und eine gemeinsame Initiative von Bund und Ländern notwendig machen.
Die Piraten äußern sich kritisch zu den Motiven der Einführung von Bachelor- und Master-Abschlüssen – billigere und schnellere Produktion von mehr "berufsqualifizierten" Absolventen etc. – und zu Inhalten wie den so genannten Schlüsselqualifikationen, deren Vermittlung in den Bachelor-Studiengängen einen großen Raum einnimmt. Mit der Forderung nach einem Rechtsanspruch auf einen Masterplatz würde versucht, "Symptome zu kurieren, anstatt die Krankheit selbst zu heilen". Die Piraten fordern daher die zusätzliche Wiedereinführung von Diplomstudiengängen.
Die Grünen sind der Auffassung, "dass alle Studierende, die einen Masterabschluss machen wollen, dies auch tun können". Ihnen reicht die "Chance" auf ein Masterstudium. Zu der Frage eines Rechtsanspruchs darauf äußern sie sich nicht näher.
Die FDP hält "weitergehende Eignungskriterien" für die Zulassung zum Master-Studium für nachvollziehbar und will es den Hochschulen überlassen, welche Studierenden sie in ihre Studiengänge aufnimmt und welche Abschlüsse sie anbieten. Ein Rechtsanspruch auf einen Master-Studienplatz mache ihres Erachtens "keinen Sinn".
Die LINKE bezweifelt, dass der Bachelor-Abschluss tatsächlich berufsqualifizierend ist. Sie setzt sich für "Masterplätze für Alle" ein und möchte allen Studierenden, die in Bremen einen Bachelor abschließen, verbindlich zusichern, dass sie in Bremen einen Platz in einem konseukutven Masterprogramm erhalten.
Die CDU lehnt einen Rechtsanspruch auf einen Masterstudienplatz ab.
Demokratische Hochschule
In den letzten Jahren wurden an vielen deutschen Hochschulen demokratische Strukturen abgeschafft oder durch - in der Regel nicht demokratisch legitimierte - Gremien wie die Hochschulräte in ihren Kompetenzen beschnitten. Wir fragten die Parteien: Was für eine Rolle soll Demokratie an der Hochschule nach Auffassung Ihrer Partei spielen? Haben Sie Konzepte für eine stärkere Demokratisierung der Hochschulen und wenn ja, welche?
Die CDU sieht keinen Handlungsbedarf, da sie die bestehenden Regelungen für gut und ausreichend hält.
Die LINKE tritt für eine Drittelparität in allen Gremien der Universität ein und fordert ein allgemeinpolitisches Mandat für die gewählten Studierendenvertretungen.
Für die FDP steht eine straffere Organisation der Hochschulen im Vordergrund. Konzepte für eine demokratischere Strukturierung der Hochschulen sind von der FDP demnach nicht zu erwarten.
Die Grünen loben die Akademische Senatsverfassung in Bremen als eine der demokratischsten in Deutschland. Sie können sich vorstellen, sich für eine Vergrößerung des Einflusses der Studierenden in Fragen der Lehre einzusetzen.
Die Piraten bezeichnen die Forderung nach Mitbestimmung, insbesondere in Schule und Universität, als eine ihrer Kernforderungen. Alle am Bildungsprozess Beteiligten sollten demnach Mitentscheidungsrechte haben.
Die SPD beschreibt die aktuelle Hochschulstruktur als ausreichend demokratisch und plant keinen Ausbau der Mitbestimmungsmöglichkeiten in den Hochschulgremien.
BAföG + Deutschlandstipendium
BAföG und Deutschlandstipendium sind zwar nicht Sache des Landes Bremen, sondern Bundesgesetze. Allerdings muss der Bundesrat zustimmen und kann auch eigene Initiativen in Bezug auf Änderungen starten. Von daher kann das Land zumindest versuchen, Einfluss zu nehmen – auch wenn Bremen als kleines Bundesland nur wenig Stimmen im Bundesrat hat.
So könnte man bspw. BAföG und Unterhaltsrecht in Richtung einer vom Einkommen der Eltern unabhängigen Förderung ändern (ähnlich den Modellen in Skandinavien), müsste dazu aber sehr grundlegende Änderungen auch bei Unterhalts- und Steuerrecht vornehmen (ist also leider eine schwierige Sache, wenn auch durchaus ein gutes Projekt). In diesem Zusammenhang haben wir auch nach der Haltung der Parteien zu leistungsabhängigen Stipendien wie dem "Deutschlandstipendium" im Verhältnis zur Breitenförderung auf Grundlage des BAföG gefragt. Ein Stipendium ist per se nie auf Dauer garantiert, es besteht darauf kein Rechtsanspruch wie beim BAföG. Es bleibt also grundsätzlich die Frage, wie die vage Aussicht auf ein Stipendium jemanden zum Studieren motivieren soll.
Die SPD erwähnt in Sachen BAföG lediglich, dass sie regelmäßige Erhöhungen fordert. Ein elternunabhängiges BAföG sei nicht sozial, außer man würde auch das Steuersystem umbauen. Dass sie derartiges vorhat, scheint aber nicht der Fall zu sein.
Das Deutschlandstipendium wird kritisiert, da es keine Menschen aus bildungsfernen und/oder einkommensschwächeren Elternhäusern zu einem Studium bewegen könne. Es bestehe die Gefahr, dass bestimmte Fachrichtungen weniger Stipendien erhalten (genannt werden die Geistes- und Gesellschaftswissenschaften). Die Mobilität der Studierenden würde gehemmt, da bei einem Hochschulwechsel das Stipendium verloren gehe.
Ein elternunabhängiges BAföG fordert die Piratenpartei, vor allem auch deswegen, weil so keiner gezwungen sei, die Eltern zu verklagen, so diese ihren Unterhalt nicht leisten wollten.
Das Deutschlandstipendium wird als "übelste Mogelpackung" bezeichnet. Die Gelder dafür würden zum größten Teil durch Kürzungen bei bewährten Stipendiengebern kommen. Es bestehe die Gefahr der Abhängigkeit und Beeinflussung durch die Wirtschaft - wenn sich denn überhaupt genug Spender fänden –, da 50% der Gelder von den Hochschulen eingeworden werden müssen. Der Stipendienbeitrag sei lächerlich niedrig und die Zahl der Geförderten bisher minimal.
Die Grünen haben (als Bundespartei) vor einigen Jahren ein Modell für ein neue Studienfinanzierung vorgelegt, die elternunabhängige Teile vorsieht. Teil des Konzeptes ist es auch, dass die bisherigen Familienbeihilfen (z.B. Kindergeld und Steuerfreibeträge) gestrichen werden und das Geld stattdessen direkt an die Studierenden gehen soll. Dafür wollen sich die Grünen auch über das Land Bremen einsetzen.
Das Deutschlandstipendium wird von den Grünen abgelehnt, die Gelder wären besser für einen Ausbau des BAföGs eingesetzt worden. Diverse Studien belegten, dass Stipendien eher Studierenden aus Akademikerfamilien zugute komme, nicht jedoch Studierende aus sog. bildungsbenachteiligten Schichten.
Die FDP lobt sich, in der Bundesregierung die Erhöhung der BAföG-Beträge durchgesetzt zu haben und bezeichnet das BAföG als wichtiges Mittel zur Studienförderung. Es solle eine regelmäßige an der Preisentwicklung orientierte Erhöhung des BAföG geben.
Das Deutschland-Stipendium sei eine große Chance für die Studierenden. Durch die hälftige Finanzierung durch Spenden würde privates Kapital für das Studium erschlossen. Es sei aber lediglich ein finanzieller Anreiz für besondere Leistungen, für die grundlegenden Lebenshaltungskosten sei weiterhin das BAföG zuständig.
Die Umgestaltung des BAföG zu einer "Bedarf deckenden, elternunabhängigen, rückzahlungs- und repressionsfreien Studienfinanzierung" fordert die LINKE.
Das Deutschlandstipendium wird abgelehnt, die Mittel hätten besser für eine BaföG-Erhöhung verwendet werden sollen.
Das BAföG spiele eine ganz wichtige Rolle bei der Studienfinanzierung, äußert die CDU. Die letzte BAföG-Novelle habe den Kreis der BAföG-Berechtigten erheblich ausgeweitet.
Das Deutschlandstipendium sei eine hervorragende Möglichkeit, leistungsstarke Studierende zu fördern und eine regionale Vernetzung zwischen Wissenschaft und Wirtschaft zu befördern. Besondere Leistung sollte auch zusätzlich honoriert und damit wertgeschätzt werden.
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